Basel kann Corona

Das Baselbiet irrlichtert, Zürich streitet und der Bund zögert. Und bei uns? Basel-Stadt scheint das Pandemie-Management ziemlich im Griff zu haben. Was andere daraus lernen könnten. Eine Analyse.

Lukas Engelberger
One love: CVP-Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger hat die Basler Politik hinter sich. (Bild: CVP BS, Montage: Franziska Zambach)

Am 6. Januar berief der Bundesrat einmal mehr eine Pressekonferenz ein, nur um mitzuteilen, man habe nichts mitzuteilen. Die Landesregierung scheint paralysiert, weil gespalten. Ein Missgeschick folgt dem nächsten. Die Parteien schieben sich die Verantwortung gegenseitig zu. SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer sagte im «SonnTalk» von «Tele Züri»: «Es ist ein offenes Geheimnis, dass Alain Berset schon seit Monaten gerne mehr tun würde – und von rechts gebremst wird.»

Eigentlich ein Trauerspiel. Und in Basel-Stadt?

Hier herrscht, wenn es um Corona geht, ein eigentümlicher Friede zwischen links, rechts und Mitte. Die Regierung wird unisono von den Parteien gelobt. FDP-Präsident Luca Urgese würdigt die Kommunikation der Regierung: «Man weiss immer, wann was passiert in unserem Kanton.» Joël Thüring von der SVP und Sarah Wyss von der SP sind sich einig: «Basel-Stadt macht einen guten Job. Und Balz Herter, CVP-Präsident, sieht Basel-Stadt im Schweizer Vergleich in einer «Pionierrolle».

Sarah Wyss
Sarah Wyss: «In Basel kennt man sich. Da ist es einfacher, gute Kompromisse auszuarbeiten.»

Wir sind Erste

Ein Beispiel ist das Impfen. Da scheint in vielen Kantonen Chaos zu herrschen. Bern suchte letzte Woche noch eine*n Impfverantwortliche*n per Inserat, Graubünden wartet auf das Anmeldetool des Bundes und das Tessin und die Westschweiz melden Probleme mit der Logistik. 

Hier hat man hingegen längst damit begonnen. Basel-Stadt war der erste Kanton, in welchem ein Impfzentrum eröffnet wurde. Zwar gab's auch hier Probleme mit dem Anmeldeprozedere. Aber, sagt Luca Urgese: «Solche Startschwierigkeiten sind normal, jetzt sollte man sie einfach bereinigen.»

Ein noch besseres Bild zeigt sich bei den Einschränkungen. Als die Coronazahlen im November schweizweit in die Höhe schnellten, brach das Chaos aus. Wirtschaftsvebände machten Druck, sich mit Massnahmen zurückzuhalten, der Bundesrat druckste herum und gebetsmühlenartig hiess es: «Das liegt in der Kompetenz der Kantone».

Das Resultat: Zürich zögerte so lange mit Massnahmen, dass Journalist*innen bereits vom «Trödelkanton» sprachen. Und auch die Baselbieter Regierungsrät*innen warteten so lange, bis der Bundesrat einschreiten musste.

Anders in Basel-Stadt. Hier hatte Gesundheitsdirektor Lukas Engelberger (CVP) längst die Beizen geschlossen – trotz der Kritik aus Gastro- und Kulturkreisen.

Friede, Freude, Eierkuchen also?

Ziemlich. Basel-Stadt hat nicht nur Beizen oder Sportanlagen geschlossen, sondern auch von Anfang an schnell und unkompliziert Unternehmen finanziell unterstützt, um die Gesundheitsmassnahmen wirtschaftlich abzufedern.

Beispiel Geschäftsmieten: Basel-Stadt hat als schweizweit erster Kanton im Mai 2020 das «Dreidrittel-Rettungspaket» beschlossen – damit Geschäftsinhaber*innen nicht wegen der Mieten draufgehen. Das gesamte Parlament erklärte den Vorstoss als dringlich und die Regierung setzte ihn um. Und im Dezember beauftragte der Grosse Rat den Regierungsrat, das Hilfspaket noch einmal aufzugreifen.

Luca Urgese
Luca Urgese: «Die Regierung kommuniziert sehr klar. Das schafft Vertrauen.» (Bild: Quelle: lucaurgese.ch)

Ein solider Staatshaushalt hilft

Andernorts ist das ganz anders. In Baselland scheiterte dieselbe Lösung während Monaten an der SVP und Teilen der CVP/GLP, und auch die Regierung war dagegen. Am Schluss brachte das Votum der Stimmbevölkerung das Paket am 29. November durch, ein halbes Jahr nach Basel-Stadt. 

Und eine ähnliche Lösung auf nationaler Ebene scheiterte an der FDP und der SVP. Ähnlich bei den Härtefallregelungen. Während Basel schnell grosszügige Härtefallunterstützungen einführte, verzögerten FDP und SVP das Geschäft auf nationaler Ebene Monate lang.

Was also macht Basel-Stadt besser als der Rest des Landes?

Hier gehen die Meinungen auseinander. Für die Mitte ist die komfortable finanzielle Lage ausschlagebend. Balz Herter von der CVP schreibt die Entschlossenheit dem «soliden Staatshaushalt» zu: «Basel kann sich dank der krisenresistenten Pharma wirtschaftliche Massnahmen einfach besser leisten als andere Kantone oder der Bund», ist er überzeugt. 

Sarah Wyss von der SP sucht den Grund unter anderem bei der Kleinräumigkeit des Kantons: «Hier kennt man sich in der Politik, da ist es einfacher, gute Kompromisse auszuarbeiten.» Und auch die «Mehrheitsverhältnisse» seien entscheidend. Der bürgerlich dominierte Bundesrat und das nationale Parlament können Powerplay machen und Massnahmen bodigen. 

In Basel sind die Mehrheitsverhältnisse weniger deutlich: Die Regierung ist rotgrün dominiert (das ändert sich in der neuen Legislatur), im Grossen Rat stehen sich zwei Blöcke gegenüber. «Bei diesen eher ausgeglichenen Machtverhältnissen ist die Politik gezwungen, den Konsens zu suchen. Das merkt man», sagt Wyss.

Balz Herter
Balz Herter: «Basel-Stadt hat punkto Corona eine Pionierrolle.» (Bild: Quelle: CVP BS)

Andererseits sei ein Stadtkanton vielleicht auch eher bereit, Unternehmen zu unterstützen und so Konkurse und Arbeitslosigkeit abzuwenden, sagt Wyss. «Allfällige Sozialhilfekosten aufgrund zugrunde gegangener Firmen müsste Basel-Stadt ja später auch selbst zahlen.» In anderen Kantonen müssen das die Gemeinden finanzieren.

Das Zauberwort heisst «freiwillig»

Bei rechtsbürgerlichen Politikern tönt es anders. Aus ihrer Sicht hat der Basler Kompromiss weniger mit den Mehrheitsverhältnissen und mehr mit den konkreten Geschäften zu tun. SVP-Grossrat Thüring und FDP-Präsident Urgese finden den Vergleich zwischen Basel und Bund bei den Geschäftsmieten und den Härtefallregelungen unfair. «Das Basler Paket war einfach besser formuliert», sagen beide.

Der Grund: Die Basler Dreidrittels-Lösung beruht auf einem freiwilligen Mietverzicht durch Liegenschaftsbesitzer*innen. Der nationale Vorschlag wollte sie dagegen dazu zwingen. Eine solche Lösung hätten Thüring und Urgese nicht unterstützt: «Das geht gegen das Eigentumsrecht», sagen beide. Und auch die Härtefallregelungen müsse man auf kantonale Bedingungen ausrichten, sagt Urgese: «Eine nationale Lösung über alle Kantone zu stülpen, macht keinen Sinn.» 

Joël Thüring
Joël Thüring: «Im Stadtgebiet ist es einfacher, harte Massnahmen durchzubringen.» (Bild: Quelle: SVP BS)

In Basel haben die Politiker*innen von links und rechts es also scheinbar geschafft, eine Kompromisslösung zu erarbeiten, die allen Parteien passt.

«Wir halten zusammen»

Dasselbe bei den gesundheitspolitischen Massnahmen. Während Bundesrat und Kantone auf Druck der Wirtschaftslobby herumeiern und sich streiten, handelt die Basler Regierung schnell und mit Unterstützung aller Parteien.

FDP-Grossrat Urgese lobt etwa: «Gesundheitsdirektor Engelberger ist sehr klar, man spürt, dass er seine Verantwortung sehr ernst nimmt. Das schafft Vertrauen.» Und Herter und Wyss kommen gleichermassen zum Schluss: Bei der Pandemiebekämpfung hat die Basler Politik übliche rechts-links-Gräben geschlossen. «Wir halten alle zusammen, um Corona zu bekämpfen.»

Wir halten auch zusammen.

Auch bei den Beizenschliessungen im November: Nicht mal aus der SVP gab es Widerstand. Zwar führte die Partei interne Diskussionen, am Schluss stellte sich die SVP aber hinter die Regierung.

Warum ist in Basel möglich, woran Bund und andere Kantone scheitern?

SVP-Grossrat Joël Thüring hat sich diese Frage auch schon gestellt: «Ich glaube, das hat damit zu tun, dass Basel-Stadt ein Stadtkanton ist.» Im dichten Stadtgebiet sei die Gefahr, sich anzustecken, grösser als auf dem Land, wo man viel mehr Platz hat und anderen Menschen ausweichen kann. «Wenn man sich selbst vom Risiko betroffen fühlt oder ältere Menschen im Umfeld hat, ist man eher bereit, härtere Massnahmen zu akzeptieren», sagt Thüring. 

Ganz leicht gefallen sei ihm diese Haltung allerdings auch nicht immer und er werde auch häufig dafür kritisiert: «Normalerweise begebe ich mich nicht gerne in den Schutz des Staates», sagt Thüring. «Für die Staatspartei SP ist es viel einfacher, härtere Massnahmen zu fordern.»

Gärn gschee.

Sozialdemokratin Sarah Wyss nennt noch einen weiteren Grund für die politische Einigkeit: «Es war gut, dass die Basler Regierung die politische Verantwortung in den Departementen behalten hat.» Ein Gegenbeispiel ist der Kanton Zürich: Dort haben Regierungsrät*innen zuerst öffentlich über Kommunikation und Massnahmen gestritten und dann einen Krisenstab und einen regierungsrätlichen Ausschuss eingesetzt. In Basel blieb die Verantwortung bei der Regierung und es herrschte Einigkeit gegenüber der Öffentlichkeit.

Ausserdem zeigte sich die Basler Regierung auch bereit, engen Kontakt zum Parlament zu pflegen. Während des Shutdowns im März bat Sarah Wyss als Präsidentin der Gesundheitskommission Regierungsrat Lukas Engelberger um ein Treffen alle zwei Wochen. Der Deal: Die Gesundheitskommission kann Fragen, Kritik und Anregungen deponieren. Damit können Vorstösse der Parlamentarier*innen reduziert werden. Wyss’ Überlegung: «In der Pandemie muss alles schnell gehen, da sind Vorstösse viel zu aufwändig. Ein direkter Austausch ist zielführender, auch wenn man sich damit gegen aussen nicht profilieren kann.»

Sie kamen alle: Engelberger, Kantonsarzt Thomas Steffen, der Leiter Gesundheitsversorgung Peter Indra. Und der Deal funktionierte. Ein Beispiel: Die Gesundheitskommission kritisierte im Juni die mangelnde Absprache zwischen den beiden Basel punkto Spitalbetten. Aber: «Die ist mittlerweile besser geworden», sagt Wyss. «Die Behörden haben sich in der Pandemie sehr lernfähig gezeigt.» 

Alles macht also auch Basel-Stadt nicht richtig, auch beim Contact-Tracing waren die Behörden überfordert. Aber die Lernkurve der hiesigen Behörden ist steil. Vielleicht hilft es in diesen Krisensituationen, einen gut ausgebauten Staatsapparat zu haben, auch wenn der viel kostet und deshalb häufig kritisiert wird, vor allem aus der bürgerlichen Ecke.

Unter dem Strich sind sich rechts und links im Moment aber offenbar einig: Basel kann Corona. Die Massnahmen sind hart, die Kosten hoch, aber wenn uns Regierung und Grosser Rat so weiter durch die Krise bringen, dann müssen wir ihnen ein Kränzchen winden: gärn gschee.

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Bei Bajour als: Journalistin.

Hier weil: Das Hobby meines Mannes finanziert sich nicht von alleine.

Davor: Chefredaktorin im Lokalmedium meines ❤️-ens (Bajour), TagesWoche (selig), Gesundheitstipp und Basler Zeitung

Kann: alles in Frage stellen

Kann nicht: es bleiben lassen

Liebt an Basel: Mit der Familie am Birsköpfli rumhängen und von rechts mit Reggaeton und von links mit Techno beschallt zu werden. Schnitzelbängg im SRF-Regionaljournal nachhören. In der Migros mit fremden Leuten quatschen. Das Bücherbrocki. Die Menschen, die von überall kommen.

Vermisst in Basel: Klartext, eine gepflegte Fluchkultur und Berge.

Interessensbindungen:

  • Vorstand Gönnerverein des Presserats
  • War während der Jugend mal für die JUSO im Churer Gemeindeparlament. Bin aber ausgetreten, als es mit dem Journalismus und mir ernst wurde.

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