Geld als Pflichtfach
Wer was von seinen Finanzen versteht, hat mehr vom Leben. Die Jungfreisinnigen haben einen Vorschlag, der Schule machen sollte, kommentiert Chefredaktorin Ina Bullwinkel.
Dieser Tage beschäftigen sich viele mit ihrer Steuererklärung. Das macht in etwa so viel Spass wie eine Wurzelbehandlung oder ein Wasserschaden im Keller. Am liebsten würde man einfach davor wegrennen. Woran liegt es? Es kann teuer und kompliziert werden, einige sind unsicher, wie es geht oder haben schlicht kein Interesse, sich näher damit zu befassen. Und viele haben schlicht keine Ahnung und sind bei grundlegenden Finanzfragen aufgeschmissen. Vor allem junge Menschen und Frauen schneiden schlecht ab, wie eine Studie der ZHAW im vergangenen Jahr zeigte.
Steuern liegen in derselben Spass-Kategorie wie Altersvorsorge. Vor allem junge Leute haben gefühlt noch ein ganzes Leben, sich «später» bzw. gar nicht damit zu befassen. Nicht, wenn es nach den Jungfreisinnigen Baselland geht. Die wollen beides mit Hilfe einer Petition im Unterricht der Sekundarstufe I verankern. «Junge Menschen müssen früh lernen, wie sie ihre Finanzen handhaben, um informierte Entscheidungen treffen zu können», sagen die Jungfreisinnigen – und haben verdammt recht.
Etwa die Hälfte aller Frauen bekommt gar keine Rente aus der Pensionskasse, weil diese nichts ansparen konnten. Die Folge: Finanzielle Abhängigkeit vom Partner oder von der Partnerin oder vom Staat.
Im Lehrplan 21, auf den sich die Deutschschweiz geeinigt hat, ist das Fach Wirtschaft, Arbeit, Haushalt vorgesehen. Den Jungfreisinnigen ist das offensichtlich nicht genug. Im Text zur Petition heisst es, den Schulabgänger*innen würden Entscheidungsgrundlagen sowie das Verständnis für Altersvorsorge fehlen. «Finanzielle Bildung ist fundamental für ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben!», wird Cyril Bleisch, Präsident der Jungfreisinnigen Baselland im Petitionstext zitiert.
Das selbstbestimmte und eigenverantwortliche Leben ist ein wichtiger Aspekt. Gerade für Frauen bzw. Mütter. Frauen arbeiten in der Schweiz besonders häufig in Teilzeit und verzichten bei viel Care-Arbeit auf einen Lohn und damit auch auf Rente – insbesondere in der 2. Säule. Frauen bekommen hier rund 44 Prozent weniger als Männer. Das ist der Gender Pension Gap, eine Vorsorgelücke. Kennen alle Schüler*innen diesen Begriff? Sie sollten ihn kennen, wenn sie vorhaben, eine Familie zu gründen.
Etwa die Hälfte aller Frauen bekommt gar keine Rente aus der Pensionskasse, weil diese nichts ansparen konnten. Die Folge: Finanzielle Abhängigkeit vom Partner oder von der Partnerin oder vom Staat. Wissen Schüler*innen, dass sie nach einer Pause am besten ein Pensum von mindestens 70 Prozent arbeiten sollten? Nur so ist es laut Pro Familia Schweiz realistisch, im Alter auf eine Rente zu kommen, von der man leben kann. Kein schönes Thema, aber ein existenzielles.
Wer Bescheid weiss über Finanzen, kann im besten Eigeninteresse handeln und zumindest versuchen, für die Zukunft das Beste rauszuholen. Wissen allein reicht natürlich nicht, es müssen auch die Strukturen stimmen.
Es überrascht nicht, dass im aktuellen Schweizer Familienbarometer, das diese Woche erschienen ist, die berufliche Vorsorge ein wichtiges Bedürfnis darstellt und zwar die Absicherung von Teilzeitbeschäftigten und Geringverdienenden sowie die Sicherung des Rentenniveaus.
Wer Bescheid weiss über Finanzen, kann im besten Eigeninteresse handeln und zumindest versuchen, für die Zukunft das Beste rauszuholen. Wissen allein reicht natürlich nicht, es müssen auch die Umstände und Strukturen stimmen, um z. B. als Mutter wieder in den Beruf zu finden und in die Pensionskasse einzahlen zu können.
Aber Finanzwissen ist auch wichtig, um bei Abstimmungen, bei denen es um Renten, Finanzgeschäfte oder Krankenkassenbeiträge geht, zu verstehen, worum es geht, und was der Entscheid für sich persönlich (im Portemonnaie) bedeutet. Wenn die Jungfreisinnigen mehr finanzielle Aufklärung fordern, sollten die Lehrplan-Verantwortlichen in jedem Fall hinterfragen, ob nicht mehr drinliegt. Informierte Bürger*innen zahlen nicht nur aufs eigene Konto ein.