Der Kanton ruft, er macht’s
Wenn die kantonale Kulturabteilung oder die Big Player am Kulturplatz Basel ein Grossevent planen, klingelt das Telefon bei Frederick Dürr. Die Agentur des umtriebigsten Kulturmanagers der Stadt zieht Aufträge an Land, von denen andere nur träumen können. Eine Begegnung.
Eigentlich sagt ja schon der Firmenname genug: Das Management wird kleingeschrieben, die Vokale werden, angelehnt an die gleichnamige Indie-Band, ausgelassen. das mgmt. Sie sind das Management, nicht mehr und nicht weniger. Wer auf der Website versucht, mehr über das Unternehmen herauszufinden, findet lediglich eine Auflistung der sieben Mitarbeiter*innen und der Projekte, die sie umgesetzt haben.
Dieses «Namedropping» reicht aus – mehr sollen die Besucher*innen nicht wissen. Unter anderem liest man: Museumsnacht, Industrienacht, Kunsttage, offbeat Jazz Festival, die Bundesratsfeier von Beat Jans. Was nicht dabei steht: das Booking der Bühne auf dem Barfi während des Eurovision Song Contest.
Auf der weissen Website sticht lediglich das Web-Icon, ein Raketen-Emoji, hervor. Und die Raketenfahrt von das mgmt ist bisher so steil, Elon Musk wäre neidisch. Gestartet quasi als Nobodys, die gleich in der Anfangszeit die prestigereiche Museumsnacht organisieren durften. Und die, getragen von diesem Prestige, bald immer wieder im Spiel sind, wenn etwas Grosses läuft im Kanton. Dafür gibt auch die Kulturabteilung des Kantons gerne Geld.
Zumal es schon auch Stimmen gibt, die flüstern, dass der Kanton solche grossen, wichtigen Projekte öffentlich ausschreiben müsste. Die Vergabe ist rechtlich klar geregelt: Erst ab 250’000 Franken muss der Kanton Dienstleistungsaufträge ausschreiben. Diese Schwellenwerte existieren nicht nur in Basel, sondern auch in den meisten anderen Kantonen, da es eine interkantonale Rechtsprechung gibt.
Warum immer wieder das mgmt? Das Präsidialdepartement, in dem die Abteilung Kultur angesiedelt ist, schreibt auf Anfrage: «Das mgmt leistet professionelle Arbeit im Veranstaltungsmanagement.» Und weiter wird gelobt, dass das mgmt «kompetent und engagiert» arbeitet – man sei sehr zufrieden.
Die Antwort ist knapp, aber sie zeigt dennoch: Das mgmt macht seinen Job gut, deshalb wird es immer wieder angefragt, auch vom Kanton. Aber: «Das macht es für andere Player schwierig, Fuss zu fassen», sagt eine Person, die auch im Kulturbusiness arbeitet, aber anonym bleiben möchte. Andere Agenturen könnten ihr Business stabilisieren, wenn sie auch mal einen Auftrag vom Kanton bekommen würden. «Aber aktuell ist es leider so: Die immer gleichen können immer mehr machen. Für andere hat die Abteilung Kultur oft kein Gehör.» Beim Kanton sagt man hierzu lediglich, dass man sich bei der Auswahl der Vertragspartner an die Vorgaben des Beschaffungsrecht halte.
Der Werdegang
Um sich so sehr das Vertrauen des Kantons zu erarbeiten, muss man doch ein Mastermind sein, oder? Der zentrale Co-Gründer Frederick Dürr ist aber keiner dieser testosteronbedüdelten Macher-Macker, die man bei aufstrebenden Start-ups erwartet. Mit Pulli, Brille und Mütze fügt er sich ohne aufzufallen in die hipsterige Szenerie im Unternehmen Mitte ein. Im Gespräch wirkt der 32-Jährige eher schüchtern – klar, er ist lieber im Hintergrund als in der Mitte im Interview mit einem Journalisten. Von seinem Job kennt er es nicht anders: Er setzt andere in Szene.
Viel über sich gibt Dürr auch im Mediengespräch nicht gern preis. Aufgewachsen ist er im St. Johann. Sein Vater ist Martin Dürr, der langjährige Industriepfarrer von Basel. Dessen Netzwerk würde dem mgmt später Türen öffnen, wie Sohn Frederick Dürr zugibt, um – inspiriert vom erfolgreichen Modell der Museumsnacht – die erste Basler Industrienacht zu organisieren.
In seiner Jugend hing Frederick Dürr viel im Plattenladen Roxy Records am Rümelinsplatz rum. «Ein Mitarbeiter hat mir immer ganze Stapel CDs gegeben, die ich hören sollte», erinnert er sich. Inspiriert vom Sound der Arctic Monkeys, Radiohead und Foals trommelte er selbst in einigen Bands. Als Schlagzeuger braucht man am meisten Equipment, muss ein Auto auftreiben und den Transport organisieren. Häufig übernahm das Dürr.
Weil er da offenbar Talent und Spass dran hatte, vermittelte eine seiner Schwestern ihn an einen Studienkollegen, der damals neue Leute beim Imagine Festival suchte. Dafür werden Jahr für Jahr neue engagierte Jugendliche gebraucht. Dürr half mit und bekam prompt einen Platz im Kernteam, der gerade neu besetzt werden musste – manchmal stimmt einfach das Timing. Mehrere Jahre war er Booker für das Festival.
Er lernte alles, was seiner Meinung nach gute Organisation ausmacht: Teamwork, präzises Arbeiten, Geduld, Kommunikation – und einen kühlen Kopf bewahren. Als kurz vor dem Konzert einem Act das Kick-Pedal fehlten, konnte Dürr noch bei Musik Hug das nötige Schlagzeugteil organisieren – um zehn Uhr abends.
Am Ende geht bei ihm immer alles gut – grosse Anekdoten von Missgeschicken oder vom Scheitern kann er nicht erzählen. Aber es ist auch eine Frage des Framings. So sagt er zum Beispiel: «Das Studium in Soziologie und Geschichte habe ich erfolgreich nicht abgeschlossen.»
Warum auch? In der Kulturbubble hat er schon früh seine Berufung gefunden. Doch mit 25 stieg er beim Imagine aus, um einer jüngeren Generation Platz zu machen. Zwischenzeitlich ist er noch bei der Musikagentur Reelmusic tätig – er managt unter anderem den Producer Audio Dope.
Dürr war schon drauf und dran, ein neues Studium anzufangen, da weckte eine Ausschreibung des Kantons sein Interesse: Es wurde eine neue Projektleitung für die Organisation der Museumsnacht gesucht. Das war schon damals eine Institution in Basel, seit 2001 gibt es das programmreiche nächtliche Festival der Basler Museen.
Mit seinem Cousin und damaligen Mitbewohner Nicolas Schmutz, der ebenfalls in der Kulturszene tätig war, bewarb sich Dürr auf die Ausschreibung. «Es hat sicher eine gewisse Naivität dazu gebraucht, dass wir uns das damals zugetraut haben», sagt Dürr mit einem Schmunzeln. Doch die Organisation der Museumsnacht durch ihr neugegründetes Start-up, das mgmt, funktionierte bestens. Seither wurde der Auftrag gesetzeskonform immer wieder überprüft – und das Mandat für die Projektleitung immer wieder erneut an das mgmt vergeben. Alle Player sind eingespielt, die Shuttle-Busse rollen und die Besucher*innen strömen in die Museen.
Nach dem erfolgreichen Organisieren der Museumsnacht, wurde das mgmt schon im Folgejahr vom Kanton angefragt, die Website musik.bs zu betreiben. Das war Teil des Projekts «Musikjahr 2020», das die Sichtbarkeit Basels als Musikstadt stärken sollte. Die Website soll auf einen Blick einen Überblick über das Musikschaffen in Basel geben: Dort werden musikjournalistische Medienberichte gesammelt und einige Veranstaltungen aufgelistet.
Dürr und Schmutz waren für diese Aufgabe eine nachvollziehbare Wahl: Sie bewirtschafteten gemeinsam schon mehrere Jahre ehrenamtlich die Online-Veranstaltungs-Agenda denkmal.org – sie hatten also schon die Daten, die man für musik.bs nutzen konnte. Als die Website online ging, durchkreuzte aber die Corona-Pandemie die grossangelegten Pläne für ein Basler Musikjahr.
Musik.bs wurde medial als Flop wahrgenommen, von den Musikinstitutionen wird die Seite kaum genutzt. Seit 2021 liegen die Social-Media-Kanäle des Projekts brach. Dürr sieht das anders, die Seite werde noch immer «sehr oft» genutzt. Das mgmt bewirtschaftet die Website weiterhin für den Kanton. Vom Kanton ist zu erfahren, dass die Website 2024 40’000 Aufrufe hatte. Der Kanton zahlt dem mgmt jährlich noch immer rund 10’000 Franken für den Betrieb der Seite. Der Vertrag ist unbefristet.
«Immer, wenn jemand einen Auftrag bekommt, bekommt jemand anderes den Auftrag nicht.»Frederick Dürr, das mgmt
Doch auch wenn die Idee von musik.bs nicht zündete – Dürrs mgmt hob trotzdem ab. In der Pandemie ergab sich die nächste Chance: Die Basler Kunstinstitutionen wollten der vom Lockdown hinterlassenen Kulturwüste etwas entgegenhalten: die Kunsttage mit Kurzausstellungen und Performance-Programmen. Für die Projektleitung wandten sie sich an Dürr – man kannte sich ja jetzt von der Museumsnacht. In gerade mal neun Wochen organisierte das kleine Team die Kunsttage – und das mgmt manifestierte sich damit als vertrauensvolle Projektpartnerin.
Kein Wunder, dass die am Theaterplatz ansässigen Kulturinstitutionen auch wieder auf Dürr zukommen, als sie mit dem «Theaterplatz-Quartier» den Ort mittels mobiler Begrünung und kleiner Freiluft-Feste beleben wollen. Und auch als Theater, Kunstmuseum, Sinfonieorchester und Fondation Beyeler Pläne für besondere Events für die englischsprachige Community Basel schmieden: Für «I Love the Arts» wurde, once again, das mgmt angeheuert.
Alle diese Projekte in den kantonal subventionierten Institutionen werden wiederum grosszügig vom Kanton gefördert: Die jährlich stattfindenden Kunsttage erhalten jeweils 70’000 bis 80’000 Franken aus dem Swisslos-Fonds. Das «Theaterplatz-Quartier» hat einmal 85'000 und einmal 215'000 Franken aus dem Stadtbelebungs-Fonds bekommen. Und die Abteilung Kultur unterstützt «I Love the Arts» mit 5000 Franken.
Mit der Zeit ergab sich in der Kulturszene das Bild: Überall, wo die kantonalen Kulturgelder sind, ist Frederick Dürr. Für die Bundesratsfeier von Beat Jans Ende 2023 wurde das mgmt angefragt – noch bevor Jans überhaupt gewählt war. Die Behörden waren sowieso noch mit der Planung der Herzog/Nussbaumer-Party beschäftigt – man konnte gar nicht anders, als sich extern Hilfe zu holen, hiess es damals. 28’325,10 Franken standen auf der Rechnung des mgmt für die Bundesratsfeier.
Aber auch, dass das mgmt das Booking der ESC-Bühne auf dem Barfi – wo Dürrs Karriere vor 14 Jahren ihren Anfang nahm – übernehmen wird, kam nicht überraschend. Ist Dürrs Draht zu den Behörden wirklich kürzer? Er verneint: «Es gibt x andere, die auch Aufträge haben, für Preisverleihungen zum Beispiel.» Dass es auch kritische Stimmen gibt, verwundert ihn aber nicht: «Immer, wenn jemand einen Auftrag bekommt, bekommt jemand anderes den Auftrag nicht.»
Und schliesslich erarbeitet das mgmt auch Konzepte selbst, es nimmt nicht einfach Aufträge entgegen. Die Industrienacht hat sie selbst nach dem Vorbild ähnlicher Konzepte an anderen Orten aus dem Boden gestampft. Und aktuell wird schon am nächsten Projekt geschmiedet: Mit «Einblick Basel» will das mgmt das Konzept der Publikumsrennerinnen Museums- und Industrienacht auf soziale Institutionen übertragen. Ganz nach dem Motto: Never change a winning team.