«Gefühlt gelten wir jetzt alle als böse Sexisten und Rassisten»
Sacha Lüthi ist Community-Polizist. Die politische Debatte nach der Veröffentlichung des Untersuchungsbericht zu den Missständen bei der Basler Polizei macht ihm zu schaffen. Er hat Bajour seine Gefühlslage geschildert.
Der Bericht über die Missstände im Basler Polizeikorps zeigt schwarz auf weiss, was alles schiefläuft. Er zeigt ungeschönt auf, was wir Herrn Schefer bei der Untersuchung gemeldet haben. Das war nötig.
Was mich aber aktuell wirklich trifft, ist, dass wir als Polizistinnen und Polizisten derzeit so zerrissen werden von der Politik. Gefühlt gelten wir jetzt alle als böse Sexisten und Rassisten. Und obendrauf kommen dann noch die Vorwürfe an Polizeivorsteherin Stephanie Eymann, die von allem gewusst haben soll.
Ganz ehrlich, das macht mir persönlich zu schaffen.
Ich bin seit 25 Jahren Polizist und ich kenne die im Bericht genannten Probleme nicht erst seit gestern. Es mag ja sein, dass Leitungspersonen in der Polizei schon früher hätten merken können, was alles nicht gut läuft. Aber die Forderung von linker Seite, dass jetzt eine parlamentarische Untersuchungskommission untersuchen soll, wer genau was wann gewusst hat, finde ich komplett kontraproduktiv.
«Die Problematik ist nun schon fast zwei Jahre auf dem Tisch. Und was ist inzwischen gegangen? Genau nichts.»Polizist Sacha Lüthi
Das hilft doch keinem.
Wie wäre es, wenn man sich politisch mal zusammenraufen würde und die Probleme gemeinsam als Parlament angehen würde?
Die Sicherheit geht alle an, auch diejenigen, die uns nicht mögen. Täglich höre ich von neuen Kündigungen altgedienter Kolleginnen und Kollegen. Die Problematik ist nun schon fast zwei Jahre auf dem Tisch. Und was ist inzwischen gegangen? Genau nichts.
Eine PUK ist für nichts. Das kostet sehr viel Geld und verbraucht sehr viele Ressourcen, die die Politikerinnen und Politiker lieber in die Lösungsfindung investieren sollten. Uns laufen die Leute ja immer noch davon. Die ganze Berichterstattung über die Probleme und die Forderung nach einer PUK wecken doch in keinem jungen Menschen den Wunsch, jetzt nach Basel zu kommen und hier die Polizeischule zu machen.
Was gedenkt die PUK, festzustellen? Die Probleme, Sexismus, Rassismus, die sind doch nicht alle in irgendwelchen Mails festgehalten. Das passiert zwischenmenschlich und die befragten Polizistinnen und Polizisten haben sich doch genau deshalb gegenüber Herrn Schefer dazu geäussert. Weil sie wussten, dass ihre Aussagen anonym behandelt werden. Will eine PUK sie alle nochmal befragen?
«Wie wäre es, wenn man sich politisch zusammenraufen würde und die Probleme gemeinsam als Parlament angehen würde?»Polizist Sacha Lüthi
Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Natürlich müssen wir über die Probleme sprechen, die nun endlich klar benannt sind. Man muss unbedingt hinschauen, wo die Sexismus- und Rassismusprobleme zu verorten sind und diese lösen. Ich gehe davon aus, dass das Einzelfälle sind. Und diese wird Stephanie Eymann nun in Rücksprache mit Herrn Schefer anschauen und falls nötig personalrechtliche Konsequenzen einleiten. Auf dem Polizeiposten wissen wir, dass wir nicht morgen mehr Lohn haben werden und wir wissen auch, dass die Probleme nicht einfach verschwinden. Aber wir vertrauen darauf, dass sich jetzt etwas verändern wird, wenn Stephanie Eymann Zeit bekommt, sich das anzuschauen.
Auf dem Polizeiposten sind wir wie eine grosse Familie – auch wenn es Differenzen mit der Leitungsebene gibt. Von der Politik werden wir alle aktuell aber pauschal verurteilt. Das ist zumindest mein Eindruck. Aber am Ende sind wir es, die jeden Tag für die Bevölkerung und Gäste dieser Stadt aufstehen, Wochenende für Wochenende für Demos und Fussball Extradienst leisten.
Es ist der Wahnsinn: Als Polizistin oder Polizist muss man alles können und innert Sekunden entscheiden, im schlimmsten Fall über Leben und Tod. Und die Politik lässt sich Zeit im Parteien- und Wahlkampfgeplänkel.
________
Aufgezeichnet von Michelle Isler
Rot-Grün fordert im Grossen Rat das schärfste Kontrollinstrument, das den Parlamentarier*innen zur Verfügung steht: eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK). Die Hoffnung ist, dass dadurch Einsicht in Unterlagen gewährt wird, die Staatsrechtler Markus Schefer beim Bericht über die Personalsituation bei der Kantonspolizei nicht zur Verfügung standen und dass die Frage danach, was Polizeidirektorin Stephanie Eymann wusste, beantwortet wird. Die Bürgerlichen werden dieser Forderung voraussichtlich nicht zustimmen. Sie setzten sich für höhere Löhne für die Polizist*innen ein.