Zwischen Gentrifizierung und Lebensqualität
Das Klybeck und Kleinhüningen sollen sich mit Projekten wie dem neuen Klybeck Plus weiterentwickeln. Die Bevölkerung vor Ort fühlt sich dabei vernachlässigt, wie sich bei einem Quartiertreffen zeigt.
«Mehr Neubauwohnungen in einem Quartier führen nicht zu höheren Mieten der Bestandswohnungen». Das ist das Ergebnis einer Studie zum Thema Transformationsareale im Kanton, durchgeführt von Sotomo im Auftrag der Handelskammer beider Basel. Dass die Studie die bereits steigenden Mieten und die Effekte einer Aufwertung auf das umliegende Quartier aussen vor lässt und die Handelskammer für die Publikation einen taktischen Zeitpunkt wählte, wurde schon von der bz kritisiert.
Etwas anderes, was die Ergebnisse der Studie in ein anderes Licht rückt, sind die Lebensrealitäten im Umfeld dieser Transformationsareale, so auch im Klybeck und Kleinhüningen. Deshalb organisierte die Quartiersorganisation Klyck am Mittwochabend eine Veranstaltung unter dem Motto: «Lebensqualität für alle – wie geht das?»
Wohnungen werden teurer, Umstände bleiben
Der Quartiertreffpunkt Klyck ist an diesem Abend gut gefüllt. Von jungen Anwohner*innen bis zu Rentner*innen sind allerlei Leute mit verschiedenen Hintergründen anwesend. Das Ziel: den Menschen im Quartier helfen und ihnen Perspektiven für eine gute Lebenssituation geben. Denn laut Beobachtungen des Klyck würden diese Forderungen im Quartier nicht erfüllt.
«Wir haben eine sehr hohe Wohndichte im Quartier, ohne wirkliche Grünflächen oder Begegnungszonen. Heisst im Sommer haben wir grosse Hitze und wenige Orte zur Entspannung», so Christoph Wüthrich vom Klyck. Auch die Verdrängung von Anwohner*innen und das Verschwinden bezahlbarer Wohnungen sei ein wachsendes Problem. Gentrifizierung ist der Begriff, welcher über dem Anlass hängt. Ivo Balmer, SP-Grossrat und Gastredner am Anlass sagt: «Das Quartier ist umgeben von Transformationsarealen. Das führt dazu, dass Immobilienfirmen Wohnungen billig aufkaufen und darauf spekulieren, die teuer weiterzuverkaufen.»
Laut Balmer bedeute das: Die Wohnungen im Quartier werden teurer, während sich an den Lebensumständen der Menschen nichts ändert. Das zeige sich auch in den Zahlen. «Seit 2018 stiegen die Basler Mietpreise hier im Quartier am meisten», so Balmer. Dass sich die Bevölkerung, das nicht leisten könne, veranschauliche das Haus an der Ecke Acker- und Kleinhüningerstrasse. Christoph Wüthrich sagt: «Vor zwei Jahren wohnten dort Leute, die ansonsten Schwierigkeiten haben, Wohnungen zu finden, dann kam eine Zürcher Immobilienfirma und drängte die Anwohner*innen mit befristeten Mietverträgen raus.» Nun wird die billigste Wohnung für eine halbe Million Franken verkauft.
Lebensgrundlagen statt Bio
Von solchen und ähnlichen Geschichten erzählen viele Anwesende an der Versammlung. Ein Paar schildert: «Wir haben sechzehn Jahre lang in Kleinhüningen gewohnt. Dann mussten wir und viele unsere Nachbar*innen raus, weil die Vermietung die Wohnungen teuer sanieren wollte.» Eine andere Teilnehmerin erzählt vom Schicksal ihrer Freundin. Zurzeit lebe diese auf der Strasse. «Vis-à-vis von mir stehen fünf billige Wohnungen frei, bekommen tut sie keine.» Der Grund dafür seien die Schulden der Freundin. «Dabei sind wir doch alle verschuldet», skandiert die Teilnehmerin.
«Im Haus neben uns verlangt die Verwaltung 2000 Franken für eine 70-Quadratmeter-Wohnung. Die Wohnqualität ist miserabel, aber die Leute sind trotzdem darauf angewiesen, weil sie sonst nichts finden», erzählt ein anderer Teilnehmer. Es scheint fast so, als wäre das Basler Recht auf Wohnen noch nicht richtig in Kleinhüningen angekommen, denn die Wohnungssituation beschäftigt die Anwesenden am meisten.
Das zeigt sich auch, als Gastredner Roger Portmann der Bau- und Wohngenossenschaft LeNa das Wort ergreift. Er erzählt davon, dass eine gute Nachbarschaft unter anderem von einem qualitativen und nachhaltigen Sortiment an Läden, Angeboten und mehr lebt. Woraufhin eine Teilnehmerin aus dem Publikum einbringt: «Die Menschen hier träumen davon, am Abend Essen zu kriegen und nicht von Bioläden.» Grossrätin Heidi Mück, die ebenfalls als Teilnehmerin anwesend ist, versteht dieses Sentiment, bringt aber ein: «Trotzdem dürfen wir von Luxus träumen. Nur weil es jetzt nicht möglich ist, heisst es nicht, dass wir es nicht verdienen würden.»
Begegnungszonen für ein Miteinander
Trotz Unstimmigkeiten ist der gemeinschaftliche Zusammenhalt im Raum spürbar. So merkt eine Teilnehmerin an, man müsse sich wieder zusammentun wie in den 70er-Jahren und Genossenschaftswohnungen erwerben, um so gegen Immobilienspekulation vorzugehen. Auch niederschwellige Ideen werden herumgereicht, wie beispielsweise ein nachbarschaftlicher Austausch über leerstehende Wohnungen oder Bestrebungen, den Zusammenhalt und die Vernetzung zu verstärken. Das würde durch Quartierflohmärkte oder einer gross angelegten Uusestuelede funktionieren.
Du willst in deinem Quartier oder in deiner Nachbarschaft auch eine Begegnungszone einführen? Alle Bewohner:innen eines Quartiers können eine solche beantragen. Die Anforderungen, Kontakte und Hintergründe dazu findest du
beim Bau- und Verkehrsdepartement.
Eine andere Möglichkeit, die während der Veranstaltung angepriesen wurde, sind Begegnungszonen, von denen es in Kleinhüningen nur zwei gibt. Im Basler Vergleich sind das eher wenig. Die könnten dabei helfen, die Nachbarschaft vernetzt zu behalten, heisst es im Saal. Auch seien sie eine Möglichkeit die Verkehrssicherheit sowie die Lebensqualität zu verbessern.
Nach der Veranstaltung tummeln sich immer noch viele Menschen im Saal, manche rauchend draussen, andere drinnen beim Apero, aber alle tauschen sich untereinander aus. Der Zusammenhalt im Quartier ist da. Ob das reicht, um erschwingliche Wohnungen mit akzeptabler Qualität ins Klybeck und Kleinhüningen zu bringen, wird sich zeigen.