«Die Erbschaftssteuer macht noch keinen Klimaschutz»

Alle reden über die Erbschaftssteuer-Initiative der Juso – aber niemand darüber, dass damit der Klimaschutz finanziert werden soll. Der Basler Umweltökonom Frank Krysiak erforscht die wirtschaftlichen Auswirkungen von Klimapolitik. Er findet: Die Vermögenden müssen mehr verpflichtet werden, sich bei Klimainvestitionen einzubringen.

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Von den Reichen nehmen, um das Klima zu finanzieren? (Bild: Collage: Bajour)

Ab einem Erbe von mehr als 50 Millionen Franken sollen 50 Prozent davon versteuert werden – um mit diesen staatlichen Einnahmen den Klimaschutz zu finanzieren. Die Idee der «Initiative für eine Zukunft» der Juso polarisiert und lockt sonst öffentlichkeitsscheue Grossvermögende dazu, sich medial in den höchsten Tönen empört zu äussern – dabei wird erst in zwei Jahren darüber abgestimmt.

LDP-Grossrätin Annina von Falkenstein hat im Basler Parlament bereits einen Vorstoss eingereicht, um den Kanton zu einer frühzeitig ablehnenden Stellungnahme zur Initiative zu bewegen – zu gross schätzt sie den wirtschaftlichen Schaden ein, den ein tatsächlicher Wegzug der Multimillionäre in Basel bedeuten würde. Die BaZ hat in einer Übersicht gezeigt, welche Basler Vermögenden von der Steuer betroffen wären.

Herr Krysiak, aktuell wird viel darüber geredet, dass Milliardäre wie der Thurgauer Peter Spuhler oder der Basler Thomas Straumann aus der Schweiz ziehen würden, wenn die Erbschaftssteuerinitiative durchkommt. 

Es ist schwierig, im Moment Zeitung zu lesen, ohne über das Thema zu stolpern.

Die Finanzierung von Klimainvestitionen findet in der Debatte bisher kaum eine Erwähnung.

Das finde ich sehr schade. Es ist durchaus ein Unterschied, ob eine Besteuerung nur dazu dient, dass der Staat mehr Geld hat, oder ob sie mit einem konkreten Zweck verbunden ist. Und es ist durchaus so: Die Klimakrise zu bewältigen, erfordert enorme finanzielle Mittel – und wir haben noch ein weites Stück Weg bis zur Klimaneutralität vor uns. 

Was denken Sie als Ökonom über die Idee, Klimaschutz mit einer Erbschaftssteuer querzufinanzieren?

Ich stelle mir die Frage: Ist es wirklich der Staat, der dieses Geld investieren muss? Muss der Staat eine Steuer einnehmen und dann wieder ausgeben – oder wäre es nicht leichter und günstiger, wenn das Geld direkt von den Unternehmen in Klimaschutz investiert wird?

Inwiefern wäre es günstiger?

Wenn dem Staat das Heft in die Hand gedrückt wird, besteht immer die Gefahr, dass letztlich auf die Loser unter den neuen Technologien gesetzt wird und die Klimawende im Endeffekt viel teurer wird. Diese Erfahrung sehen wir in nahezu allen Ländern. Unternehmen können das tendenziell besser als der Staat.

Wo wurde bisher auf das falsche Pferd gesetzt?

Wir haben in vielen Ländern mit riesigen staatlichen Subventionen Kernenergie aufgebaut. Jetzt bauen wir diese wieder zurück. Da wurden viele Milliarden vernichtet. In Deutschland ist die Förderung für die Verstromung von Biomasse ein ziemlich teures Grab gewesen.

Frank Krysiak
Frank Krysiak

Frank Krysiak ist Professor für Umweltökonomie an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel. Dort beschäftigt er sich schwerpunktmässig mit der Frage, wie sich umwelt- und klimapolitische Entscheidungen auf Technologien und Fortschritt auswirken. Er hat unter anderem erforscht, inwiefern Elemente wie die CO2-Abgabe tatsächlich Anreize für Unternehmen geben (und wie stark die Ausnahmeregelungen zur Befreiung von jener Abgabe genutzt werden).

Wenn der Staat aber nicht über Klimainvestitionen entscheidet – besteht dann nicht die Gefahr, dass die Wirtschaft allein zu wenig macht?

Das ist tatsächlich so. Wir wissen seit 30 Jahren, dass wir viel mehr für den Klimaschutz tun müssen. Viele Unternehmer sagen zwar, dass die Wirtschaft die Gesellschaft vorwärts bringt. Im Bereich Klima funktioniert das noch nicht so gut, die Unternehmen kommen recht langsam voran. Deswegen sehe ich diese Initiative trotz ökonomischer Vorbehalte auch etwas ambivalent.

Sie können der Initiative also etwas abgewinnen?

Alle müssen im Rahmen ihrer ökonomischen Leistungsfähigkeit zum Klimaschutz beitragen. Und das wird heissen, dass der reichere Teil der Bevölkerung immer etwas mehr zum Klimaschutz beitragen soll. Da gibt es allerdings bisher noch zu viele Schlupflöcher. Und diese Lücke zu schliessen, dafür habe ich viel Sympathie.

Ein bedingungsloses Ja zur Erbschaftssteuer höre ich da noch nicht raus.

Die Erbschaftssteuer an sich macht noch keinen Klimaschutz. Es sind allenfalls die Einnahmen, mit denen man den Klimaschutz finanzieren kann. Bestenfalls verpflichten sich die Unternehmen anhand guter Rahmenbedingungen selbst zu Investitionen. Oft fordern sie aber Subventionen. Dafür brauchen wir dann aber mehr staatliche Einnahmen und letztlich Ideen wie jene der Initiative. 

Es ist sicher wichtig, die Debatte zu eröffnen. Wie schaffen wir es, dass die notwendigen Bemühungen für den Klimaschutz wirklich von allen mitgetragen werden?
Frank Krysiak, Umweltökonom

Die Juso geht von sechs Milliarden Franken Einnahmen pro Jahr durch die «Zukunftssteuer», wie sie es nennt, aus.

Wenn wir Klimaneutralität vor allem durch Subventionen und Vorschriften erreichen wollen, dann wird dies sehr teuer und diese Summe wäre nur ein Beitrag. Weitere Anstrengungen und damit auch weitere finanzielle Mittel wären dann sowieso notwendig – egal, wie hoch eine Erbschaftssteuer wäre.

Sie würden die Erbschaftssteuer also tiefer ansetzen?

Wenn man verhindern will, dass sich immer mehr Kapital bei einem kleinen Teil der Bevölkerung anhäuft, dann muss man schon über relativ hohe Steuersätze nachdenken. Da kommt man mit fünf oder zehn Prozent nicht weiter. Aber ich würde das nicht an der Höhe der Steuer festmachen. 

Sondern?

Ich finde es durchaus sinnvoll, dass es eine Art «Veräusserungssteuer» für ererbte Unternehmen gibt, zum Beispiel wenn die Erben ein vererbtes Unternehmen verkaufen.. Auch wenn kein Unternehmen, sondern Anteile oder Aktien, vererbt werden – da wäre eine Steuer zielführend. Damit könnte man erreichen, dass der reichere Teil der Bevölkerung einen wesentlichen Teil zur Bekämpfung der Klimakrise beiträgt.

Und wenn dann wirklich alle Reichen wegziehen und die Unternehmen ins Ausland verkauft werden?

Ich kann nicht einschätzen, wie realistisch das ist. In anderen Ländern gibt es auch Erbschaftssteuern. Aber es hätte riesige Kosten, wenn wirklich Leute abwandern. Es ist sicher wichtig, die Debatte zu eröffnen und zu fragen: Wie schaffen wir es, dass die notwendigen Bemühungen für den Klimaschutz wirklich von allen mitgetragen werden? Sei es, dass wir das über Steuern machen oder sei es, dass wir auf andere Weise verlangen, dass wir alle aktiv mehr tun für den Klimaschutz.

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Das ist David (er/ihm):

Von Waldshut (Deutschland) den Rhein runter nach Basel treiben lassen. Used to be Journalismus-Student (ZHAW Winterthur) und Dauer-Praktikant (Lokalzeitungen am Hochrhein, taz in Berlin, Wissenschaftsmagazin higgs). Besonderes Augenmerk auf Klimapolitik, Wohnpolitik, Demopolitik und Politikpolitik. Way too many Anglizismen.

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