Als gäbe es kein Morgen mehr

Ein Muster zieht sich wie ein roter Faden durch die Sitzungen des Grossen Rates: Wann immer der Rat über finanzielle Ausgaben entscheiden muss, obsiegt stets die teuerste Variante. Geht das so weiter, ist ein strukturelles Defizit nur noch eine Frage der Zeit, warnt FDP-Politiker Luca Urgese in seiner Kolumne.

Geld ausgeben
Der Grosse Rat zeigt sich oft grosszügiger als die Regierung. (Bild: Adobe Stock)

In der Dezember-Session wurde das Budget 2025 des Kantons verabschiedet. Sämtliche Kürzungsanträge wurden abgelehnt. Stattdessen wurde der Staatsbeitrag für die Basler Papiermühle um 88'000 Franken erhöht – gegen den Willen des Regierungsrates. Auch die Kaserne Basel erhielt in dieser Sitzung deutlich mehr Geld, als vom Regierungsrat beantragt, die Mehrkosten belaufen sich auf 655'420 Franken.

In der Januar-Session wurden vier Budgetpostulate überwiesen. Das sind Anträge, um einzelne Budgetposten für das laufende Jahr nachträglich zu erhöhen. Die Mehrkosten für den Kanton belaufen sich auf 394'000 Franken.

In der Februar-Session obsiegte bei der Totalrevision des Gesetzes über die Ausrichtung von Mietzinsbeiträgen die Maximalvariante. Die Mehrkosten belaufen sich auf 3,2 Millionen Franken.

Der Grosse Rat ist grosszügiger als die Regierung

Es geht mir nicht darum, diese Entscheide inhaltlich zu werten. Das ist hier nicht der Punkt. Es geht mir darum, ein Muster offenzulegen, welches mir in den letzten Monaten verstärkt aufgefallen ist. Schon in den letzten Jahren kam es immer wieder vor, dass der Grosse Rat sich grosszügiger zeigte als die Regierung. Es hat sich beispielsweise bei vom Kanton unterstützten Organisationen inzwischen herumgesprochen, dass man mit geschicktem Lobbying im Grossen Rat mehr Geld herausholen kann, als der Regierungsrat zu zahlen gewillt ist.

Zur Person

Luca Urgese, Jg. 1986, politisiert seit 2014 für die FDP im Grossen Rat. Von 2016 bis 2021 war er Parteipräsident. Im März kandidierte Urgese für den Regierungsrat, unterlag jedoch Mustafa Atici. In seiner Kolumne «Caffè Urgese» schaut er mit der bürgerlichen Brille auf Basel. Er äussert sich als Politiker und nicht als Mitarbeiter der HKBB.

In den letzten Monaten hat sich das in meiner Wahrnehmung stark akzentuiert. Es wird derzeit Geld ausgegeben, als gäbe es kein Morgen mehr. Es kommt nicht von ungefähr, dass Finanzdirektorin Tanja Soland immer lauter an den Grossen Rat appelliert, die Ausgabenlust zu zügeln. Man muss es in aller Deutlichkeit sagen: Geht das so weiter, ist es eine Frage der Zeit, bis der Kanton in ein strukturelles Defizit rasselt. 

Dafür ist, auch das möchte ich klarstellen, nicht ausschliesslich das linke Lager verantwortlich. Dieses spendable Verhalten geht bis weit ins bürgerliche Lager hinein. Und Sie werden garantiert eine Abstimmung finden, wo auch ich einmal für höhere Ausgaben abgestimmt habe.

Erstmals Ausgaben von über 5 Milliarden Franken

Mir geht es hier um das grosse Bild. Und dieses zeigt seit langem ein starkes Ausgabenwachstum des Kantons, welches sich in letzter Zeit nochmals akzentuiert hat. Zum Vergleich: Im Jahr 2015 betrug der Betriebsaufwand des Kantons noch 3,7 Milliarden Franken. Für das Jahr 2025 wird demgegenüber ein Betriebsaufwand von 5,1 Milliarden Franken budgetiert. Innert eines Jahrzehnts stiegen die Ausgaben des Kantons also um mehr als einen Drittel, um 1,4 Milliarden Franken! 

«Es könnte sein, dass die Zeit der endlos sprudelnden Steuereinnahmen bald vorbei ist und der lose Gürtel zumindest ein klein wenig enger geschnallt werden muss.»
Luca Urgese

Der Kanton wird in diesem Jahr voraussichtlich erstmals die Ausgabenschwelle von fünf Milliarden Franken überschreiten. Vor diesem Hintergrund ist es, so nebenbei, ein Witz zu behaupten, der Kanton budgetierte wegen des ESC für das laufende Jahr ein Defizit. Schuld ist vielmehr das generelle Ausgabenwachstum auf allen Ebenen, wie die soeben genannten Zahlen zeigen.

Man mag nun argumentieren, dass eine wachsende Bevölkerung eben höhere Ausgaben zur Folge habe. Das ist nicht falsch. Nur: Die Bevölkerung wuchs im selben Jahrzehnt nur um fünf Prozent, die Ausgaben hingegen um 37 Prozent. Ein krasses Missverhältnis.

Es droht das Ende der Ausgabenbonanza

Meine Analyse ist eine andere. Am Horizont zeichnen sich dunklere Wolken ab. Die Welt befindet sich im Umbruch, es herrscht grosse Unsicherheit. Und die Schlagzeilen mehren sich, dass auch unser Pharmastandort in Mitleidenschaft gezogen werden könnte, beispielsweise aufgrund von Zöllen auf Medikamentenimporte

Es könnte also sein, dass die Zeit der endlos sprudelnden Steuereinnahmen bald vorbei ist und der lose Gürtel zumindest ein klein wenig enger geschnallt werden muss. Auch der Regierungsrat rechnet in seinem Finanzplan für die kommenden Jahre vorsichtig mit leichten Defiziten. Es droht das Ende der Ausgabenbonanza.

«Je höher jetzt das Ausgabenniveau geschraubt wird, desto schmerzhafter wird irgendwann der Korrekturprozess sein.»
Luca Urgese

Politikerinnen und Politiker tendieren in einem solchen Klima dazu, für ihre Klientel, so lange es geht, noch zu retten, was zu retten ist. Doch je höher jetzt das Ausgabenniveau geschraubt wird, desto schmerzhafter wird irgendwann der Korrekturprozess sein. Man blicke auf die Diskussionen zum Entlastungspaket auf Bundesebene. Nur schon der dortige Versuch, das Ausgabenwachstum etwas zu drosseln (davon, die Ausgaben zu reduzieren, kann keine Rede sein), sorgt für erbitterte Diskussionen.

Wir tun gut daran, in den kommenden Monaten an den Grossratssitzungen etwas Zurückhaltung zu üben, bevor wir auf den grünen Abstimmungsknopf drücken und damit schon wieder einer Ausgabenerhöhung zustimmen.

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