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Messe

Das Finanzloch

Die Kapitalerhöhung für die MCH Group von 2020 hat nur kurz geholfen. Jetzt braucht sie schon wieder Geld. Was soll das bedeuten? Ein Erklärstück.

04/14/22, 01:41 PM

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Braucht wieder Geld: die MCH Group.

Braucht wieder Geld: die MCH Group. (Foto: Michelle Isler)

Bitter, bitter: Die MCH Group plant wieder einmal eine Kapitalerhöhung, diesmal, um die Liquidität für die Rückzahlung einer 100-Millionen-Anleihe zu sichern. Das sind in etwa die 100 Millionen, die die MCH in den vergangenen beiden Pandemiejahren verloren hatte.

Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt beantragt dem Grossen Rat, sich mit bis zu 34 Millionen Franken an der geplanten Kapitalerhöhung zu beteiligen. Ein Referendum ist nicht auszuschliessen, was die Sanierung gefährden dürfte.

Was bedeutet das alles? Wir haben Fragen gestellt und Antworten gesucht.

Warum muss die Messe Kapital aufnehmen?

Die Messe, genau: die MCH AG, ist in Finanznöten. Gründe dafür sind der Wegfall der Uhren- und Schmuckmesse Baselworld sowie die beiden Pandemiejahre, die Grossveranstaltungen wie Messen verunmöglichte. Die Einnahmen brachen weg.

Das passiert auch anderen Firmen. Was ist speziell daran?

Im Mai vom kommenden Jahr muss die MCH eine Anleihe von 100 Millionen Franken zurückzahlen. Wegen fehlender Einnahmen würde die Liquidität (Definition weiter unten) derart reduziert, dass die Messe im Prinzip möglicherweise Konkursit wäre.

Das bedeutet?

Reine Spekulation. Die Firma würde möglicherweise in eine Auffanggesellschaft kommen oder in Einzelteile zerlegt und verkauft.

Gegen den Ratschlag der Regierung, sich an der Kapitalerhöhung zu beteiligen, kann das Referendum ergriffen werden. Was geschieht, wenn die Stimmbürger*innen die Kapitalerhöhung von 34 Mio. ablehnen?

Bereits vor zwei Jahren machte der Kanton bei einer Kapitalerhöhung der MCH mit. Damals stieg die Firma Lupa des Investors James Murdoch (GB/US/Aus) mit 32,3% ein. Der Grosse Rat beschloss im Juni 2020 eine Sperrminorität, damit sich der Kanton den Einfluss auf die Strategie der MCH sichern kann. Mit der Ablehnung der Kapitalerhöhung würde er die Sperrminorität verlieren. Dann hätte er wenig zu sagen. Generell sei zu erwarten, dass es im Rahmen der Refinanzierung für die MCH Group ohne Beteiligung des Kantons Basel-Stadt sehr schwierig werden könnte, die benötigten Mittel zur Rückzahlung der Anleihe und zur Sicherstellung einer minimalen Cashreserve zu refinanzieren, findet der Regierungsrat. Beteiligt sich der Kanton Basel-Stadt nicht an der Refinanzierung, ist auch die Lupa Systems nicht mehr zur Refinanzierung verpflichtet, wie es in einem vertraglichen Abkommen zwischen dem Kanton und Lupa festgeschrieben ist.

Was heisst überhaupt Liquidität?

Das sind die flüssigen Geldmittel, die für den Betrieb nötig sind: Löhne, Energie, kurzfristige Investitionen etc. Die MCH Group verfügte per Ende 2021 über flüssige Mittel in Höhe von 114 Mio. Franken und Eigenkapital in Höhe von 48 Mio. Franken. Die flüssigen Mittel seien ausreichend für die Deckung des operativen Cashbedarfs im Jahr 2022 und dürften gemäss Planung per Ende 2022 auf knapp unter 100 Mio. Franken sinken. Ohne frisches Geld könnte die Anleihe nicht mehr zurückbezahlt werden.

Die Messe in gutem Licht

Die Messe in gutem Licht (Foto: © MCH Messe Schweiz (Basel) AG)

Könnte die MCH nicht neues Geld am Kapitalmarkt beschaffen?

Das wäre nur zu sehr schlechten Konditionen möglich, also auch zu hohen Zinsen. Das Eigenkapital nahm wegen der Verluste der beiden Covid-Jahre stark ab. Ausserdem ist die Ausgangslage im Messe- und Kongresswesen recht unsicher.

Was geschieht bei einer Kapitalerhöhung?

Die Aktionäre zeichnen zusätzliche Aktien, damit fliesst Geld in die Firmenkasse. Im Fall der MCH ist vorgesehen, dass der Kanton Basel-Stadt und die Lupa Systems je bis zu 34 Millionen Franken einschiessen. Diese Kapitalerhöhung im Umfang von 68 Mio. Franken dürfte zu einer Erhöhung der Eigenkapital-Quote (Anteil des Eigenkapitals in der Firmenbilanz) von 12% auf rund 25% führen.

Warum will die Messe das?

Die Verbesserung der Eigenkapitalquote sei unabdingbar für allfällige spätere Fremdfinanzierungen, heisst es im Ratschlag der Regierung vom 13. April 2022. Zusätzlich beantragt der Regierungsrat dem Grossen Rat, dass auf die Rückzahlung des Restdarlehens von 5,8 Mio. Franken verzichtet werden soll. Dies als kantonaler Beitrag an die MCH Group, weil diese aufgrund der staatlichen Beteiligung keinen Anspruch auf Corona-Härtefallgelder des Bundes hatte.

Glp-Grossrätin Sandra Bothe reagiert auf Twitter

Glp-Grossrätin Sandra Bothe reagiert auf Twitter (Foto: Screenshot)

Ist es eigentlich sinnvoll, Geld in ein Projekt zu pumpen, dessen Erfolg mehr als unsicher ist?

Dass hier Gefahren bestehen, sieht auch der Regierungsrat: Es sei ihm sehr bewusst, dass die Beteiligung an der Kapitalerhöhung mit Risiken verbunden ist, weil die Entwicklung der MCH Group «von zahlreichen Faktoren abhängt, die eine sichere Erfolgsprognose schwierig machen». Dies allerdings steht erst ganz am Schluss des am 14. April publizierten Ratschlags. Klassische Messe-Formate finden weniger Anklang und die Zahl der Aussteller geht zurück. Die Auswirkungen dieses strukturellen Wandels würden verstärkt durch den Verlust der Baselworld in ihrer ursprünglichen Form. Die MCH Group rechnet frühestens in zwei Jahren mit einem neuen, geschärften Konzept für die Baselworld. Die Herausforderung sei es, künftig digitale Formate und physische Messen zu verbinden.

Klingt ja nicht erheiternd.

Ja, aber in der gesamten Tonalität bemüht der Regierungsrat sich um gutes Wetter: Mit ihren Messen, Events und Kongressen leiste die Messe einen wichtigen Beitrag für den Standort Basel. „Diese stärken die Wertschöpfung für die Hotellerie, Gastronomie und den Detailhandel.“ diese sekundären Umsätze würden sich laut einer Studie von Mc Kinsey und er BAK Basel auf 75 bis 80% belaufen. Und schliesslich will der Kanton weiterhin die Sperrminorität halten. Fazit der Regierung: Die Risiken, bei der Kapitalerhöhung nicht mitzumachen, seien höher, als wenn er nicht mitmache.

«Dieser Schritt ist notwendig», sagt der zuständige Regierungsrat Kaspar Sutter auf Telebasel.

«Dieser Schritt ist notwendig», sagt der zuständige Regierungsrat Kaspar Sutter auf Telebasel. (Foto: Claudia Link)

Ist eigentlich eruierbar, wer dieses Debakel verschuldet hat?

Ein Blick zurück: In den 2000er Jahren waren die Messen ein sehr gutes Geschäft, die MCH expandierte und brauchte Hallen, die den damaligen Bedürfnissen gerecht wurde. Die neue Halle1 kam 1999, der markante Bau über dem Messeplatz der Architekten Herzog & de Meuron und die Eventhalle im Jahr 2013. Die Millionen flossen. Kaum jemand ahnte das nahende Unheil. Doch bei den Ausstellern wurden Klagen laut wegen der hohen Standgebühren und der kaltschnäuzig auftretenden Messeleitung. Auch die dreisten Preiserhöhungen einiger Hotels während der Messen wurden angeprangert.

Aber es gab ja wohl noch andere Gründe?

Die Kosten waren sicher ein Punkt. Aber offenbar hatte ein Marketing-Geschäftsmodell ausgedient. Physische Präsenz ist nicht mehr so gefragt. Das hatte aber niemand gesehen, nicht einmal die Marketingfachmenschen der Uhren- und Schmuckproduzenten. Die Covid-Pandemie hat auch niemand vorausgesehen. Sie hat einen Verlust von rund 100 Millionen Franken verursacht – das ist in etwa die Höhe der ausstehenden Anleihe.

Aber zuvor – war das eine Fehlplanung?

Wenn man so will. Dazu muss man aber wissen, dass die Messe ausbauen musste, weil die Gebäude veraltet waren. Da machten auch die Aussteller Druck, und viele waren ja auch des Lobes voll, als 2013 die neuen Hallen bezogen werden konnten. Vergessen darf auch nicht, dass der HdM-Bau einen Stock höher geplant war. Er wurde aus Kostengründen nicht gebaut. Fast ein Glücksfall.

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