Wer darf entscheiden, wohin das Klima-Geld geht?

Ist es besser, wenn ein Expert*innenrat über Gelder für Klimainvestitionen entscheidet oder das Parlament? Die Kommentator*innen bei unserer Frage des Tages sind sich uneinig.

Erdkugel sinkt ein
Wer weiss am besten, wie wir die Erdkugel wieder rund kriegen? (Bild: Adobe Stock)

Wer soll über das Geld entscheiden, das künftig im Rahmen des Fonds «New Green Deal für Basel» in Investitionen für den Klimaschutz fliessen soll? Die linken Motionär*innen im Grossen Rat um die Grünen-Regierungsratskandidatin Anina Ineichen stellten sich eine unabhängige Vergabekommission vor. Diese soll aus Expert*innen aus den Bereichen Nachhaltigkeit und Finanzen bestehen. Dagegen regte sich Widerstand von bürgerlicher Seite, da sie im Parlament gerne weiterhin ein Wörtchen mitreden würden über die staatlichen Ausgaben. 

So findet FDP-Grossrat David Jenny bei unserer Frage des Tages zum Thema: «Wie und in welcher Höhe Ausgaben für Klimaschutzmassnahmen getätigt werden sollen, dies ist, gerade weil dieses Thema so wichtig ist und so grosse Mittel benötigt werden, im normalen politischen Prozess durch Regierung, Parlament und Volk und nicht durch eine Vergabekommission zu entscheiden.» Solch ein «enorm politischer Entscheid», ob man eher auf Anreize oder auf Verbote setze, sollte in einer Demokratie nicht durch Expert*innen entschieden werden – es gehe eben nicht einfach um die Jurierung von literarischen Werken, so Jenny.

David Jenny
«Kein Umdribbeln demokratischer Prozesse!» meint FDPler David Jenny. (Bild: Grosser Rat Kanton Basel-Stadt)

GLP-Politiker Karl Linder ergänzt, dass es neben solchen Grundsatzentscheiden auch um Effizienz von Klimainvestitionen gehe: «Die Fördermassnahmen müssen so bestimmt sein, dass sie funktionieren im Alltag. Um das zu definieren, braucht es Rede und Gegenrede im Parlament und letztlich den demokratisch erzielten Weg dahin.» Das eben sei der Ideenwettbewerb, mit dem man auch die breite Bevölkerung mitnehme und überzeugen könne.

«Das Parlament muss akzeptieren, dass es nicht in jedem Bereich Experte sein kann», wendet Leser Laurent Schüpbach ein. «Manchmal drängen ihre politischen Überzeugungen sie in eine Blase, die weit vom Konsens der wissenschaftlichen Gemeinschaft entfernt ist.» Er verweist auf das Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), dass die Schweiz zu wenig für Klimaschutz unternehme.

Wären Expert*innen neutraler?

Das EGMR habe eben keine Politiker*innen, sondern Expert*innen angehört, so Schüpbach, und sei so zu dem Ergebnis gekommen. Von Bundespolitiker*innen sei daraufhin als Antwort zum Teil nur «ein weiterer Mittelfinger» gekommen. Mit einem Augenzwinkern schreibt er zum Schluss: «Wenn nur das Parlament entscheiden würde, würde der Kanton mehr Sonnenschirme statt Bäume anschaffen.»

Das betont auch Leserin Helen Vogel, die auf die Partikularinteressen der Parlamentarier*innen hinweist: «Sie beachten fast nur Parteiinterressen oder Firmen, bei deren Aktien ein super Profit zu holen ist. Die Mehrkosten in ein paar Jahren bezahlt sowieso das Volk.»

Beatrice Isler
Und wer dürfte dann in den Expert*innenrat, fragt sich Mitte-Politikerin Beatrice Isler.

Beatrice Isler-Schmid, ehemalige Mitte-Grossrätin, wendet ein, dass die Frage offen bleibe, wer denn einen Expert*innenrat überhaupt bestimmen würde, «nur die Linken oder auch die Rechten? Wer bestimmt diejenigen, die dann über uns alle bestimmen?» Und «DrBasilisk» ergänzt, dass politische Machtspiele wie bei der Besetzung des Supreme Courts in den USA vorprogrammiert sind, wenn der Regierungsrat den Expert*innenrat bestimmen müsste.

Dass das Parlament seine Macht «einem Expert*innenrat abgebe», ist für Leser Peter Seiler nicht nur eine Entmachtung der Parlamentarier*innen, sondern auch derjenigen, die sie gewählt haben (und auch jener, die sie nicht gewählt haben): «Wenn die Politiker*innen sich bei diesem Thema nicht kompetent fühlen, dann sollten sie bei Abstimmungen hierzu entweder in den Ausstand treten oder noch konsequenter gleich von ihrem Amt zurücktreten und verantwortungsvollen Politikern die Chance geben.»

Anina Ineichen
Die Motion von Grossrätin Anina Ineichen (Grüne) fordert einen Basler Klimafonds. (Bild: zVg)

Die Motionärin Anina Ineichen selbst will in ihrem Kommentar den Fokus lieber darauf lenken, wie teuer die Klimakrise sein wird, wenn die Politik nicht rechtzeitig Massnahmen ergreift, um das Nettonull-Ziel 2037 zu erreichen (das ebenfalls sehr teuer werden wird). «Es ist offensichtlich, dass wir in den nächsten Jahren enorme finanzielle Mittel benötigen werden», so Ineichen, deshalb müsse die Finanzierung bereits jetzt geplant und der Klimafonds durch die Regierung ausgearbeitet werden.

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Von Waldshut (Deutschland) den Rhein runter nach Basel treiben lassen. Used to be Journalismus-Student (ZHAW Winterthur) und Dauer-Praktikant (Lokalzeitungen am Hochrhein, taz in Berlin, Wissenschaftsmagazin higgs). Besonderes Augenmerk auf Klimapolitik, Wohnpolitik, Demopolitik und Politikpolitik. Way too many Anglizismen.

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