Gewerkschafts-Präsident Benjamin Plüss: «Die Botschaft ist futsch»
An der 1. Mai-Demonstration kam es dieses Jahr zu vielen Sachschäden. Gewerkschafts-Präsident Benjamin Plüss ist enttäuscht von den linken Gewaltausschreitungen.
Benjamin Plüss, Präsident des Basler Gewerkschaftsbunds, hat keinen guten Tag. «Ich bin traurig und enttäuscht», sagt er und man sieht es ihm an. Am Sonntag kam es im Rahmen der 1. Mai-Demo zu Ausschreitungen. Diese nahmen 2022 ein grösseres Ausmass an als in anderen Jahren, wie Stefan Schmitt, Sprecher der Kantonspolizei Basel-Stadt, gegenüber Telebasel sagte.
Ein kleines Grüppli Demonstrant*innen beschmierte Hauswände, schlug Schaufenster mit Hämmern ein und soll laut BaZ sogar einen Journalisten angegriffen haben.
Und Benjamin Plüss und andere Linke müssen jetzt von Morgens bis Abends hinstehen und sich rechtfertigen. «Das 1. Mai-Komitee billigt die Form der Ausschreitungen in keinster Weise», betont der Gewerkschafts-Präsident. «Gewisse Menschen suchen sich offenbar gezielt Events aus, um mit Gewalt Aufmerksamkeit zu erregen», sagt er.
Statt über die Arbeitsbedingungen von Pflegenden oder Sans-Papiers reden jetzt nämlich alle nur über eingeworfene Scheiben. «Die Mitteilung ist futsch», sagt Plüss.
Runder Tisch ohne Schwarzen Block
Besonders frustriert ihn, dass nach der zweijährigen Pandemie-Pause eine Öffnung durchaus gewünscht gewesen wäre. Die Arbeiterbewegung wollte 2022 Seite an Seite mit Klimaaktivist*innen und Sans-Papiers marschieren. Im Vorfeld hätten rund 20 verschiedene Organisationen an einem runden Tisch über die diesjährige Demo diskutiert. Jedes Detail, von der Routenwahl bis zum Bierpreis, sei besprochen worden.
Und warum haben die Gewerkschaften und anderen Komiteemitglieder die Autonomen nicht abgehalten?
«Wenn jemand mit einem Hammer auf eine Scheibe losstürmt, kannst du nichts machen. Nach einer Minute ist das vorbei», sagt Plüss. Ausserdem könne man doch von friedlichen Demonstrant*innen nicht verlangen, dass sie ihre eigene Sicherheit gefährden. «Unsere Mitglieder sind keine Sicherheitsleute.»
Ausserdem sei es schwierig, mit den Gewaltbereiten zu verhandeln: «Ich habe keine Ahnung, wer diese Leute sind.» Schliesslich gebe es keine Geschäftsstelle oder ähnliches, Ansprechpartner seien schwer zu finden. Die Linksautonomen würden sich nicht an der Planung beteiligen. «Sie nehmen sich einfach den Platz», so Plüss.
Die Randalierenden sahen alle ähnlich aus: Blaue Glockenjeans, schwarze Windjacken, schwarze Schuhe, schwarze Handschuhe, vermummte Gesichter.
Angriff auf friedlichen 1. Mai
Plüss fürchtet, dass die Sachbeschädigungen auch im nächsten Jahr Schatten auf den 1. Mai werfen. Angehörige der Arbeiterbewegung, die in Arbeitskleidern demonstrierten, würden es sich laut Plüss nächstes Jahr zwei Mal überlegen, ob sie für ihre Anliegen auf die Strasse gehen.
Und insbesondere für die heuer zahlreich anwesenden Sans-Papiers stellten die Gewaltausschreitungen durch Linksautonome ein sehr hohes Risiko dar. Denn dadurch könnte es zu einer Einkesselung kommen, die eine Massenkontrolle durch die Polizei zur Folge hätte.
Eigentlich sei es eine Stärke, dass die Linke sich aus vielen Organisationen mit starken Eigeninteressen zusammensetzt und um Kompromisse ringe. Man müsse sich aber überlegen, wie der Diskurs geprägt werden solle. «Für gewisse Parteien sind die Ausschreitungen am 1. Mai doch ein gefundenes Fressen, um Stimmung gegen Demonstrationen zu machen.»
Der Grosse Rat hat erst kürzlich die Motion der SVP zur «übermässigen Nutzung des öffentlichen Raums» abgelehnt. Sie wollte Kundgebungen in der Innenstadt am Samstag einschränken.
Und jetzt fordert sie in einer neuen Interpellation, dass der Einsatz vom Sonntag aufgearbeitet wird.
Der Basler Gewerkschaftsbund will die Geschehnisse nun intern und in Kooperation mit den Behörden aufarbeiten.