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Grüezi mitenand

«Wir sind noch nicht einmal einen ganzen Tag im Amt»

Die Grünen sind in einer verzwickten Situation. Im Herbst gewannen Sie Wähleranteile im Grossen Rat, verloren aber den Regierungssitz. Jetzt sollen es Raffaela Hanauer und Benjamin van Vulpen im Co-Präsidium richten. Wie, wissen sie noch nicht so genau.

03/24/21, 03:33 PM

Aktualisiert 03/26/21, 04:15 PM

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Raffaela Hanauer Benjamin van Vulpen

Raffaela Hanauer ist seit 2020 im Grossen Rat und arbeitet als Projektleiterin bei Pro Velo beider Basel. Benjamin van Vulpen ist Leiter Quartiertreffpunkt Wettstein. (Foto: Nils Fisch)

Benjamin van Vulpen, ich kenne Sie kaum. Ich frage mal mit Schawinski: «Wer sind Sie?»

Benjamin van Vulpen: Ich bin seit 14 Jahren parteipolitisch engagiert. Ich habe das junge grüne Bündnis Nordwestschweiz mitgegründet und war lange Zeit im Vorstand. Seit 2012 bin ich bei den Grünen Basel-Stadt. 2014 kam meine Tochter zur Welt und ich konzentrierte mich mehr auf verschiedene Kampagnen und Initiativen. Jetzt sind beide Kinder eingeschult und ich habe wieder Zeit und Lust auf Parteipolitik. 

Raffaela Hanauer, Sie kenne ich aus dem Grossen Rat. Wie holen Sie in dreieinhalb Jahren den verspielten grünen Regierungssitz von Elisabeth Ackermann zurück?

Raffaela Hanauer: Für uns steht fest: Wir gehören in die Regierung. Mit unserem Wähleranteil sind wir im Vergleich zur LDP und GLP stark untervertreten. Wir haben gute Leute und sind daher zuversichtlich.

«Was wir jetzt machen müssen, ist analysieren, warum wir den Sitz verloren haben. Es war nicht nur die Kommunikation.»

Raffaela Hanauer, Co-Präsidentin Grüne Basel-Stadt

Wer sind diese «guten Leute»? Steht die frühere Grossrätin Nora Bertschi als Kandidatin schon fest?

van Vulpen: Wir haben viele gute Leute, die wir positionieren müssen, damit sie ready sind.

Aber Nora Bertschi wäre Wunschkandidatin, oder?

Hanauer: Nicht unbedingt. Es gibt mehrere Leute in der Partei, die Interesse haben. Unser Job ist es, parteiintern einen fairen Wettkampf zu schaffen. 

Ihre Partei hat zwei grosse Schwächen: Kommunikation und Strategie. Das zeigte sich letzten Herbst zuerst in der Schlammschlacht um die Museumsaffäre, dann nach dem Rückzug von der damaligen grünen Regierungspräsidentin Elisabeth Ackermann im zweiten Wahlgang. Zuerst fand die grüne Partei keine Worte, dann fand sie keine wählbare Kandidatin. Was machen Sie in Zukunft anders?

van Vulpen: Wir sind ein grosses, neues Vorstandsteam. Im Mai planen wir eine Retraite, wo wir die Themen angehen. Wir sind motiviert, die Kommunikation und die Strategie zu professionalisieren. 

Schlussresultat Grossratswahlen 25.Oktober 2020

Schlussresultat Grossratswahlen 25.Oktober 2020 (Foto: Staatskanzlei BS)

«Retraite»?

van Vulpen: Wir schauen, wer in der Partei in welchen Gebieten fit ist, und bauen dann entsprechende Strukturen auf. So, dass wir in Zukunft professionell gegen aussen auftreten.

Das sind Floskeln. Wie holen Sie den Regierungssitz zurück, den die Basler Grünen trotz weltweiter Klimabewegung und nationalem Aufwind verbaselt haben?

Hanauer: Wir bedauern den Verlust des Regierungssitzes. Was wir jetzt machen müssen, ist analysieren, warum wir den Sitz verloren haben. Es war nicht nur die Kommunikation. Doch zuerst müssen wir diesen Prozess intern aufgleisen, wir sind noch nicht einmal einen ganzen Tag im Amt.

Die Wahlen sind ein halbes Jahr her. Diese Analyse müssen Sie doch bereits gemacht haben, bevor Sie kandidierten! Wurden Sie ohne Konzept ins Präsidium gewählt?

Hanauer: Diese Vorarbeit haben wir geleistet. Aber die Parteiführung ist nicht alleine verantwortlich für strategische Entscheide. Unsere Ideen müssen wir nun mit dem Vorstand diskutieren. Diesen Prozess konnten wir noch nicht durchführen. Wie gesagt, wir sind erst einen Tag im Amt.

van Vulpen: Wir wollen vorwärts schauen und uns personell und kommunikativ aufbauen. Wir müssen viele Gespräche führen, planen und organisieren. Ein Ziel ist es, die Zusammenarbeit mit der Basis zu stärken. 

Wir haben viele Fragen.

Sind Sie bereit, wenn der nächste Skandal kommt?

Hanauer: Natürlich. Wir wissen worauf wir uns einlassen, wir sind bereit.

Aktuell stehen sich bei den Grünen zwei Blöcke gegenüber. Die erfahrenen Realos wie zum Beispiel Thomas Grossenbacher oder Michael Wüthrich und die jungen Wilden wie zum Beispiel Laurin Hoppler. Wie einen Sie diese Blöcke?

van Vulpen: Wir haben mega Freude, dass wir so viele verschiedene Perspektiven haben. Wir wollen mehr Räume schaffen, um uns auszutauschen. Zum Beispiel, indem wir uns vermehrt lokal in den Quartieren engagieren.

Hanauer: Ich würde nicht von Blöcken sprechen, schlussendlich teilen alle Mitglieder dieselben Grundwerte. Wir sind uns in 95 Prozent der Parolenfassungen und Projekte einig. Das ist eine grosse Stärke der Grünen. Klar, gibt es interne Diskussionen. Wichtig ist, dass wir diese Debatten mit Moderationskompetenz begleiten.

Haben Sie diese Moderationskompetenz, Raffaela Hanauer? Sie gelten als sehr linke, gerne auch provozierende Politikerin.

Hanauer: Ich habe acht Jahre Erfahrungen in der Parteipolitik und war auch in zivilgesellschaftlichen Gruppen aktiv. Ich bringe daher diese Moderationskompetenz mit. 

van Vulpen: Als Leiter Quartiertreffpunkt Wettstein führe ich viele Gespräche mit unterschiedlichen Quartierbewohner*innen und -gruppen. Ich moderiere daher oft und mache das gerne.

«Doch, natürlich haben wir ein Ziel. Es geht um soziale Umwelt- und Klimapolitik, das ist ja klar, schliesslich sind wir die Grünen.»

Raffaela Hanauer

Die Grünen haben zwar in den Grossratswahlen im Herbst Sitze gewonnen. Aber politisch fallen Sie vor allem durch Vorstösse für Veloparkplätze oder der Schneeräumung auf. Wie werden Sie wieder zu schwergewichtigen, einflussreichen Stimmen in der Basler Politik?

Hanauer: So ein Vorstoss zum Schneeräumen fällt medial besonders auf. Aber wir haben viele Vorstösse eingereicht. Und jetzt, wo wir zugelegt haben, können wir unsere Fraktionsarbeit zusammen mit dem jungen grünen Bündnis und der BastA! intensivieren. Wir als Grüne Partei diskutieren auch, ob wir eine Initiative lancieren wollen. 

Was für eine Initiative?

van Vulpen: Das können wir noch nicht sagen. Wir wollen das Begehren zusammen mit der Parteibasis erarbeiten, in dem wir schauen: Was bewegt unsere Mitglieder am meisten?

Sie planen einfach mal eine Initiative um der Initiative willen, ohne ein politisches Ziel?

Hanauer: Doch, natürlich haben wir ein Ziel. Es geht um soziale Umwelt- und Klimapolitik, das ist ja klar, schliesslich sind wir die Grünen.

«Wir möchten nicht auf Kosten der SP wachsen. Die SP ist eine wichtige Partnerin für uns.»

Benjamin van Vulpen, Co-Präsident Grüne Basel-Stadt

Was ist der grösste politische Erfolg der Grünen der letzten vier Jahre?

Hanauer: Da kann man viel aufzählen.

Sagen Sie mir nur den grössen Erfolg, bitte.

Hanauer: Der Kanton Basel-Stadt ist punkto Stromversorgung sehr weit, das ist auch unser Verdienst. 

Was meinen Sie mit Stromversorgung?

Hanauer: Die Stromversorgung in Basel ist 100% erneuerbar.

Ist das ein Resultat des neuen Energiegesetzes?

Hanauer: Ja, und das Energiegesetz ist Resultat einer Summe von Vorstössen in Zusammenarbeit mit der SP und GLP. 

Warum sollen Linke in 4 Jahren die Basler Grünen statt die SP wählen?

van Vulpen: Wir möchten nicht auf Kosten der SP wachsen. Die SP ist eine wichtige Partnerin für uns. 

Wollen Sie noch etwas ergänzen?

Hanauer: Unser oberstes Ziel ist, dass der Kanton Basel-Stadt schell klimaneutral wird. Wir sind sehr motiviert, das anzupacken und freuen uns über das Vertrauen der Partei.

van Vulpen: Basel hat ein riesiges Potenzial mit den Arealentwicklungen, dort wollen wir unsere grüne Politik einbringen.

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