Ballettschule leitet unabhängige Untersuchung ein

Die Ballettschule Theater Basel will eine unabhängige Untersuchung in Auftrag geben. Die Direktroin wurde freigestellt. Dies nachdem Bajour und die «NZZ am Sonntag» Vorwürfe von Schüler*innen publik machten, die von jahrelangem Missbrauch berichten.

Ballett
(Bild: Kazuo ota / Unsplash)

In einer gemeinsamen Recherche haben Bajour und die «NZZ am Sonntag» Mobbingvorwürfe an der Ballettschule Theater Basel (BTB) publik gemacht. 33 Schüler*innen berichten, sie seien jahrelang missbraucht worden. Die Basler Behörden haben laut Recherche wenig unternommen. Die Direktorin der Ballettschule weist alle Vorwürfe zurück.

Jetzt reagiert der Vorstand Ballettschule Theater Basel. Er kündet eine unabhängige Untersuchung an, «mit dem Ziel, die Vorwürfe genau zu untersuchen und aufzuklären». Man nehme die Vorwürfe ernst, heisst es in der Mitteilung. Weitere Massnahmen «unter Berücksichtigung der Aufrechterhaltung des Schulbetriebs» sollen folgen.

In den Gesprächen, die Bajour und die «NZZ am Sonntag» mit den 33 Schüler*innen führten, werden der Schule Demütigungen im Unterricht, systematische Beschimpfungen und Mobbing vorgeworfen. Die meisten Frauen sollen während der Zeit an der BTB keine Menstruation gehabt, eine 1,69 Meter grosse Studentin noch 36 Kilo gewogen haben. Panikattacken, Essstörungen, Ermüdungsbrüche sollen die Folge gewesen sein. Neben den Gesprächen haben wir zahlreiche Krankenakten, Mails und Textnachrichten ausgewertet.

Viele der Schüler*innen sagen, sie würden immer noch unter den Erlebnissen leiden: Sie hätten teilweise anhaltende posttraumatische Belastungsstörungen, einige würden bis heute Antidepressiva nehmen. Zumindest in einem Fall ist auch übergriffiges Verhalten von einem Lehrer dokumentiert, der mehreren Studentinnen anzügliche Nachrichten geschickt haben soll

Eine Schülerin beschreibt ihre Zeit an der Schule aus ihrer Sicht so: «Ich weinte regelmässig und hoffte, man würde uns helfen. Aber niemand setzte sich für uns ein. Es schien, als hätten sie alle eine stillschweigende Vereinbarung getroffen: Was hier läuft, mag hart sein, aber nötig. Man brach uns, und alle schauten zu.»

Ballet
«Man brach uns, und alle schauten zu»

Schülerinnen der Ballettschule Theater Basel berichten von jahrelangem Missbrauch. Die Behörden unternahmen wenig. Wie kann das sein? Lies hier die Kooperation mit der «NZZ am Sonntag».

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Die Anschuldigungen richten sich gegen die Schule, die Lehrpersonen und die Direktorin Amanda Bennett, die als Leiterin der Ausbildungsstätte im Fokus der Vorwürfe steht. Sie soll Schüler*innen psychisch und physisch unter Druck gesetzt haben. Auch die Basler Behörden haben die Journalist*innen konfrontiert. Die Ausbildung zum*zur Bühnentänzer*in an der BTB ist eine Berufslehre mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis. Das Basler Erziehungsdepartement fungiert in diesem Zusammenhang als Aufsichtsbehörde.

Ulrich Maier, Leiter Mittelschulen und Berufsausbildung Basel-Stadt sagt, es habe immer wieder Gespräche zwischen Behörden und Schule gegeben: «Die heiklen Themen wurden angesprochen, darunter auch Fragen zu Gesundheit, Ernährung, psychischem Druck.» Die Schule habe Besserung gelobt, doch es sei nichts passiert.

Auch das Sportamt hat laut Kanton Gespräche mit der Leitung der Ballettschule geführt. «Oft ging es um die raue Wortwahl der Schuldirektorin, um psychischen Stress und zu hohe Belastungen», sagt der Sprecher Simon Thiriet.

Die Schule selbst weist alle Vorwürfe von sich. Die Direktorin Amanda Bennett schreibt gegenüber Bajour und der «NZZ am Sonntag»: «Ich bin erschüttert über die vorgebrachten Vorwürfe. Die Zitate und Aussagen widerspiegeln nicht die Realität der BTB-Ethik.» Sie weist weiter daraufhin, dass 2015 einem Lehrer gekündigt worden sei, weil er die Regeln und Richtlinien der BTB nicht eingehalten habe. Als Direktorin der BTB stehe sie aber hinter ihrer Arbeit und der Arbeit des Teams. Die Frage, warum 33 ehemalige Schüler*innen derart lügen würden, bleibt unbeantwortet.

Es ist nicht die erste öffentliche Diskussion über die Ausbildung von Balletttänzer*innen in der Schweiz. Lange Zeit galten die Spitzensportler*innen als Symbol für Eleganz und Perfektion, wenn sie anmutig Pirouetten drehen und scheinbar mühelos auf Zehenspitzen über die Bühne gleiten. Doch das System, das Balletttänzer*innen hervorbringt, steht immer öfter unter Kritik. Diesen Sommer machte Die Zeit Anschuldigungen publik, dass an der Zürcher Tanz Akademie (TAZ) ein System der Angst herrsche.

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