Regierungsrat Cramer: «Kinder kommen mit dem Virus in Kontakt – ausser man sperrt sie ein und das will niemand»

Der Basler Regierungsrat führt die Maskenpflicht an Schulen wieder ein. Warum erst jetzt?

Conradin Cramer
Conradin Cramer und seine Kolleg*innen sind nochmal über die Corona-Bücher gegangen. (Bild: Keystone/SDA)

Immer mehr Basler Kinder stecken sich in der Schule an. Eltern fordern seit Monaten eine Maskenpflicht. Jetzt reagiert die Regierung: Am Mittwoch müssen Lehrpersonen und Schüler*innen ab der 5. Klasse Maske tragen. Ausser sie sind geimpft oder genesen. Warum hat die Regierung so lange gewartet? Wir haben Erziehungsdirektor Conradin Cramer (LDP) gefragt.

Conradin Cramer, Eltern fordern schon seit Monaten eine Maskenpflicht an Basler Schulen. Warum reagieren Sie erst jetzt?

Es ist natürlich immer Interpretationssache, wann es spät ist, einzugreifen. Ich bin der Überzeugung, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, die Massnahmen zu verschärfen und nicht schon vor drei Monaten. Wir haben in den letzten Tagen einen signifikanten Anstieg bei den Fallzahlen an den Schulen, deswegen müssen wir jetzt handeln, um den Schulbetrieb aufrecht erhalten zu können.

Es war doch voraussehbar, dass sich im Winter reihenweise Kinder an den Schulen anstecken. 

Wir wussten immer: Es ist möglich, dass die Zahlen steigen. Jetzt ist das eingetroffen. Wir haben immer gesagt, wir beobachten die Situation und das haben wir gemacht. Jetzt ist die Situation wieder eine andere und entsprechend treffen wir neue Entscheide. 

Im August haben Sie die Massnahmen gelockert. War das ein Fehler angesichts der vielen Corona kranken Basler Kinder? 

Nein, gar nicht. Ich bereue nicht, dass wir nach den Sommerferien die Normalität an die Schulen zurückgebracht hatten. Das war das einzige Verhältnismässige damals, weil wir kaum noch Fälle hatten. Wir wollten, dass an den Schulen wieder das stattfinden konnte, was Schule ausmacht. Es ist wichtig, dass wir diese Zeit hatten und man hätte gewünscht, dass es so weiter geht. 

Anfangs November sagte der Kantonskinderarzt Markus Ledergerber der «bz», dass eine Durchseuchung an den Schulen nicht wünschenswert, aber kaum zu vermeiden ist. Haben Sie sehenden Auges eine Durchseuchung der Basler Kinder in Kauf genommen?

Wir haben derzeit keinen Impfstoff für die unter 12-Jährigen und da wir in der ganzen Gesellschaft Fälle haben, kommen die Kinder in Kontakt mit dem Virus. Nicht nur in der Schule, sondern auch in der Familie und der Freizeit. Wenn man das verhindern wollte, müsste man die Kinder einsperren und das will niemand. Bei Kindern verläuft eine Corona-Infektion in aller Regel harmlos oder gar symptomlos, sodass wir die Schulen offenhalten können.  

Was sagen Sie den Eltern, die sich Sorgen machen? Die ungeimpften bzw. infizierten Kinder werden nun zur Gefahr für sie und die ungeboosterten Grosseltern.

Ich kann die Sorgen nachvollziehen und bin ebenfalls besorgt über die aktuellen Entwicklungen. Wir müssen schauen, dass wir die Impfquote weiter steigern können und auch der Booster schnell kommt – die Grosseltern haben diese Möglichkeit aktuell schon und die Eltern haben sie hoffentlich auch bald. Entscheidend ist, dass die Schulen offen bleiben, denn es ist wichtig, dass Kinder einen normalen Alltag haben. Und so lange das verhältnismässig vertretbar ist, bleiben die Schulen offen.

«Entscheidend ist, dass die Schulen offen bleiben.»
Regierungsrat Conradin Cramer

Die Schulen sind gerade ein grosser Treiber der Pandemie. Ist es nicht vielleicht sogar schon zu spät mit den Booster-Impfungen, wenn wir aktuell schon so viele Fälle bei den Jüngeren haben? 

Das glaube ich nicht, aber das könnte der Kantonsarzt besser beantworten. Die Gesundheitsexpertinnen und –experten sagen, dass der Impfschutz aktuell noch da ist, vor allem für jüngere Menschen. An den Schulen steigen die Fallzahlen tatsächlich gerade sehr stark, deshalb führen wir jetzt die Maskenpflicht ein. Vorsicht muss aber auch in der Familie und in der Freizeit walten. Am Ende ist die Impfung die beste Antwort an die Pandemie und besser als jede Maskenpflicht an der Schule.

Die Maskenpflicht gilt erst ab der 5. Primarschulklasse, die Jüngsten bleiben also weiterhin ungeschützt. 

Wir haben die grösste Fallzahlentwicklung ab der 5. und 6. Primarklasse. Genau dort kommt jetzt die Maskenpflicht. Bei den jüngeren Kindern ist es schwieriger, eine Pflicht durchzusetzen und da müssen wir abwägen, was sinnvoll ist.

Warum haben Sie nicht mehr Messgeräte angeschafft, um die Luftqualität an Schulen zu messen?

CO2-Messgeräte haben wir in grosser Anzahl angeschafft und manche Lehrpersonen nutzen diese. Die meisten wissen aber, das zweimal pro Schulstunde stossgelüftet wird und das hat sich etabliert an den Schulen. 

«Bei den Geimpften wäre es aktuell unverhältnismässig, eine Maskentragpflicht vorzuschreiben.»

Lehrpersonen und Schüler*innen, die geimpft oder genesen sind, müssen weiterhin keine Maske tragen. Warum nicht? Diese Personen können das Virus ja auch bekommen und weitergeben.

Wir haben diese Massnahmen sehr sorgfältig abgewogen, zusammen mit den Expertinnen und Experten im Gesundheitsdepartement. Der Stand der Erkenntnis ist, dass geimpfte Personen das Virus zwar weitergeben können, aber deutlich weniger ansteckend sind als Ungeimpfte. Wir haben einzelne Klassen, in denen alle Schülerinnen und Schüler und die Lehrperson geimpft sind. Da wäre es zum jetzigen Zeitpunkt unverhältnismässig, eine Maskentragpflicht vorzuschreiben.

Es kommt zu Impfdurchbrüchen unter den Geimpften. Selbst, wenn die ganze Klasse geimpft ist, wie Sie sagen, ist eine Ansteckung also nicht ausgeschlossen. 

Das ist richtig. Wir sehen Impfdurchbrüche, aber Ansteckungen treten bei Geimpften deutlich seltener auf. Wer geimpft ist, kann die Maske aber natürlich weiterhin freiwillig tragen, was in manchen Situationen sicher sinnvoll ist. Das tun bereits jetzt viele. Wir möchten gleichzeitig den Anreiz hochhalten für die Impfung der über 12-Jährigen. Und auf die Maskenpflicht verzichten zu können, könnte ein Anreiz sein. Die Impfung bleibt das Hauptmittel gegen die Pandemie. 

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Warum die Impfung trotz Durchbrüchen hilft

Datenjournalist*innen von Republik und Tagesanzeiger haben die Daten genau analysiert.

Wie lange ist das breite Pool-Testen noch sinnvoll? Wenn es fast in jeder Klasse positive Pools gibt, wird es da nicht bald einen Flaschenhals bei den Einzeltests geben?

Das ist leider so, dass die Laborkapazitäten in der ganzen Schweiz am Anschlag sind. Die flächendeckenden Tests, mit dem wir seit dem Sommer sehr erfolgreich sind und viele Fälle entdecken, wollen wir so lange es geht aufrecht erhalten. Aber die Laborkapazitäten sind knapp und es ist denkbar, dass es hier Neuerungen geben muss.

Welche denn?

Das könnte den Wechsel zum Ausbruchtesten bedeuten, also dass man dort testet, wo ein Fall mit Symptomen auftaucht in einer Klasse und die flächendeckenden Tests ein wenig zurückfährt. Wir denken aber aktuell mehrere Szenarien mit dem Gesundheitsdepartement durch.

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