Tschüss, deutsches Bio-Gemüse-Abo

Der südbadische Gemüsebetrieb Berg liefert ab sofort nicht mehr per Abo nach Basel. Die Zollverhandlungen dauern ihm zu lange.

Gemüse Zoll
Der Kampf ums Gemüse wird an der Grenze ausgetragen.

Demeter-Gemüse aus Südbaden nach Basel importieren – das ist bisher keine grosse Sache. Für Familie Berg gehört das seit fast 40 Jahren zu ihrem alltäglichen Geschäft. Gut 20 Minuten mit dem Auto liegt die Gärtnerei Berg von Basel entfernt. Der Weg von Binzen ist kurz – naheliegend deshalb, dass es auch auf Schweizer Seite viele Kund*innen gibt. 

In Zukunft wird das grenzübergreifende Geschäft allerdings stark eingeschränkt. «Leider müssen wir wegen den neuen Zollbestimmungen unser Gemüse-Abo in der Schweiz nach fast 40 Jahren per Ende September 2021 einstellen», teilt die Gärtnerei Berg in einem Brief an ihre Kund*innen mit. 

Ab Januar 2022 soll eine neue Zollrichtlinie gelten, die Waren vom Marktverkehr ausschliesst, die «im Abonnement an Abholorte oder direkt an den Wohnort» oder «an Zwischenhändler/ Grossabnehmer wie Hotels, Restaurants, Kantinen, Altersheime usw. geliefert werden». Das bedeutet für viele das Ende des Gemüse-Abos von deutschen oder französischen Nachbar*innen. 

Neu müssen die Waren als normale Handelswaren angemeldet werden. Damit sind sie nicht mehr abgabenbefreit und auch die bisherigen bürokratischen Erleichterungen am Zoll gelten nicht mehr. Es wird also teurer und aufwendiger. Die Gärtnerei Berg rechnet mit «20% Zoll-Mehrkosten».

Die Neuerungen sind schon länger bekannt. Im Februar hat der Basler Regierungspräsident Beat Jans deswegen einen Brief an Bundesrat Ueli Maurer geschrieben. In einer Mitteilung schrieb er, Marktwaren aus der Grenzzone seien für eine Versorgung mit regionalen Lebensmitteln notwendig, da das Angebot bei bestimmten Produkten in der Schweizer Region zu klein sei.

Die Verhandlungen dauern an. Doch für einige der deutschen Betriebe ist die Unsicherheit zu gross. Einer davon ist die Gärtnerei Berg, sie stoppt ihre Lieferungen: «Wir hätten ja noch bis Ende Jahr liefern können und es war ganz klar, dass wir niemanden entlassen wollen und eine andere Lösung finden würden. Die Kunden wollen ja immer noch das Produkt», erzählt Geschäftsführer Stefan Berg am Telefon. Doch leider habe er es nicht geschafft, dass seine teilweise langjährigen Mitarbeiter bleiben und sie darauf vertrauen, dass eine Lösung gefunden wird. «Mein Abo-Team hat sich also anderweitig orientiert und deshalb mussten wir vorzeitig, relativ plötzlich, das Angebot einstellen.»

Stefan Berg Demeter gemüse
Stefan Berg befürchtet 20 Prozent Zoll-Mehrkosten, sollte die neue Richtlinie in Kraft treten.

«Leider scheinen die Zollbestimmungen nicht mehr änderbar. Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem wir aktiv und bewusst Entscheidungen treffen müssen.»

von Stefan Berg, Geschäftsführer Gärtnerei Berg

Den Angestellten war die Situation zu unsicher. Offenbar haben sie kein Vertrauen in die Verhandlungen zwischen Basel-Stadt und dem Deutschen Zoll: «Leider scheinen die Zollbestimmungen nicht mehr änderbar. Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem wir aktiv und bewusst Entscheidungen treffen müssen», sagt Stefan Berg. «Ich kann als Unternehmer nicht bis zum Tag X warten bis ich etwas ändere.» Anfang November werde schon mit den Kunden besprochen, was und wie viel im kommenden Jahr angebaut wird.

Neben den Privatpersonen die von Berg ihr Gemüse an die Haustür geliefert bekamen, sind auch drei Geschäfte in der Region Basel von dem Lieferstopp betroffen. «Basel unverpackt», «Höheners» und der Vital Naturkost-Laden in Dornach. Lucas Didden, Geschäftsführer des Naturkost-Ladens, sagt, er versuche noch, einen anderen bilateralen Weg zu finden, um weiterhin mit der Gärtnerei Berg zusammenzuarbeiten. Ohne die Lieferung aus Südbaden würde ein Teil des Sortiments wegfallen. «Auch wenn wir den Grossteil über Lieferanten aus der Schweiz abdecken, gibt es zum Beispiel beliebte Apfelsorten, die nicht in der Schweiz verfügbar sind. Das beläuft sich auf etwa drei Tonnen im Jahr, da wird also etwas wegbrechen», sagt Didden.

«Zwei Drittel des Kantons grenzen an das Ausland. Es liegt doch nahe, und so wurde es ja auch seit Jahrzehnten gehandhabt, dass die lokale Versorgung mit Nahrungsmitteln gewisse zollrechtliche Erleichterungen hat.»

von Lukas Weidauer, Gärtnerei Hoch-Reinhard

Stefan Berg ist nicht der einzige Bauer hinter der deutschen Grenze, der unter den Unsicherheiten leidet. «Es ist schwierig», sagt Lukas Weidauer, Teilhaber der Gärtnerei Hoch-Reinhard. «Im Moment müssten wir uns eigentlich schon auf die neue Situation mit den Zollregeln vorbereiten. Das werden wir mit einer Zollagentur machen, aber auch das braucht einen Vorlauf von drei Monaten, also spätestens ab Oktober.»

Bis jetzt ist es Händler*innen aus dem umliegenden Ausland laut Richtlinie noch erlaubt, Marktwaren nicht nur auf dem Markt, sondern auch «im Herumziehen von Haus zu Haus an Selbstverbraucher sowie an Hotels, Restaurants, Pensionen usw.» zu verkaufen. So ist es seit Jahrzehnten Praxis im Dreiländereck. Weiterhin kann das Gemüse und Obst auf dem Markt oder in Hofläden gekauft werden oder eben vor Ort in Deutschland oder Frankreich.

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Was genau bedeuten die neuen Regeln an der Grenze für die Verkäufer*innen? «Wir müssen dann über den Autobahnzoll gehen oder eben über eine Agentur wie wir es planen», sagt Weidauer. «Es ist schwer zu schätzen, aber durch den erhöhten Zoll rechnen wir mit 20 bis 30 Prozent Preisaufschlag. Für den Endkunden wird das vielleicht machbar sein, aber für die Gastronomie wird es enger werden durch die knappen Margen.»

Weidauer kann die Pläne der Zollverwaltung nicht nachvollziehen. «Zwei Drittel des Kantons grenzen an das Ausland. Es liegt doch nahe, und so wurde es ja auch seit Jahrzehnten gehandhabt, dass die lokale Versorgung mit Nahrungsmitteln gewisse zollrechtliche Erleichterungen hat», sagt er. Darüber würde er das Dreiland als einen Wirtschafts- und Lebensraum ansehen.

Bei der Gärtnerei Hoch-Reinhard ist man deshalb unsicher, wie es weitergeht. «Man hört von Basel, dass noch diskutiert wird, aber wir wissen nicht, ob ein Kompromiss noch zustande kommt.»

Die neue Zollregelung

Bisher dürfen einige wenige, klar definierte saisonale Produkte (frisches Gemüse, Kartoffeln, Beeren) in einem engen Radius von zehn Kilometer beidseits der Grenzen bis zu einem bestimmten Gesamtgewicht frei eingeführt werden. Geregelt ist dies in den Grenzabkommen mit den Nachbarländern, so im schweizerisch-deutschen Abkommen vom 5. Februar 1958 über den Grenz- und Durchgangsverkehr. Davon profitieren Private ebenso wie die Gastronomie. Die Eidgenössische Zollverwaltung will dies nun nicht mehr akzeptieren. Im Rahmen ihres mehrjährigen Transformationsprogramms (DaziT) zur vereinfachten und digitalen Abwicklung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs hat sie die entsprechende Richtlinie angepasst. Sie soll per 1. Januar 2022 in Kraft treten.

Wie steht es denn um die Verhandlungen?

Weil Jans’ erster Brief keine Wirkung erzielte, meldete er sich ein zweites Mal schriftlich in Bern, dieses Mal mit einem rechtlichen Gutachten von Markus Schefer von der Universität Basel in der Tasche. Jurist Schefer resümiert, an der bisherigen Zollregelung sei nicht zu rütteln. Das Präsidialdepartement teilt mit:

«Das Gutachten kommt zum Ergebnis, dass die bisherige Praxis der Zollbefreiung und Zollerleichterung von Marktgütern in der Grenzzone im Dreiländereck in keiner Weise das Zollgesetz oder die Zollverordnung verletzt. Ebenso wenig verstösst sie gegen die entsprechenden Abkommen mit Deutschland bzw. Frankreich. Vielmehr entspricht sie Art. 25 der Zollverordnung, wonach Waren des Marktverkehrs zollfrei sind, wenn sie u.a. innerhalb der inländischen Grenzzone an natürliche Personen für deren eigenen Bedarf verkauft werden. (...) Die vom Bund geplanten Verschärfungen in der neuen Zollrichtlinie stehen gar in Konflikt zum Gedanken der Erleichterung des Grenzzonenverkehrs, welcher sowohl in den Grenzabkommen als auch in den Bestimmungen des Bundesrechts im Vordergrund steht.»

Jans glaubt an Entscheid bis Ende Oktober

Die Briefe inklusive Gutachten haben in Bern bisher keinen Kurswechsel erreicht. Doch in wenigen Tagen steht wieder ein Treffen mit der Zollverwaltung an, wie Beat Jans am Telefon sagt: «Es besteht immer noch Hoffnung, dass wir eine Lösung finden. Ich bin immer noch zuversichtlich.» Die Verhandlungen würden noch immer laufen, doch Jans glaubt an einen definitiven Entscheid bis Ende Oktober.

Egal, ob Basel-Stadt noch einen Kompromiss mit der Zollverwaltung heraushandelt – Gemüselieferanten wie Stefan Berg und Lukas Weidauer müssen vorerst umplanen.

«Nun müssen die Kunden eben hier raus kommen oder an den Marktstand. Die meisten unserer Kunden sind Stammkunden und viele haben schon gesagt, dass sie die Waren dann bei uns im Laden in Deutschland abholen», sagt Stefan Berg. «Ich nehme an, dass der Einkaufstourismus zunehmen wird.»

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