Besetzung im Kleinbasel ist nach wenigen Stunden vorbei

Mehrere Personen hatten an der Florastrasse 23 im Kleinbasel ein leerstehendes Haus besetzt. Die Aktion hatte zum Ziel, eine Debatte über Leerstände in Gang zu bringen. Der Hauseigentümer liess sich nicht auf Gespräche ein und rief die Polizei.

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Zwei Polizist*innen sichern den Hauseingang an der Florastrasse 23. Die Besetzer*innen waren beim Eintreffen der Einsatzkräfte bereits nicht mehr im Haus.

Eine Gruppe Personen hat in der Nacht auf Mittwoch, den 21. April, ein offenbar leerstehendes, aber möbliertes Haus an der Florastrasse 23 in Beschlag genommen und eine Besetzung ausgerufen.

Die Nachbar*innen erhielten in den Morgenstunden einen Brief. Die Besetzer*innen machten darin ein Gesprächsangebot, wörtlich hiess es: «Wir sind eine friedliche und offene Gruppe von Menschen, die aufgrund steigender Mieten, Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt, Aufwertung der Stadt und geringem bezahlbaren Wohnraum, ansonsten kein Zuhause mehr findet. Fühlt euch frei, vorbeizukommen.»

Durch die Gitterstäbe des Gartentors konnte Bajour mit zwei Besetzer*innen sprechen. Sie hatten versucht, die Eigentümerschaft zu kontaktieren und hoffen auf einen temporären Vertrag, um im Haus bleiben zu können. Wasser und Strom wollten sie bezahlen. Auf einem Banner vor dem Haus stand eine Kontaktadresse. Wieviele Personen im Haus waren, wollten sie nicht sagen.

Während des Gesprächs kam unvermittelt der Besitzer mit einem Auto herangebraust. Er war von der Situation offenbar überrumpelt, kam zufällig vorbei, um die Post zu holen. «Was macht ihr da, kommt sofort raus», rief er den zwei Besetzer*innen durch den Zaun zu. Die fragten, ob man reden könne und wollten dem Mann ihre Absichten vermitteln. Doch der Mann, der sich später als Erbschaftsverwalter zu erkennen gab, wollte ganz und gar nicht reden. «Eine Unverschämtheit ist das», sagte er aufgebracht. Die Besetzer*innen verschwanden über eine Leiter im Haus.



Der Anfang vom Ende der Hausbesetzung

Ob eine Hausbesetzung «gelingt», hängt massgeblich davon ab, ob die Eigentümerschaft die Anliegen der Besetzer*innen akzeptieren kann und mit ihnen in einen Dialog tritt. Dass Vereinbarungen zwischen Besetzer*innen und Eigentümer*innen gelingen können, hat etwa das Beispiel des besetzten Hauses an der Schlossgasse (2017-2020) gezeigt. Im Fall des Hauses an der Florastrasse, das laut Aussagen des Besitzers seit zirka einem Jahr leerstand, nun aufgeräumt und für einen möglichen Verkauf vorbereitet werden soll, kam das aber nicht in Frage.

Das Aufeinanderprallen der Bedürfnisse war auf dem Trottoir vor dem Haus klar ersichtlich: Hier die Besetzer*innen, die eine Debatte anregen wollten und dafür, wie sie selber sagten, «einen krassen Schritt» gegangen waren. «Nicht alle verstehen, dass es hier um eine temporäre Nutzung und nicht um Diebstahl geht, das ist uns klar.»

Dort der Hausbesitzer, dessen Grosseltern, dann die Eltern und schliesslich er in diesem Haus gewohnt hatten, und der dieses «Diskussionsangebot» als Eindringen in die intimste Privatsphäre empfand. Der Fakt, dass er hier aufgewachsen war, machte ihn offenbar besonders betroffen. Er versuchte auch gar nicht erst, die Banner zu lesen oder das Anliegen der Besetzer*innen zu verstehen. «Wenn sie das Haus kaufen wollen, dann mache ich ihnen einen Preis», sagte er, und: «Ich habe mir in meinem Leben alles erwirtschaftet. Und diese Leute kommen einfach her und nehmen sich, was sie wollen als wäre es gratis. Das ist eine Frechheit!»

Dann rief er die Polizei. Die kam um kurz nach 13:00 Uhr mit ca. 15 Beamt*innen in Schutzhelmen und mit Gummischrotgewehren bewaffnet und verschaffte sich über einen Hintereingang Zutritt zum Haus. Wie der Polizeisprecher Toprak Yerguz später bestätigte, war da schon niemand mehr im Haus. Die Besetzer*innen hatten sich über die Rückseite aus dem Staub gemacht.

In der Nachbarschaft wurde die Aktion mit Interesse beobachtet. Ein paar Anwohner*innen kamen mit dem Brief in der Hand vorbei, offensichtlich neugierig wer da eingezogen war. Eine Frau sagte, sie könne die Aktion nur unterstützen, das Haus stünde schon lange leer. Eine Gruppe Bauarbeiter, die auf einer Mauer die Polizeiaktion beobachtete, diskutierte laut über steigende Preise an der Voltastrasse. Die Besetzung war um kurz nach 13:00 Uhr, als Polizist*innen das letzte Banner einrollten, vorbei.

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Blick auf die Fasse des Hauses an der Florastrasse 23. Die Besetzung war zu diesem Zeitpunkt noch im Gange. (Bild: Daniel Faulhaber)
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Diesen Brief hatten die Hausbesetzer*innen den Nachbarn in den Briefkasten gelegt. (Bild: Daniel Faulhaber)
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Kurz nach 13:00 Uhr war die Hausbesetzung vorbei. (Bild: Daniel Faulhaber)

Die Hintergründe der Besetzung

Den Besetzer*innen hatten am frühen Mittwochmorgen eine Medienmitteilung verschickt. Sie haben sich darin keiner namentlich bekannten Gruppe zugeordnet, sondern als Teil eines «solidarischen Zusammenhangs» bezeichnen.

Die Besetzung, das ging aus der Medienmitteilung hervor, bildet den Kristallisationspunkt einer Kampagne, zu der noch eine Reihe von weiteren Aktionen gehören. Im Zentrum dieser Aktionstage steht die Frage: «Wem gehört der Raum?» Eine eigens aufgeschaltete Homepage verschafft einen Überblick. Unter dem Eindruck der Coronakrise habe sich die existenzielle Frage nach den Besitzverhältnissen nochmals akzentuiert, heisst es in einem Schreiben, das Bajour vorliegt: 

«Der Kanton Basel-Stadt fordert unter dem Titel ‹Gemeinsam gegen Corona› zum Masken-Tragen, Händewaschen und Zuhausebleiben auf. Alles schön und gut, aber um Zuhause zu bleiben, braucht es ein Zuhause. Um gesund zu bleiben, braucht es einen Schutzraum. Während unzählige von Wohnungen und Häusern leer stehen, haben nicht alle ein Zuhause oder Zugänge zu solchen Schutzräumen, um sich menschenwürdig durch die Krise zu bewegen.»

Diesbezüglich war die Basler Politik nicht untätig. Für die Roma-Bettler*innen, um ein aktuelles Beispiel herbeizuziehen, wurden solche Räume vom Basler Regierungsrat durchaus erschlossen: Die Notschlafstelle wurde für Übernachtungen geöffnet, Obdachlose wurden in Hotelzimmern untergebracht. Eine temporäre Lösung, mittlerweile schlafen die Roma-Bettler*innen nicht mehr in der Notschlafstelle.

Den Besetzer*innen geht es allerdings um mehr als um herausgepickte Beispiele, wie aus dem Schreiben hervorgeht. Darin spielt der Begriff der «Leere» eine grosse Rolle. Eine Leere, die seit dem Ausbruch der Krise mit neuer Vehemenz Einzug gehalten habe «in unseren Köpfen, Körpern, Zukunftsplänen» und auch im Portemonnaie. «Viele prekäre Situationen bleiben leider oft unsichtbar oder ignoriert.»

Auf der Homepage werden mehrere Themenbereiche in den Blick genommen, in denen Raumknappheit und Leere eine Rolle spielen. Im Asylwesen beispielsweise, oder in Nothilfestrukturen. Der Wohnungsleerstand sei in Basel hoch, während viele Leute einen Grossteil ihres Lohns für die Miete ausgeben.»

Vorbild Zürich: «Ein Zuhause für alle»

Die Aktion erinnert an eine ähnliche Aktion vom vergangenen Frühjahr in Zürich, bei der mehrere leerstehende Häuser kurzzeitig besetzt wurden. Unter dem Motto «Ein Zuhause für alle» wollten Aktivist*innen leerstehende Häuser für Asylbewerber*innen, Obdachlose oder Sans-Papiers zugänglich machen. Nach Verhandlungen mit den Besitzer*innnen der Häuser, wurden die Besetzungen nach kurzer Zeit, meistens innerhalb eines Tages, wieder aufgelöst. 

Eine Hausbesetzung gilt als Hausfriedensbruch und ist ein Antragsdelikt. Das heisst: Damit die Polizei handeln kann, muss bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft ein Strafantrag gestellt werden.

Hausbesetzungen in Basel: Sonst noch was?

Die jüngste Basler Besetzung an der Schlossgasse im Klybeck ging im Sommer 2020 nach drei Jahren ohne Eingreifen der Polizei zu Ende: Die Besetzer*innen verliessen das «Schlössli» entsprechend der verabredeten Frist mit dem Hausbesitzer. Die Öffentlichkeit nahm kaum Notiz. 

Weniger friedlich endete die Besetzung der «Schwarzen Erle» an der Schwarzwaldallee im Herbst 2017: Die Besetzer*innen wurden mit einem grossen Polizeiaufgebot auf Drängen des Hausbesitzers aus dem Haus geleitet. Eine anschliessende Demonstration wurde mit Gummischrot aufgelöst.

Zwei leerstehende Häuser an der Gellertstrasse wurden zwischen 2016 und 2018 zweimal besetzt, die Besetzungen wurden allerdings rasch beendet. Die Häuser stehen zum Teil seit 16 Jahren leer, gebaut wird bis heute nicht.

Die grösste aktuelle Besetzung der Stadt, die «Elsi» an der Elsässerstrasse 128, 130 und 132, besteht seit 2019. Die Häuser wurden dreimal in Beschlag genommen und wieder geräumt. Seit der vierten Besetzung blieben die Transparente an den Fenstern hängen. In einem Blog geben die Besetzer*innen laufend Auskunft darüber, was hinter der zugemauerten Fassade im nördlichen St. Johann vor sich geht.

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Auf den Bannern vor dem Haus steht an die Adresse der Hausbesitzer: «Wir lassen eure Gegenstände unberührt und übergeben sie unbeschädigt.»

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Bei Bajour als: Reporter und Redaktor

Hier weil: da habe ich die Freiheit, Neues anzupacken und unkonventionell zu arbeiten, ohne über sieben Hierarchiehürden zu springen. Das ist toll. Gleichzeitig macht diese Freiheit natürlich Angst, und das wiederum schweisst zusammen. Darum bin ich auch hier. Wegen des Teams.

Davor: Bei der TagesWoche und davor lange Jahre an der Uni mit Germanistik & Geschichte.

Kann: Ausschlafen.

Kann nicht: Kommas.

Liebt an Basel: Die Dreirosenbrücke. Das Schaufenster des Computer + Softwareshops an der Feldbergstrasse Ecke Klybeckstrasse. Das St. Johann. Dart spielen in der Nordtangente. Dass Deutschland und Frankreich nebenan sind.

Vermisst in Basel: Unfertigkeit. Alles muss hier immer sofort eingezäunt und befriedet und geputzt werden. Das nervt. Basel hat in vielem eine Fallschirmkultur aus der Hölle. Absichern bis der Gurt spannt. Ich bin schon oft aus Versehen eingeschlafen.

Interessensbindung: Vereinsmitglied beim SC Rauchlachs.

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