«Der Rheintunnel ist überdimensioniert und unnötig»
Am Dienstag lancierten Befürworter*innen des Rheintunnels ihre Kampagne für dessen Bau. Die junge Generation sass bei der Medienkonferenz nicht am Tisch, das obwohl der Tunnel erst 2040 fertig gestellt wird. Das sagt ein 20-jähriger Klimaaktivist zum Bauprojekt.
Daniel Seiler vom ACS, Martin Dätwyler von der Handelskammer beider Basel, FDP-Nationalrätin Daniela Schneeberger und LDP-Nationalrätin Patricia von Falkenstein, die am Dienstag die Pro-Rheintunnel-Kampagne lancierten sind bei der frühestmöglichen Eröffnung 2040 alle über 70. Wie wirkt das auf Sie als junger Klimaaktivist?
Es geht mir nicht darum, jemandem abzusprechen, sich für etwas einzusetzen. Mir geht es darum, dass bei vielen Themen die junge Generation nicht genug miteinbezogen und unsere Meinung nicht berücksichtigt wird. Man hat es vor 20 Jahren verpasst, das Klima bei Infrastrukturprojekten mitzudenken. Das wäre der zweitletzte Moment gewesen. Jetzt, da sich die Bevölkerung dazu entschieden hat, das Klima konsequent zu schützen, haben wir nicht mehr viel Zeit. Dass klimaschädliche Grossprojekte trotzdem durchgezogen werden sollen, macht mich wütend.
Wie kann Basel ohne Rheintunnel überleben, ohne im Stau zu versinken?
Schon seit Jahrzehnten gibt es das Argument, dass man mit mehr Strassen oder Spuren die Stauproblematik löst. Doch es ist völlig klar, dass Ausbau einfach zu mehr Verkehr führt. Das haben wir jetzt lange genug ausprobiert. Wir müssen den Verkehr reduzieren und die Verkehrspolitik anpassen, wenn wir als Kanton bis 2037 klimaneutral sein wollen. Trotz diesem Ziel einen Tunnel zu eröffnen, der nur zu mehr Autoverkehr führt, ist nicht sinnvoll.
Die Zukunft des Verkehrs ist doch sowieso dekarbonisiert. Wieso also sollte der Verkehr ein Problem für die Klimaneutralität sein?
Der Weg geht über E-Autos, wenn wir dekarbonisieren wollen. Aber alle Autos eins zu eins mit E-Autos zu ersetzen, ist nicht die Lösung. Für das sind E-Autos zu wenig klimafreundlich, wenn man ihren ganzen Zyklus anschaut. Beim Verkehr geht es auch nicht nur um Klimaneutralität, sondern um Flächeneffizienz, es geht darum, Ressourcen zu schonen und die gesundheitsschädigenden Auswirkungen zu reduzieren. Da müssen wir sowieso auf öffentlichen Nahverkehr, Langsamverkehr und Velos umsteigen.
Benjamin Rytz ist 20 Jahre alt und beim Klimastreik aktiv. Nach seinem Zivildienst beginnt er nun ein Praktikum in einem Architekturbüro.
Wie kann man den Autoverkehr denn reduzieren?
Auch hier schafft Ausbau Mehrverkehr. Wenn man bessere Infrastruktur, wie Veloschnellrouten, bringt, dann geht das sehr schnell. Auch braucht es mehr Investitionen auf Bundesebene in den ÖV, statt in Strassen.
Sie haben bisher Lösungen für den Individualverkehr thematisiert. Das Gewerbe kann aber schlecht auf Velos umsteigen.
Viel Güterverkehr ist ja heute schon auf der Schiene. Und wenn wir den Verkehr grundsätzlich reduzieren, dann schaffen wir es, dass ein Teil des Transports trotzdem über die Strassen abgewickelt werden kann. Wir müssen dafür keinen Rheintunnel bauen, der erst eröffnet wird, nachdem wir schon klimaneutral sein müssen. Das ist absurd.
Die Befürworter*innen des Rheintunnels lancieren ihre Kampagne für den Bau des Tunnels und den Erhalt der Osttangente. Um Bevölkerung und Gewerbe zu entlasten, brauche es beides, ist das Komitee überzeugt.
Basel-Stadt entscheidet nicht alleine über den Rheintunnel und der Bund hat kein so ambitioniertes Netto-Null-Ziel.
Genau. In Basel ist die Ausgangslage jetzt eine andere, deswegen müssen wir über das Projekt reden. Der Regierungsrat ist in der Pflicht, sich jetzt auf anderen Ebenen dafür einzusetzen, dass sich die Rahmenbedingungen ändern. Eben weil wir keine Insel sind und zusammenarbeiten müssen.
Wie stehen Sie zur Forderung, den Rheintunnel zu bauen und dafür die Osttangente zurückzubauen?
Andere Vorschläge sind im Vergleich zur schlechtesten Möglichkeit immer besser. Der Rheintunnel ist trotzdem überdimensioniert und unnötig. Wenn man die Osttangente zurückbaut, ist das natürlich von Vorteil. Wir sind aber der Meinung, dass der Rheintunnel als Ganzes überdacht werden muss.
Wäre es nicht schlauer, einen Kompromiss zu befürworten, um die Bevölkerung hinter sich zu bringen?
Ich verstehe alle Leute, die tagtäglich von dem vielen Verkehr betroffen sind. Das ist auch eine gesundheitliche Belastung. Ich bin der Erste, der sagt, wir müssen das in den Griff bekommen. Aber den Autoverkehr bekommen wir einfach nicht in den Griff, indem wir mehrere Milliarden in einen neuen Autobahntunnel buttern.
Stephan Fluri, der Präsident des Quartiervereins Breite-Lehenmatt, und Hans-Peter Ebneter, Vorstandsmitglied NQV Oberes Kleinbasel, votierten für einen Rheintunnel. Wie kann die Quartierbevölkerung in Zukunft entlastet werden?
Eben mit einer Verkehrsreduktion. Es gibt aber nicht nur die Quartiervereine, sondern auch viele Menschen, die die Petition gegen den Rheintunnel unterschrieben haben und in diesen Quartieren wohnen. Mit dem Bauprojekt würden die Dreirosenmatte und Freizeitflächen in Birsfelden über 10 Jahre gesperrt. Für viele Menschen, gerade für junge, wäre das einschneidend, da Basel im Schweizer Vergleich sowieso schon wenig Grünraum hat.
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