(K)ein grüner Angriff auf Cramer

Die Grünen wollen nicht nur in die Regierung, sie wollen auch ins Präsidialdepartement. Taktisch ist das Vorgehen klug, aber mehr als ein paar zusätzliche Stimmen wird es ihnen nicht bringen.

Cramer
LDP-Regierungspräsident Conradin Cramer ist neu im Amt und wird sich schon bald behaupten müssen – gegen die Grüne Anina Ineichen. (Bild: Keystone & Grosser Rat BS / Collage: Bajour)

Die Grünen haben Grosses vor. Sie wollen nicht nur zurück in die Regierung, sie «bedrängen» nun auch noch den frisch gebackenen LDP-Regierungspräsident Conradin Cramer, der erst im April in seine neue Rolle gewählt wurde. Dies haben die Mitglieder der Grünen am Montagabend beschlossen. Denn sie wollen das Präsidium «zurückerobern». Wie Co-Präsidentin Raffaela Hanauer zu Bajour sagt, wolle man «Führungsverantwortung übernehmen» und wichtige Themen wie Gleichstellung, Klima oder Kultur nicht den Bürgerlichen überlassen. «Dies sind Kernthemen der Linken. Wegschauen, während wir eine Klimakrise haben, ist keine Option.» 

Gleichzeitig wurde ein gemeinsames Ticket mit SP und Basta für die Gesamterneuerungswahlen beschlossen; die Grünen schicken dafür ihre Grossrätin Anina Ineichen ins Rennen, die Basta ihren Grossrat Oliver Bolliger und die SP ihre drei Bisherigen: Tanja Soland, Kaspar Sutter und Mustafa Atici.

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«Dies sind Kernthemen der Linken. Wegschauen, während wir eine Klimakrise haben, ist keine Option.» 
Raffaela Hanauer, Co-Präsidentin der Basler Grünen

Dass die Grünen erst 2022 das Bündnis mit ihrer Schwesterpartei Basta aufgelöst hatten, um das erste Mal alleine mit einem schärferen Profil und einer eigenen Liste zu den Parlamentswahlen anzutreten, ist zwar nicht vergessen, für die Regierungsratswahlen aber nicht relevant. Denn, so sagt Hanauer, die Grossratswahlen sind Proporzwahlen (sprich Verhältniswahlen), während die Wahlen in die Exekutive der Logik des Majorz (Mehrheitswahlen) folgen. «Die unterschiedlichen Ausgangslagen erfordern unterschiedliche Strategien.» So ist auch die SP bei den Parlamentswahlen nicht auf einer gemeinsamen Liste mit den Grünen oder der Basta. Und selbst die Bürgerlichen, die sogar mit fünf Listen zu den Parlamentswahlen antreten, üben sich trotz grösserer Differenzen in einem Schulterschluss für die Exekutive.

Gemeinsame Ziele nicht vergessen

Das Signal, welches durch das Zusammengehen von Grünen und Basta ausgesendet werden soll, ist klar: Man hat die gemeinsamen Ziele nicht vergessen. Dies gilt auch für die Grünen und die SP, deren Eiszeit, ausgelöst durch den grünen Angriff bei den Ersatzwahlen, mit dem jüngsten Ticket zumindest vordergründig vorbei zu sein scheint. Die Parteien sind nun bemüht, Einigkeit zu demonstrieren, denn Streit im eigenen politischen Lager schreckt Wähler*innen ab. 

Lisa Mathys, Grossrätin und Präsidentin SP BS
«Wichtig ist, dass wir unsere gemeinsamen Werte, aber auch die verschiedenen Varianten aufzeigen.»
Lisa Mathys, Basler SP-Präsidentin

Zwar entscheiden die SP-Delegierten erst im Juni über den gemeinsamen Wahlvorschlag, der vom Parteivorstand beantragt wurde. Auch, ob es einen gemeinsamen Wahlkampf mit Plakaten und Flyern geben soll, ist weiterhin unklar. Während Politbeobachter*innen der Meinung sind, die SP habe gar keine andere Wahl, als sich mit Grünen und Basta auf Plakaten ablichten zu lassen, sagt SP-Präsidentin Lisa Mathys: «Wichtig ist, dass wir unsere gemeinsamen Werte, aber auch die verschiedenen Varianten aufzeigen.» So gebe es auch zwischen den linken Parteien Unterschiede – vor allem aber «viele Gemeinsamkeiten». Ob dies auf einem Plakat passiere oder anders, sei nicht die entscheidende Frage. Viel wichtiger sei, das gemeinsame Ziel einer Regierungsmehrheit anzustreben.

Konsequente Anspruchshaltung

Weder Hanauer noch Mathys wollen in Bezug auf ihren Wahlvorschlag von einem Angriff auf Cramer sprechen. Hanauer findet: «Wir wollen ins PD und zurück in die Regierung auf Kosten bürgerlicher Kräfte. Der Entscheid, auf wessen Kosten das geschehen soll, liegt bei der Stimmbevölkerung.» Und auch Mathys sagt: «Für uns ist es egal, wessen Sitz wir angreifen, wir wollen eine links-grüne Regierungsmehrheit, weil wir so besser vorwärts kommen. Es ist nur konsequent, dass Links-Grün nun den Anspruch erhebt und auch für dieses Departement ein Angebot macht.» 

Tatsächlich wäre es merkwürdig, einen Anspruch auf die Mehrheit in der Regierung zu erheben, aber auf das Präsidium zu verzichten. Am Ende dürfte die PD-Strategie aber nicht mehr als ein wahlarithmetisches Buebetrickli bleiben. Die Idee dahinter: Wer Ineichen ins Präsidialdepartement wählen möchte, muss sie zwingend auch in die Regierung wählen. Mehr als 3000 zusätzliche Stimmen sind damit aber kaum zu holen. Cramer gefährlich wird die grüne Kandidatin auf jeden Fall nicht. So sagt die Basler LDP-Präsidentin und Nationalrätin Patricia von Falkenstein: Sorgen mache sie sich keine, aber ernst nehmen müsse man die Anspruchshaltung, die immer auch ein Angriff sei, trotzdem. Von Falkenstein hätte es komisch gefunden, wenn Links-Grün niemanden gebracht hätte. Und sie bezeichnet das Vorgehen als «taktisch geschickt», da es Ineichen eine zusätzliche Plattform biete.

Patricia von Falkenstein, bei ihrer Vereidigung als neue Mitglieder der Grossen Kammer, am ersten Tag der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 29. November 2021 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
«Das links-grüne Vorgehen ist taktisch geschickt, da es Ineichen eine zusätzliche Plattform bietet.»
Patricia von Falkenstein, Basler LDP-Präsidentin

So wackelt am Ende, wenn denn, am ehesten der Sitz von Esther Keller. Ist die GLP nervös? Beziehungsweise: Wie beurteilt der Vizepräsident Daniel Ordás die Strategien der Mitbewerber*innen? «Die GLP wird weder jetzt noch im weiteren Wahlkampf die Taktik und Strategie der Mitbewerber*innen kommentieren. Wir konzentrieren uns auf unsere Stärken, unsere Botschaften und die Mobilisierung unserer Anhänger. Als selbstbewusste Regierungspartei verlassen wir uns lieber auf unsere eigene Agenda und unsere Community.»

Schliesslich dürfte es aber weniger die eigene Community sein, die den Sitz von Keller ins Trockene bringt, als die beiden politischen Lager selbst. Denn diese werden sich wohl, wenn es denn ernst gilt, für das kleinere Übel aussprechen. Also für Esther Keller. Die Ausgangslage für die Angreifer*innen bleibt demnach schwierig, dessen ist sich auch Hanauer bewusst: «Im besten Fall kommen wir im Oktober zurück in die Regierung und haben wieder eine linke Mehrheit.» Und falls nicht? Haben sie weiteres Personal verheizt? «Nein, dann haben wir unser Personal aufgebaut für zukünftige Wahlen.» 

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«Die GLP wird weder jetzt noch im weiteren Wahlkampf die Taktik und Strategie der Mitbewerber*innen kommentieren.»
Daniel Ordás, Vizepräsident der Basler GLP

Die gleichen Fragen und Herausforderungen stellen sich übrigens auch für die Angreifer*innen rechts der politischen Mitte. Hier tritt die FDP mit Christian Egeler oder Eva Biland an, die Kandidatenkür folgt im Juni. Die SVP kommt mit Stefan Suter, wodurch ein bürgerlicher Schulterschluss fast unvermeidbar sein wird. Doch auch Suter wird es nichts nützen, dass selbst die Grüne Nationalrätin Sibel Arslan im Sonntagstalk von Telebasel nur Lob für ihn, der bereits ihr Anwalt war, gefunden hat. Die Würfel dürften gefallen sein, bevor es richtig losgeht. Denn die einzige Person, die die Konstellation hätte knacken können, heisst Arslan, und sie tritt bekanntlich (noch) nicht an. 

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Das ist Valerie (sie/ihr):

Nach einem ersten journalistischen Praktikum bei Onlinereports hat Valerie verschiedene Stationen bei der Neuen Zürcher Zeitung durchlaufen, zuletzt als Redaktorin im Bundeshaus in Bern. Es folgten drei Jahre der Selbständigkeit in Berlin, bevor es Valerie zurück nach Basel und direkt zu Bajour zog, wo sie nun im Politikressort tätig ist.

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