Links und extrem uneinig
Der Tag der Arbeit steht bevor. Der 1. Mai sollte für die Linke – dank Demo-Kodex – ein freudiges Fest ohne Gewalt werden. Jetzt steht fest: Über den Kodex gibt es keinen Konsens. Das schadet den linken Anliegen. Ein Kommentar.
Was ist los mit der Basler Linken? Diese Frage drängt sich seit Anfang März bereits zum zweiten Mal auf. Es ist zu beobachten, wie die SP teils mutige, teils kontraproduktive Ideen unterstützt, um sie dann wieder schmallippig zurückzuziehen.
Vor einem Monat, nach der eskalierten Frauen*-Demo am 8. März, preschte SP-Präsidentin Jessica Brandenburger mit einer gemeinsamen Rücktrittsforderung gegen den Polizeikommandanten Martin Roth vor. Von Rücktritt wollte die Fraktion später allerdings nichts mehr wissen, nicht mal kommentieren wollte jemand. Ganz offensichtlich war sich die Partei intern nicht einig, man krebste zurück.
Knapp einen Monat später wartete die SP mit einem Demo-Kodex auf, einem sogenannten Aktionskonsens, mit dem Ausschreitungen und Sachbeschädigungen wie am 1. Mai des vergangenen Jahres verhindert werden sollen. Die Lösung: Gewalttätige Menschen sollen der Demo fernbleiben, gemeint war vor allem der Schwarze Block. Der Konsens, so wurde es von der SP verkündet, werde gestützt vom gesamten 1.-Mai-Komitee, zu dem auch die Gewerkschaften Unia und VPOD gehören.
Jetzt ist dieser angebliche Konsens in sich zusammengefallen: Im SRF-Regionaljournal gibt VPOD-Gewerkschafter und BastA!-Co-Präsident Nicola Goepfert zu Protokoll, dass das SP-Papier nicht von den anderen Gruppierungen abgesegnet worden sei. Sprich: Die SP sei alleine vorgeprescht. Die SP muss sich korrigieren, sagt, die Parteileitung sei davon ausgegangen, es würde einen Konsens geben. Hätte die SP das auch dann noch vor dem 1. Mai kommuniziert, wenn das Regi nicht nachgebohrt hätte? Vielleicht.
Peinlich für die Parteiführung ist es trotzdem, dass die SP jetzt ohne Unterstützung aus dem eigenen Lager dasteht. So mutig ihre Idee auch gewesen sein mag: Ein Erfolg war sie nicht. Was vom Kodex bleibt, ist das Bild einer Basler Linken, die sich nicht einig ist, einer SP die vorprescht und einem Schwarzen Block, der sich nicht angesprochen fühlt. Den Bürgerlichen dürfte das gefallen. Die SVP will am 1. Mai zumindest fleissig Unterschriften für die «Anti-Chaoten- und Freiheits-Initiative» sammeln.
Es hängt ein Schleier über den Basler Linken und es bleibt die Frage, ob der Kodex ein «jetzt-erst-recht»-Gefühl ausgelöst hat.
Was ebenfalls kleben bleibt: Die SP sagte, Gespräche mit dem Schwarzen Block seien nicht möglich gewesen, im Regi heisst es, es habe sehr wohl Treffen mit Exponent*innen der Gruppe gegeben. Was stimmt: Der Schwarze Block hält nichts von der SP, dort gibt es keinen Blumentopf mehr zu gewinnen. Auf Dialog sollte man – wo immer möglich – trotzdem setzen.
Schlimmer ist jedoch: Es hängt ein Schleier über den Basler Linken und es bleibt die Frage, ob der Kodex ein «jetzt-erst-recht»-Gefühl ausgelöst hat. Als der Konsens verkündet wurde, betonte das revolutionäre 1. Mai-Bündnis: «Wessen 1. Mai? Unser 1. Mai!» Es kam nicht gut an, dass die SP entscheiden will, wer an der Demo mitläuft und wer nicht. «Die SP will sich als ordnende Kraft zeigen und macht Stimmung gegen die revolutionäre Linke», heisst es im Statement. Soweit so wenig überraschend.
Das Dilemma der Linken bleibt, dass sie den Schwarzen Block und mögliche Ausschreitungen am 1. Mai wohl nicht los wird. Sie kann nicht für alle Linken reden, wird aber die politische Haue abbekommen.
Vielleicht hilft es, dass es jetzt, knapp vier Tage vor dem 1. Mai, doch keinen Demo-Knigge gibt. Manch kritische Stimme – auch innerhalb der SP – dürfte das besänftigen. Aber den Schwarzen Block, der seit einem Monat mobilisiert und hässig ist auf die SP, wohl kaum. Letztlich wirkt die SP bei ihren Präventionsversuchen so hilflos wie die Polizei und die anderen zuständigen Behörden seit Jahren. Aber immerhin, der Versuch ist anzurechnen. Es bleibt zu hoffen, dass es «friedlich und laut» wird, wie es sich SP und Gewerkschaften wünschen. Doch wenn man sich umhört, denken manche: Es wird klöpfen. Beziehungsweise: Alles bleibt beim Alten.
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