Arrogante Städter vs. rückständige Landschäftler

Der Graben zwischen Stadt und Land wächst. Wenn der Landkanton etwas entscheidet, was dem Stadtkanton (und andersherum) nicht gefällt, gibt es dicke Luft. Was tun? Miteinander reden, meint FDP-Grossrat Luca Urgese in seiner Kolumne. Er findet: Bikantonale Themen sollten bikantonal diskutiert werden.

Luca Urgese Kolumne
(Bild: zVg, Collage: Bajour)

Das Verhältnis von Städten zu ihrem Umland ist seit jeher ein Schwieriges. Städte verstehen sich als Motoren des Fortschritts. Der amerikanische Ökonom Edward Glaeser spricht gar vom «Triumph der Stadt». Wer den städtischen Entwicklungen nicht folgt, muss aus dieser Perspektive fast zwingend fortschrittsfeindlich und rückständig sein.

So lässt sich wohl die Herablassung erklären, mit der nicht wenige Städter auf die Landbevölkerung blicken. Wenig verwunderlich, empfindet diese die Städter als arrogant. Der Graben zwischen Stadt und Land wächst. In Zürich diskutiert man deswegen gelegentlich gar die Trennung von Stadt und Land in zwei Kantone.

Zur Person

Luca Urgese, Jg. 1986, politisiert seit 2014 für die FDP im Grossen Rat. Von 2016 bis 2021 war er Parteipräsident. Im März kandidierte Urgese für den Regierungsrat, unterlag jedoch Mustafa Atici. In seiner Kolumne «Caffè Urgese» schaut er mit der bürgerlichen Brille auf Basel. Er äussert sich als Politiker und nicht als Mitarbeiter der HKBB.

Auch in unserem Grossen Rat lässt sich das Landschafts-Bashing regelmässig beobachten. Dann, wenn es nicht so läuft, wie die Stadt das gerne hätte. Natürlich lässt der Landrat das nicht auf sich sitzen. Der Ton wird schärfer, die Spaltung nimmt zu, das gegenseitige Verständnis ab. Die bikantonale Zusammenarbeit wird dadurch instabiler oder sogar rückgängig gemacht. So gab die Baselbieter Regierung im Juli bekannt, dass es beim Lufthygieneamt beider Basel zur neuerlichen Kantonstrennung kommt.

«Der Ton wird schärfer, die Spaltung nimmt zu, das gegenseitige Verständnis ab.»
Luca Urgese

Das wirkt sich auf viele Themen aus:

  • Alle vier Jahre drängt Basel-Stadt auf mehr Geld für die Universität Basel. Baselland, finanziell nicht auf den gleichen Rosen gebettet, sträubt sich. Es folgt die Drohung mit der Kündigung des Universitätsvertrages.

  • Basel-Stadt sagt Nein zur Spitalfusion, weil Baselland einseitig profitieren könnte. Stattdessen wird in der Stadt nun einseitig ausgebaut, was auf dem Land scharfe Kritik auslöst. Konsequenz: Die gemeinsame Gesundheitsregion, vertraglich vereinbart, steht auf dem Prüfstand.

  • In Basel-Stadt sieht man sich als Zentrum einer trinationalen Region. Aber wehe, ebendiese kommt mit dem Auto ins Zentrum. Demgegenüber hat man in Baselland wenig Verständnis für das städtische Bedürfnis nach einer besseren Velo-Infrastruktur. Jede entsprechende Massnahme wird als Angriff auf das Recht auf «freie Fahrt für freie Bürger» verstanden.

Was sind die Gründe für diese Stadt-Land-Misere?

Erstens sind die politischen Mehrheiten in den beiden Kantonen unterschiedlich. Entsprechend einfach lässt sich bei Uneinigkeit mit politischem Bashing des Nachbarkantons auf beiden Seiten punkten, denn es trifft ja schliesslich das andere politische Lager. Und man kann so über das eigene Unvermögen hinwegtäuschen, zu einem auf beiden Seiten mehrheitsfähigen Konzept beizutragen.

Zweitens scheint es vielen in Basel-Stadt an Verständnis über die begrenzten finanziellen Möglichkeiten von Baselland zu fehlen. Zum Vergleich: Der Steuerertrag von Basel-Stadt belief sich 2023 auf 3,3 Mia. Franken, derjenige von Baselland auf 2,0 Mia. Franken. Lieber schimpft man über die angeblich knausrigen Baselbieter und kann sich schlicht nicht vorstellen, dass diese sich vielleicht einfach weniger Staat wünschen.

«Die Leistungsansprüche an den Staat sind in einer Stadt tendenziell höher als auf dem Land.»
Luca Urgese

Drittens zeigen demgegenüber viele Landschäfter wenig Verständnis für städtische Bedürfnisse. Die Leistungsansprüche an den Staat sind in einer Stadt tendenziell höher als auf dem Land. Man muss das als Baselbieter nicht gut finden, kann aber versuchen es zu verstehen.

Viertens scheint über die Jahre ein Klima der gegenseitigen Missgunst entstanden zu sein. Die Städter rümpfen die Nase, wenn im Bachgraben ein innovativer Life-Science-Hotspot entsteht. Die Landschäfter blicken demgegenüber neidisch auf die finanziellen Möglichkeiten der Stadt. Dabei profitiert unsere Region von beidem.

Und fünftens haben viele Baselbieter früher in der Stadt gewohnt. Über die Jahre hat eine Abwanderung von Schweizerinnen und Schweizer in das Umland stattgefunden. Ein Teil davon ging mit negativen Gefühlen, z. B. weil man in der Stadt kein bezahlbares Eigenheim gefunden hat, aus politischen Gründen oder weil die Steuern in der Stadt höher waren als auf dem Land (was heute nicht mehr so ist). Mitreden würde man gerne trotzdem, denn man macht in der Stadt immer noch Fasnacht, besucht das Theater oder fiebert (bzw. aktuell: leidet) im Stadion mit dem FCB mit. Städter reagieren genervt auf diese Einmischung von aussen.

«Was tun? Miteinander reden!»
Luca Urgese

Was tun? Miteinander reden! Bikantonale Themen sollten bikantonal diskutiert werden. Dafür fehlt es derzeit an geeigneten Institutionen. Die Parlamente aus Stadt und Land sollten in gemeinsamen Gremien über bikantonal tragfähige Lösungen diskutieren, verhandeln und entscheiden können. Nur so bewegen wir uns wieder aufeinander zu und fokussieren uns auf gemeinsame Interessen.

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