Banksy in Basel: Komplett Mainstream

Nichts ist echt, alles ist fake. Und irgendwer profitiert am Schluss immer. Die Ausstellungsbesprechung.

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Stark, isn't it?

Hurra, die Museen sind wieder da. Am 1. März eröffnet in Basel eine Banksy-Ausstellung. Sie heisst «Building castles in the sky» und ist so klebrig, ironisch und irrsinnig überflüssig, wie man sich das hat vorstellen dürfen.

Als Herausgeber werden Stefano Antonelli, Gianluca Marziani und Acoris Andipa geführt. Letzterer ist Galerist in London und handelt mit Werken von Banksy, die bei Auktionen auch schon Preise von bis zu 10 Millionen Pfund erzielten. Produziert wird das alles von der italienischen Assoziazione Metamorfosi und gezeigt werden Originale von privaten Sammler*innen. Der Eintritt kostet – ziemlich ordentlich – 24 Franken.  

Banksy selber hat mit der Ausstellung nichts zu tun. Der Künstler selber warnt immer wieder vor Trittbrettfahrer*innen seiner Kunst und es dürfte nicht mehr lange dauern, bis die Basler Ausstellung auf der Liste für fake-Banksy-Shows auftaucht.

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Für alle, die diesen Banksy nicht kennen sollten: Eine kurze Einordnung aus küchenphilosophischer Perspektive. Klammer auf: Eine andere Perspektive auf Banksy gibt es nicht. Was du und deine WG über Banksy zu sagen haben, das habe auch ich über ihn zu sagen und auch jeder x-beliebige Kunsthistoriker, der an der Wiener Akademie der Künste zur subversiven Sprengkraft Banksys in der spätkapitalistischen Moderne promoviert. Auch der hat nicht mehr zu Banksy zu sagen als wir, weil alle klug und systemkritisch genug sind, um zu verstehen, was abgeht. 

Wie Banksy zu finden ist, das liegt schliesslich auf der Hand. Gut nämlich. 

Weniger Museum, mehr Strasse.
Bajour

Hier ist also die Einordnung.

Banksy, Strassenkünstler oder besser, Street-Artist, bemalt seit den 1990er-Jahren Wände mit ikonischen Schablonenkunstwerken, Stencils genannt. Berühmt wurden sie, weil sie einfach sind. Die anfänglich subversive Kunst wurde schnell kommerzialisiert und von einer weltumspannenden Marketingmaschine Namens Internet vereinnahmt. Das wiederum gibt einer kapitalismuskritischen Boheme die Gelegenheit, ihre Kapitalismuskritik zur Schau zu stellen und auf Realness zu pochen, wo doch eh alles Authentische vor die Hunde geht. 

Aber man sei, so jeder Schlusssatz zur Causa Banksy in jeder WG-Küche dieser Welt, dabei ja keine Ausnahme, schliesslich ist man mit seinem iPhone10 und den Doc-Martens aus veganem Leder irgendwie selber Teil des Problems. 

Ende der Einordnung. 

Die Kapitalisierung der Kapitalismuskritik

Das ist also Banksy im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit. Über 100 Werke sind nun in Basel zu sehen. Und die Ausstellung, das ist jetzt das Tolle, bedient wirklich jedes dumme Klischee der Banksy-Erzählung.  

Da sind zunächst einmal ganz schwarze Wände, und fokussierte Lichtspots auf die Bilder. So dunkel und schattig wie alles ist, man kriegt direkt Bock, kritisch herumzuraunen. Der Ort des Geschehens trägt ebenfalls zum Storytelling bei. Halle 5 ist wahrscheinlich die hässlichste Halle der ganzen Messe, sie liegt direkt unter dem Parkhaus und über den schwarzen Wände der Ausstellung sieht man Backsteine herauslugen. Das ist gut für die Authentizität. Die Bilder, vor allem Siebdrucke, aber auch herausgebrochene Mauerstücke und eine Skulptur sind zu sehen, hängen eingerahmt an der Wand und daneben hat es kleine Begleittexte zum Entstehungskontext. 

Ausserdem, irre poetisch, hängen da noch Zitate von und über Banksy an der Wand.

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Die Aussteller*innen unternehmen einiges, eine selbstironische Note in die Ausstellung zu bringen.
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Oder soll das etwa ernst gemeint sein mit diesem Zitaten?

Dann kommt der Ekel. Ausgerechnet vor dem Bild mit dem Mädchen, das einen Ballon in Herzform fliegen lässt. Die Haare wehen ihm ins Gesicht, ausgerechnet da ekelt man sich ganz gewaltig vor der kitschigen Widerlichkeit dieser Bilder, vor der komplett plakativen Systemkritik der Affen und Bullen und Granaten und vor den Blumen werfenden Demonstranten. Was für ein banaler Mumpitz, will man denken, und obwohl man die Schleusen zur Stilkritik nur ein wenig hatte öffnen wollte, bricht gleich der ganze Damm.

Was erlauben sich diese Veranstalter*innen, eine vom Künstler nicht autorisierte Ausstellung mit einer Kunstform – Wandmalerei – zu machen, die ausserhalb dieser schwarz verkleideten Mauern immer sofort weggeputzt und bereinigt wird, als wäre sie Schmutz?

In den Sozialen Netzwerken machen Basler Künstler*innen gegen den Ausverkauf ihrer Kultur mobil, aber hier baut der Kunstmarkt dem Publikum eine neue Götze, auf die es onanieren kann und Selfies machen und T-Shirts kaufen und kritisch nicken vor den Bildern, auf denen Panther aus Gitterstäben aus Strichcodes ausbrechen und Flüchtlingskinder stehen mit brennenden Fackeln traurig im Wasser. 

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Und es geht noch weiter. Banksy hat 2020 ein Schiff gespendet zur Seenotrettung von Geflüchteten auf dem Mittelmeer, auch davon ist ein Foto zu sehen. Der Begleittext zum Foto bringt die moralische und ästhetische Verrottung dieser Veranstaltung in der Basler Messe auf den Punkt.

Das Schiff heisst Louise Michel und ist, so steht es auf der Tafel, der «emblematischen anarchischen Schriftstellerin, die in der Pariser Kommune aktiv war», gewidmet. Weiter steht da: «Es handelt sich um ein ehemaliges Schiff der französischen Marine, das für Such- und Rettungsaktionen umgebaut wurde. Das Schiff ist ebenso wendig wie rosa. (…) Ein Team von Rettungsprofis aus ganz Europa leitet und steuert das Schiff. Die Hierarchie ist flach, die Ernährung ist vegan.»

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Und mit dieser elenden Pointe, in der sich Lifestyle und Seenotrettung im Kontext einer kommerziellen Ausstellung über kapitalismuskritische Kunst die Hand reichen, findet die*der kritische Beobachter*in plötzlich ganz fest zu sich selbst. 

Wie einfach das alles ist und wie hübsch man die Wiedersprüche aufgedeckt hat. Ganz toll gemacht, Musterschüler*in. Vielleicht noch ein Post auf Instagram? Noch ein Artikel dazu? Fein. Hoffentlich merkt keine*r, dass man auch in der Kritik immer schön mitprofitiert am Ausverkauf aller Dinge. Die Aussteller*innen selber haben natürlich das falsche Spiel längst antizipiert und machen mit grossen Zitaten auf ihr mieses Spiel aufmerksam. 

Lies mal, was hinter dem Stand für das Merchandise auf der Schrifttafel steht. 

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Unklar, ob das von den Macher*innen so gewollt war, aber am Schluss sagt dieses dumme Spektakel mehr über uns selber, als über die Kunst oder den Markt oder gar Banksy.

Und darum tritt man am Ende wie befreit aus dieser Ausstellung auf den Messeplatz hinaus. Toll, wie hier alles zusammenkommt, das Falsche und das Echte, die Symbole und das Konkrete, der Hass und die Bewunderung. Ein Trainingsparcours für Ambiguitätstoleranz, denn natürlich kann man hier nicht einfach missmutig durchlatschen, ohne den Blick auf sich selbst zu richten. Darum lautet die befreiende Losung: 

Nichts ist echt, alles ist fake. Und irgendwer profitiert am Schluss immer. Nur sind es auch in diesem Fall nicht der Künstler und wahrscheinlich schon gar nicht die Kunst. Bis das nächste Tag, Graffiti oder Stencil von einer Kleinbasler Mauer geputzt werden, wird es nicht mehr lange dauern.

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Museen
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