Alle Parteien raus! Sie haben da nichts zu suchen

Das Stadtteilsekretariat Kleinbasel steht in der Kritik, zu links zu sein. Nachdem die bürgerlichen Parteien ihm bereits den Rücken gekehrt haben, sollten auch die linken ihre Rolle überdenken. Parteien haben andere Gremien, um mitzuwirken, kommentiert Valerie Zaslawski.

StS
Das Stadtteilsekretariat an der Klybeckstrasse leistet im Kleinbasel unter anderem wichtige Partizipationsarbeit. (Bild: zVg)

Am Rheinknie streitet man derzeit leidenschaftlich über die politische Ausrichtung des Stadtteilsekretariats Kleinbasel (STS KB): Die Bürgerlichen sagen, es sei zu links. Anfang Oktober ist die Mitte Kleinbasel als letzte bürgerliche Partei aus dem Gremium ausgetreten, weil sie sich in ihren Anliegen nicht gehört fühlte; beispielsweise in Bezug auf Parkplatzfragen, aber auch – und das brachte das Fass zum Überlaufen – weil ihr Antrag zu einer Statutenänderung abgelehnt wurde, wonach der Trägerverein «keine eigene Stellung mehr beziehen und keine eigenen Projekte mehr verfolgen» sollte. Nächstes Jahr möchte nun LDP-Regierungspräsident Conradin Cramer die Arbeit des Kleinbasler Stadtteilsekretariats auf seine Unabhängigkeit hin überprüfen. Die Institution und ihre Vereine selber betonen in einer Medienmitteilung derweil ihre politische Neutralität und die Wichtigkeit ihrer partizipativen Rolle. Noch im Dezember wird das Co-Präsidium um Nino Russano (SP) und Emélie Dunn (Grüne) das Gespräch mit Cramer suchen

Dabei wäre die Lösung doch so einfach: Wieso braucht es überhaupt noch Parteien beim Stadtteilsekretariat, wenn diese doch ohnehin ihre eigenen Gremien wie den Grossen Rat haben, um ihre Anliegen zu platzieren? Aber von vorne.

Die Stadtteilsekretariate sollten neutral und in der Bevölkerung und dem Gewerbe breit abgestützt sein, so steht es auch in den Statuten und im städtischen Gesamtkonzept. Doch ob dies wirklich noch der Fall ist, ist zumindest beim STS Kleinbasel seit dem Austritt der Mitte Kleinbasel umstritten. Bürgerliche Parteien, aber auch ihre Vereine kehren der Institution vermehrt den Rücken. Neben der LDP und der FDP haben sich auch der Neutrale Quartierverein Oberes Kleinbasel sowie die Interessensgemeinschaft Kleinbasel bereits von der Institution abgewandt. 

Wieso braucht es überhaupt noch Parteien beim Stadtteilsekretariat, wenn diese doch ohnehin ihre eigenen Gremien wie den Grossen Rat haben, um ihre Anliegen zu platzieren?

Und am Mittwochabend diskutierte nun auch noch der Verein Rheinpromenade (VRK) – vielleicht einer der letzten bürgerlich angehauchten Vereine, der beim Stadtsekretariat Kleinbasel noch die Fahne hochhält –, ob seine Mitgliedschaft weitergeführt werden soll. Der Entscheid soll noch dieses Jahr gefällt werden. Der VRK ist an den Delegiertenversammlungen des Stadtteilsekretariats Kleinbasel vertreten. Auch diese fühlen sich als Minderheit nicht nur überstimmt, sondern auch einfach nicht ernst genommen. Wie es in der Stellungnahme, die Bajour vorliegt, heisst, werde «der Verein mit dem Vorstand den Dialog suchen in der Hoffnung, dass sich dabei die Konflikte konstruktiv lösen lassen». 

Dass sich Bürgerliche vermehrt über ein Unwohlsein an den Delegiertenversammlungen beklagen, macht nachdenklich. Es ist ein rechnerischer Fakt, dass sie im rot-grün tickenden Kleinbasel einer Minderheit angehören und oftmals überstimmt werden, an der Urne wie im Stadtteilsekretariat, wo sich als logische Konsequenz aus der Bevölkerungszusammensetzung vermehrt progressivere (sprich linkere) Vereine tummeln. Dies sollte aber nicht bedeuten, dass die bürgerlichen Positionen in der Diskussion nicht ernst genommen werden. Der Vorstand sollte bemüht sein, eine Atmosphäre zu schaffen, in der niemand mit den Augen gerollt oder ein Raunen durchs Publikum geht, wenn ein*e Bürgerlich*e das Wort ergreift. Egal, wie sinnvoll oder sinnentleert einem die Anliegen vorkommen. Vorstandsmitglied Nino Russano bekräftigt im Gespräch mit Bajour denn auch, «dass alle willkommen sind». Aber eben: Es sollten sich auch alle willkommen fühlen.

Gleichzeitig ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Arbeit der oftmals ehrenamtlichen Vereine sowie des STS Kleinbasel wichtig ist für ein Quartier, das nicht immer auf der Sonnenseite des Lebens steht. Das Kleinbasel sieht sich mit einer starken Drogenproblematik konfrontiert und beherbergt überproportional viele sozial benachteiligte Menschen. Es engagieren sich denn auch Vereine im Stadtteilsekretariat, die selber keinen direkten Draht in die Verwaltung oder Politik haben, für welche das niederschwellige Angebot also mehr als wertvoll ist. 

Die Grossrät*innen dürfen sich im Parlament noch so gerne als Retter*innen der Quartierbevölkerung in Szene setzen.

Die unzufriedenen bürgerlichen Vereine sollten sich ihrerseits der begrenzten Möglichkeiten und vielleicht auch der Rolle eines Stadtteilsekretariats bewusster werden. So werden Parkplatzfragen nicht an der Klybeckstrasse im Büro des Stadtteilsekretariats, sondern durch Abstimmungen durch das Stimmvolk entschieden. Beispielsweise mit der Annahme des Gegenvorschlags zur Städte-Initiative im Jahr 2010 hat sich Basel das Ziel gesetzt, den motorisierten Individualverkehr im Stadtgebiet bis 2020 um zehn Prozent zu reduzieren. Wie Theres Wernli, Leiterin des Stadtteilsekretariats gegenüber Bajour sagt, habe man sowohl Parkingfragen wie Luftqualität an der Feldbergstrasse an den «kleinStadtgesprächen», einem ähnlichen Format wie dem Drogenstammtisch, diskutiert. Und sie bilanziert: «Laut meiner Erfahrung hat die Verwaltung individuelle Probleme für Anlieferungen mit Anrainern und Gewerbe ernst genommen, bei Planungsvorhaben geprüft und für Lösungsansätze Hand geboten.»

Da die Bürgerlichen den Club eh schon freiwillig verlassen haben, sind nun also die Verbliebenen – von der GLP nach links – aufgefordert, den Nutzen zu hinterfragen und allenfalls die Zelte abzubrechen. Damit würde nicht nur der linkspolitische Überhang rasch behoben. Auch könnte sich die Politik dadurch wieder ihrem eigentlichen Zuhause, dem Parlament, widmen, wo sich die Grossrät*innen noch so gerne als Retter*innen der Quartierbevölkerung in Szene setzen dürfen. Und das Stadtteilsekretariat könnte wieder seine Arbeit machen, zu der es eben auch gehört, Projekte zu initiieren und voranzutreiben. Auch wenn partizipative Mitwirkung durch die Bevölkerung manchmal herausfordernd sein kann.

Vielleicht, und das wäre als Anfang ja nicht so schlecht, würde die neue Parteilosigkeit (einzelne Parteizugehörigkeiten in den Vereinen des Stadtteilsekretariats oder im Vorstand beispielsweise wird es trotzdem noch geben) in Kombination mit einem über die Bücher gehen in Sachen Debattenkultur seitens Vorstand die Grundlage für einen Neuanfang unter den Vereinen bedeuten. Es wäre zu hoffen.

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Nach einem ersten journalistischen Praktikum bei Onlinereports hat Valerie verschiedene Stationen bei der Neuen Zürcher Zeitung durchlaufen, zuletzt als Redaktorin im Bundeshaus in Bern. Es folgten drei Jahre der Selbständigkeit in Berlin, bevor es Valerie zurück nach Basel und direkt zu Bajour zog, wo sie nun im Politikressort tätig ist.

Kommentare

Patrick Winkler
03. Dezember 2024 um 07:30

Parteien raus?

Die Idee, politische Parteien aus dem STS KB auszuschliessen ist nicht neu, schon 2019 gab es diese Diskussion als Urs Jörg Präsident war. Das bringt nichts, weil nicht die Parteien für die Spaltung verantwortlich sind sondern polarisierenden Aktivisten und ihre Netzwerke. In der Leitbildkommission hatte ich vergeblich versucht Elemente für eine ausgewogene Debattenkultur einzubringen. Alle meine Versuche waren vergeblich.