Der Nano-Forschung der Uni Basel droht ein Prestige-Verlust
Langsam zeigt sich, was der Bundesrat mit seinem Nein zum Rahmenabkommen mit der EU angerichtet hat. Der Uni Basel gehen alleine in der Quantenforschung ein Drittel der Gelder flöten, die nötig wären, um weiter Weltklasse zu sein.
Dominik Zumbühl und sein Team haben ein Ziel: Rechner so schnell, dass der heute leistungsfähigste Supercomputer wie eine Pferdekutsche neben einem TGV aussehen würde. Um das hinzukriegen, müssen die Physiker des Swiss Nanoscience Institut es schaffen, dass anstelle heutiger Bits, die nur 1 und 0 kennen, nanokleine Quanten-Bits gleichzeitig beide Zustände mit verschiedenen Wahrscheinlichkeiten annehmen können.
Dominik Zumbühl (Foto) erklärt es so: «Stellen Sie sich einen Pfeil vor, der kann nicht nur nach oben (1) oder unten (0) zeigen, sondern nach hinten und vorne, links und rechts, und alles dazwischen – mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit, und beides gleichzeitig»
Das funktioniert in der Theorie perfekt und in der Praxis schon ganz gut. Die Herausforderung: Es müssten Strukturen geschaffen werden, auf denen Millionen solcher Quanten-Bits miteinander auf einem sogenannten Quanten-Silizium-Transistor verbunden sind. Bisher konnten nicht mehr als zehn solcher mikroskopisch kleinen Bits zusammengeschaltet werden. Das Hauptproblem des Teams an der Uni Basel: Diese Bits sind extrem anfällig auf äusserliche Störungen. Deshalb konzentriert sich ein Teil der Grundlagenforschung auf den sogenannten Spin, das minimunzige Magnetfeld rund um das Elektron. Damit und mit dessen Masse und Ladung sollen sich die Quanten-Bits stabilisieren lassen.
Etwas weiter als die Uni Basel sind IBM und Google. Die schaffen schon Strukturen von bis zu ca. 100 Quantenbits. Allerdings seien die fast einen Millimeter gross und damit im Vergleich zu der Basler Variante nicht nur riesig, sondern auch träge, und das heisst relativ langsam, wie Zumbühl ausführt.
Diese Forschung hat riesiges, auch kommerzielles Potenzial. Doch jetzt droht das Programm, Prestige zu verlieren. Aufgrund des Scheiterns des Rahmenabkommens, wie es der Bundesrat im Frühling beschlossen hat. Denn die Uni Basel stemmt die Nano-Forschung natürlich nicht alleine. Da sind grosse Netzwerke der besten Institute und Physiker*innen rund um den Globus involviert. Vor allem aber solche aus der EU. Und damit sind wir beim Thema. Das Aus der Verhandlungen über einen Rahmenvertrag mit der EU bedeutet auch das Aus der Schweiz als assoziierte Partnerin beim milliardenschweren EU-Forschungsprogramm «Horizon Europe».
Konkret: Die Schweiz kann an laufenden Projekten bis Vertragsende mitwirken. Danach ist Schluss. Denn sie ist für die EU ab sofort ein Drittland, wie Swaziland, Indonesien oder die Dominikanische Republik. Was bedeutet: Sie kann sich in neue Forschungsvorhaben einklinken – auf eigene Kosten und ohne, dass die Schweizer Forscher*innen in eine Leitungsfunktion aufsteigen können. Zudem werden keine Schweizer Forscher*innengruppe mehr auf eine Auszeichnung des Europäischen Forschungsrates hoffen dürfen. Die Türen dieser Institution, die Grundlagenforschung nicht nur finanziell fördert, sondern eine wichtige Bühne darstellt in der kompetitiven Welt der Wissenschaft, bleiben der Schweiz ab sofort verschlossen.
Bange Fragen zur Finanzierung
Schwieriger wird es auch beim sogenannten Europäischen Campus (Eucor), dem Verbund der oberrheinischen Unis von Karlsruhe, Freiburg, Strassburg, Mulhouse und Basel. Hier läuft ein von der EU mitfinanziertes Doktoranden-Programm im Bereich der Quantum Science, wie das neudeutsch heisst. Das Programm ist 9,1 Millionen Euro schwer, wovon Brüssel 4,2 Millionen Euro bezahlt. Das entspricht 37 Doktorand*innen. Ende 2024 läuft das Programm aus. Ob danach überhaupt noch neue Projekte beantragt werden können, ist für Zumbühl die bange Frage.
Zumbühl schätzt, dass allein das Physik-Departement insgesamt ein Drittel der für die Quantenforschung zur Verfügung stellenden Mittel verliert. Doch es gibt Hoffnung. Erstens läuft da bis Ende 2023 ja noch immer das 17-Millionen-Franken-schwere Nationalfondsprogramm, das gute Chancen auf Verlängerung um weitere vier Jahre hat. Und zweitens will der Bundesrat als Reaktion auf das Rahmenabkommen-Aus die für EU-Riesenforschungsprogramm «Horizon Europe» geplanten Gelder den hiesigen Forscher*innen zur Verfügung stellen. Das sind immerhin 6,15 Milliarden Franken für die Jahre 2021 bis 2027. Das Parlament, das den Betrag bereits gesprochen hat, muss dem aber noch zustimmen.
Geld alleine macht nicht glücklich
Darin liegt zwar ein Quantum Trost, doch glücklich macht dieses Geld alleine auch nicht. Zumbühl: «Unsere bis jetzt exzellenten Netzwerke leiden, ebenso unser Status als führungsfähige Wissenschaftler*innen. Beides führt zu einer Schwächung unseres Standortes.» Mit anderen Worten: Die Schweiz droht im Ranking der Forschungsstandorte in tiefere Regionen zu fallen. Und das nicht nur in der Physik, sondern auf allen Forschungsgebieten, die international eng verflochten sind. Selbst in der Life Science, dem Standortfaktor, der Basel für Firmen wie Novartis und Roche zusätzlich attraktiv macht.
Und die Uni Basel? Der werden trotz des Bundes-Mannas rund 10 Millionen Franken im Jahr fehlen. So gross ist die von Matthias Geering, dem obersten Kommunikator der Uni, genannte Summe, die via europäische Forschungsprogramme derzeit fliessen. Die Folge gemäss Geering: «Es wird in Zukunft äusserst schwierig sein, gute Forscherinnen und Forscher an die Universität Basel zu berufen.»
Zum Vergleich: Für das EU-Programm «Horizon 2020», das von 2014 bis 2020 lief, erhielt die Uni Basel Beiträge in der Höhe von 84 Millionen Euro. Alleine die Quantenforschung erhielt 21 Millionen Euro, inklusive dem Eucor-Projekt allerdings. Spin, das Programm zur Erforschung des Elektronen-Magnetfelds, wurde und wird von der Schweiz finanziert. 17 Millionen Franken sind bisher gesprochen worden. Insgesamt beläuft sich die Finanzierungssumme für die Jahre 2020 bis 2024 inklusive der Beiträge der Partner IBM, ETH Zürich, EPF Lausanne und Uni Basel auf 30 Millionen Franken.
Hoffnung auf einen Standort in der EU
Anita Soltermann, Leiterin des Grants Office, also der Hauptanlaufstelle für internationale Förderprogramme bei der Uni Basel, weist darauf hin, dass die Schweiz bei den Quantum Sciences «auch von Instrumenten ausgeschlossen ist, die anderen Wissenschaftsgebieten auch unter dem Status als Drittstaat offen stehen.» Eine Hiobsbotschaft?
Die Hoffnung stirbt zuletzt. Zumbühl glaubt, dass Lösungen noch immer möglich sind. Zum Beispiel mit einer Filiale der Uni am Oberrhein, wie dies die Basler Mitte-Grossrätin Andrea Elisabeth Knellwolf in einem Vorstoss anregt. LDP-Doyen Christoph Eymann, jetzt Nationalrat, zuvor Erziehungsdirektor, lehnt die Idee gegenüber «Onlinereports» zwar kategorisch ab: «Eine Universität gründet man in Deutschland oder Frankreich nicht wie eine Migros-Filiale.» Denn für alle Fakultäten sei eine Akkreditierung erforderlich, und «das kann Jahre dauern». Doch Zumbühl findet sie «kreativ». Man müsste sie aber gut durchdenken. «Ein Briefkasten in Lörrach würde sicher nicht reichen, aber eventuell ein Labor an einer der Eucor-Unis?»
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