Hopp, Basler Asylpolitik!

In Basel-Stadt lohnt es sich, im Asylbereich politisch etwas verbessern zu wollen. Der Kanton nützt seinen Spielraum aus und konnte bereits mehrmals Schrittmacher sein.

Asylsuchende schlafen in der als Asylnotunterkunft genutzten Zivilschutzanlage in St. Gallenkappel, am Donnerstag, 12. November 2015. Der Kanton St. Gallen will die im Oktober in Betrieb genommene Notunterkunft bis laengstens Ende Januar 2016 betreiben. Derzeit leben 100 Asylsuchende in der Anlage. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
Anni Lanz findet: Es lohnt sich, nicht zu resignieren und weiterzumachen, auch wenn das politische Migrationsklima bisweilen schwierig ist. (Bild: Symbolbild / Gian Ehrenzeller, Keystone)

Wenn ich eine Sitzung mit den Solinetzen der Deutschschweiz habe, bin ich jeweils froh, in Basel-Stadt zu leben. Hinsichtlich der Migrationspolitik ist der Stadtkanton um ein Mehrfaches toleranter als andere Kantone, und es lohnen sich in Basel die Versuche, politisch etwas zu verbessern, nicht nur als Wählende, sondern auch als Menschenrechtsaktivistin. 

Nicht, dass die Basler*innen die besseren Menschen wären, aber das nahe Beieinander von Stadtmenschen verlangt Akzeptanz von Andersartigem, das nicht nur freuen, sondern auch irritieren kann. Für meine Kolleginnen und Kollegen aus der Ost- und Zentralschweiz, selbst aus Bern und Zürich, ist die Fremdenabwehr bei den Behörden so gefestigt, dass die Freiwilligen oft resignieren. Es gibt dort kaum positive Ansatzpunkte, an die ich hier immerhin anknüpfen kann, auch wenn ich sie manchmal mit der Lupe suchen muss, vor allem im Kanton Baselland oder gar in Solothurn. 

Spielraum der Kantone

Basel-Stadt konnte in der meiner Meinung nach verhockten Schweizer Asylpolitik mehrmals Schrittmacher sein, beispielsweise bei der Aufnahme von vulnerablen Flüchtlingen, die unter dem Schutz des UNO-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) stehen. Oder bei der Verbesserung der Lebensbedingungen von langanwesenden Nothilfeempfangenden. Aber auch bei der Förderung unbegleiteter minderjähriger Geflüchteter (UMA). Aber es gilt auch zu bedenken, dass wir Menschenrechtsaktivist*innen seit Jahrzehnten den Boden für eine tolerantere Kultur bereiten. Es lohnt sich also, nicht zu resignieren und weiterzumachen, auch wenn das politische Migrationsklima bisweilen schwierig ist.

Anni Lanz
Zur Person

Anni Lanz ist selbst ernannte Menschenrechtsaktivistin im Solinetz Basel. Seit fast 40 Jahren setzt sie sich für Geflüchtete und ihre Rechte ein. In ihrer Kolumne versucht sie ihnen eine öffentliche Stimme zu geben.

Das Asylwesen ist fest in der Hand der Bundesbehörden, aber der Sozialbereich oder die Härtefallbewilligungen liegen in der Kompetenz der Kantone. Das heisst, innerhalb der vom Bund vorgegebenen Rahmenbedingungen hat der Kanton ziemlich viel Spielraum. Und den wissen die Basler Behörden zu nutzen, auch wenn wir sie zuweilen darauf hinweisen müssen. So war es auch  bei der Nothilfe für abgewiesene Asylsuchende. Die Bundesgesetzgeber verlangten für diese ein striktes,  unbefristetes Arbeitsverbot, eine besonders demütigende Massnahme. Doch da die Bundes-Legislative die Bildung nicht verboten hat, gewährt der Kanton weiterbildende Einsätze. Das liesse sich allerdings noch weiter entwickeln: Zahlreiche Nothilfeempfangende und Asylsuchende, die lange auf ihre Entschiede warten müssen, möchten im sozialen Bereich tätig sein. Mit ihren Erfahrungen als Geflüchtete könnte der Personalnotstand bei der Asylbetreuung abgefedert werden. Sie bräuchten eine kurze einführende Ausbildung in die rechtlichen und sozialen Voraussetzungen dieses Engagements. Zugleich würde eine solche weiterbildende Tätigkeit ein wichtiges Kriterium für eine Härtefallbewilligung bilden.

Wir Menschenrechtsaktivist*innen bereiten seit Jahrzehnten den Boden für eine tolerantere Kultur.
Anni Lanz, Menschenrechtsaktivistin

Um auf das zu Beginn erwähnte Beispiel der Aufnahme von Kontingentflüchtlingen, die vom UNHCR als Flüchtlinge bereits anerkannt sind, zurückzukommen: Andere europäische Länder haben für sie einen «humanitären Korridor» eingerichtet und auf diese Weise grosszügig Flüchtende aufgenommen. Auch einige Schweizer Städte, unter ihnen Basel, haben sich zu einer solchen zusätzlichen Aufnahme bereit erklärt. Die damalige Justizministerin Keller-Sutter (FDP) trug dieses Resettlementprogramm zunächst mit. Nicht eben grosszügig viele, aber immerhin 1800 Frauen, Kinder und Kranke sollten in den Jahren 2022 und 2023 schweizweit aufgenommen werden. Dann aber, im letzten Herbst, nach unwilligem Grummeln mancherKantone, schob sie ihr Versprechen auf. Ihre Nachfolgerin Elisabeth Baume-Schneider (SP) scheint bereit, das Versprechen ihrer Vorgängerin doch noch zu realisieren. Es liegt nun an Kantonen und Städten, am Entscheid zur Aufnahme von vulnerablen, bereits vom UNHCR anerkannten Flüchtlingen festzuhalten und dadurch Bundesrätin Baume Schneider zu unterstützen. Basel-Stadt hat sich immerhin dafür eingesetzt, dass das Versprechen bloss aufgeschoben, nicht aber fallengelassen wird.

Debatte im Nationalrat

Wir Solinetze.ch hatten vor gut zwei Jahren alle kantonalen Sozialdirektor*innen angefragt, ob sie Hand böten für eine Erlösung der seit Jahren am Hungertuch nagenden Nothilfeenpfangenden aus ihrer misslichen Situation. Der damalige Basler Departementsvorsteher Christoph Brutschin zog in einem Schreiben vom 25. Januar 2021 als einziger Kantonsvertreter eine «neuerliche Humanitäre Aktion als interessanten Vorschlag» in Erwägung. Die anderen Sozialvorsteher wollten rein gar nichts davon wissen. Nun soll der Nationalrat über eine solche Motion für eine Härtefallregelung, eingereicht durch Marianne Streiff-Feller (Die Mitte EVP), am heutigen Mittwoch diskutieren. Es ist davon auszugehen, dass unsere Kantonsvertreter und vielleicht auch diejenigen unseres Nachbarskantons der Motion zustimmen werden. Das Ergebnis dieser Ratsdebatte und das Thema Nothilfe werde ich in einer nächsten Kolumne aufgreifen.

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