Basel klärt neuen Patrouillendienst ab
Am Bajour-Drogenstammtisch hat LDP-Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann über neue Formen der Polizei sinniert. Diese wiederum zog Bilanz zu ihrer Schwerpunktaktion im Kleinbasel.
Ein kleines bisschen Fasnachtsstimmung herrschte am Mittwochabend am Drogenstammtisch, den Bajour gemeinsam mit dem Stadtteilsekretariat Kleinbasel organisiert hat. Die Basler Polizei brachte einen Helgen in den Rheinfelderhof mit, um vor zahlreich erschienenen Quartierbewohner*innen Bilanz ihrer Schwerpunktaktionen im Unteren Kleinbasel zu ziehen, insbesondere zur Dreirosenanlage. Die präsentierten Zahlen waren erfreulich. Zudem machte LDP-Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann publik, dass sich bereits eine departementsübergreifende «Arbeitsgruppe Ordnungsamt» dem eigentlichen Thema des Abends angenommen hat. Und dieses lautete: «Zu wenig Polizei: Wer sorgt dann für Ordnung?»
Zuerst aber zum Schnitzelbangg, der keiner war. Michel Hostettler, Wachtmeister Community Policing, scherzte neben seinem Helgen, der eigentlich ein Flipchart war: «Keine Angst, wir singen heute nicht.» Vielmehr erklärte er, was die Gedanken sind hinter den regelmässigen Grosskontrollen, die seit März intensiviert stattfinden und an denen jeweils «10 bis 20 Schugger» beteiligt sind. «Wir haben gemerkt, wir müssen mehr PS an den Boden bringen und haben zusammengekratzt, was wir zusammenkratzen konnten.» So wurde 2024 in diesem Gebiet noch kein schweres Gewaltdelikt verübt. Und die Raubfälle und Diebstähle konnten von 93 im Januar auf 37 im Mai gesenkt werden. 1340 Personen wurden kontrolliert, 112 festgenommen. Dafür wurden 6447 Arbeitsstunden aufgewendet. Und das bei dem krassen Unterbestand, der bei der Polizei herrscht: derzeit sind 120 Stellen unbesetzt.
Dass die Polizei präsenter ist, spürt auch die Bevölkerung, je nach Quartier und Strasse mehr oder weniger. So sagt beispielsweise der Unternehmer Kerim Chebbah, der einen Veloladen an der Dreirosenanlage führt und letztes Jahr stark unter den vielen Diebstählen gelitten hat: «Ich bin mega froh, wie es jetzt ist.» Und erzählte folgende Episode: «Kürzlich habe ich vergessen, eines meiner Fahrräder über Nacht abzuschliessen. Und es war am nächsten Morgen immer noch da.» Damit sorgte er für einen Lacher im Publikum. Andere zeigten sich weniger happy und beklagten, dass sich die Probleme (sprich: Dealer und Konsumierende) in Seitenstrassen verlagert haben. Die Polizei wiederum nimmt keine Verlagerung der Szene wahr.
Insbesondere die Kügelidealer stehen immer noch in Reih und Glied rund um den Claraplatz. Hier sagt Polizist David Brunner vom Horburgposten, der Wachtmeister Hostettler an dem Abend begleitete: «Gegen die Kügelidealer vorzugehen, ist sehr schwierig» und er betonte, dass es sich um ein «Katz-und-Maus-Spiel» handelte.
Was passiert mit den Festgenommenen, wollte Moderatorin Martina Rutschmann von Milena Jossen, Basler Staatsanwältin und Co-Leiterin Dezernat Struktur- und Betäubungsmittelkriminalität, wissen, die zum ersten Mal an einem Drogenstammtisch teilgenommen hat. Stehen die am nächsten Tag dann einfach wieder auf der Matte? Jossen sagte, «was Jurist*innen am liebsten sagen». Und zwar: «Es kommt drauf an.» Unbedingte Freiheitsstrafen seien selten und auch diese dauerten in der Regel nicht länger als 60 Tage. Und: «Wenn man einen weggesperrt, kommt der nächste.» Aber Jossen versichert zumindest in Bezug auf die oberen Etagen, also die Köpfe hinter dem Drogenhandel: «Wir sind dran.» Und: «Wir wissen, was läuft.»
Angesichts der Tatsache, dass der Sommer erst noch kommt (und mit ihm die Menschen spät nachts auf die Strasse), sind die Aussichten also nur bedingt rosig. Da dürfte es manch einen gefreut haben, von Eymann zu hören, dass sich hinter den Kulissen einiges tut. So macht sich die eingangs erwähnte «Arbeitsgruppe Ordnungsamt» hinter den Kulissen bereits Gedanken, was Basel angesichts der darbenden Polizei brauchen könnte. Vielleicht einen Patrouillendienst SIP (steht für Sicherheit, Intervention, Prävention), wie ihn die Städte Zürich oder Luzern kennen? Eymann war jüngst mit den Zürcher Kolleg*innen auf der Langstrasse auf Nachtschicht unterwegs und hat sich die Modelle in der Limmatstadt angeschaut. Und sie betont: «Wir wollen die Welt nicht neu erfinden, aber einen Abgleich mit anderen machen und dann allenfalls justieren.»
Insbesondere geht es um die Frage: Wie viel Kompetenzen ein solcher Patrouillen- oder Ordnungsdienst erhalten könnte? Sollte es einen solchen überhaupt geben? Darf er beispielsweise Bussen aussprechen? Oder nur anzeigen, wie es unsere Abfalldetektive heute bereits machen? Oder was wäre mit einer Gemeindepolizei, wie sie die Landschaft kennt, die für Ruhe und Ordnung sorgt? All das sind Fragen, die laut Eymann gestellt und irgendwann beantwortet werden müssen. Klar ist heute schon: Auch für einen Patrouillen- oder Ordnungsdienst, insbesondere in der Nacht, bräuchte es Personal. Und dieses ist bekanntlich knapp.
Zumindest in Sachen aufsuchender Arbeit steht Basel bereits heute gut da. Einer, der es wissen muss, ist Marc-Antonio Moresi, der als Leiter der Freizeithalle Dreirosen in diesem Bereich tätig ist. Er meinte, Basel sei «pioniermässig» unterwegs und plädierte weiterhin für ein «Mosaik» an unterschiedlichen Massnahmen, sowohl repressiv als auch präventiv. So wurden im Rahmen des im März verabschiedeten Massnahmenpakets auch die Ressourcen beim Rangerdienst sowie bei den Mittler*innen erhöht. Und aus dem Publikum kamen Ideen, dass man auch die Bewohner*innen sensibilisieren könnte, mit Workshops oder aber Plakaten auf der Strasse, wie sie mit den Süchtigen oder den Dealern in brenzligen Situationen umgehen können. Denn beispielsweise für Workshops oder sonstige Informationsanlässe haben berufstätige Menschen kaum Zeit.
Doch das Problem, wie es sich an diesem Abend herauskristallisierte, ist die Arbeit in der Nacht, die fehlt. Die Einzigen, die in der Nacht unterwegs sind, sind die Polizist*innen. Am Ende ist das auch eine Frage des Geldes. Und drum die Frage: Wie viel darf uns Sicherheit kosten?
Eine klare Meinung diesbezüglich, für die er viel Applaus bekam, hat der ehemalige Basler Drogendelegierte Thomas Kessler. «Viel Geld», sagte er und nahm die Politik in die Pflicht: «Das sehr tolerante Kleinbasel hat das Recht, auf dem gleichen Niveau zu leben wie das Bruderholz.» Die derzeitigen Zustände seien nicht tolerierbar. Und er forderte die Grossrät*innen auf, der Regierung endlich die nötigen Mittel zu sprechen. Diese sei dann dafür verantwortlich, die Mittel aufzuteilen – egal wie die Einheiten am Ende heissen mögen. Die Polizist*innen, die die Sicherheit garantierten, bräuchten auf jeden Fall einen Top-Lohn.
Dann folgte eine provokante Frage von Moderatorin Rutschmann an die Linke im Raum, die im Parlament bisher nicht gerade mit vielen sicherheitspolitischen Vorstössen aufgefallen ist. Namentlich waren Fleur Weibel, Grossrätin der Grünen, und Mahir Kabakci, SP-Grossrat, vor Ort: «Ist euch Sicherheit wurst?», wollte Rutschmann wissen. Weibel sagt, dass natürlich auch die Linken Sicherheit wollten, dass aber die Ansatzpunkte, dorthin zu gelangen, andere seien. Und sie unterstreicht: «Uns sind Arbeitsbedingungen allgemein wichtig!» Und auch Kabakci forderte eine Angleichung des Lohns an die Nachbarkantone, um den Unterbestand bei der Polizei zu beheben. Zur Quartiersdebatte sagte er: «Es müssen sich alle Quartiere beteiligen.» Andere Stadtteile müssten dem Kleinbasel gewisse Belastungen abnehmen, damit am Ende alle so leben könnten wie jene auf dem Bruderholz, zumindest, was die Sicherheit betrifft.