Basel braucht ein Wachstumsprogramm

Wachstum kann Probleme bringen, aber ganz darauf zu verzichten, wäre falsch, schreibt die Präsidentin der Jungen SVP Basel-Stadt Demi Hablützel in ihrer Kolumne. Unsere Gesellschaft funktioniere wie ein Fahrrad: Steht es still, fällt es hin.

Demi Hablützel Kolumne
Demi Hablützel: «Basel braucht ein Programm zur Belebung der Sinne und des gegenseitigen Respekts.»

Der Wahlkampf für die Nationalratswahlen beginnt. Die Bühne gehört nun Themen und Personen. Im Schatten dieser Aufmerksamkeit lauert eine Gefahr: die unaufhörlichen Wiederholungen, die beinahe ihren eigenen Klang finden. Wie kann ich mich dem Sog dieser Redundanzen entziehen? Zumindest teilweise? Meine Gedanken kreisen um ein Thema, dem allgegenwärtigen, eigentlich: Wachstum. 

Ich bin wirtschaftsliberal. Bürgerlich. Konservativ. Bin sicher, dass kompromisslose Sicherheit, demokratisch kreiertes und auch umgesetztes Recht und Gesetz, beste Bildung und überdurchschnittlicher Fleiss Grundvoraussetzungen sind, um einem Land, seinem Gemeinwesen und all seinen Bürgerinnen und Bürgern, einen Lebensstandard zu garantieren, den wir gemeinhin als westlichen kennen. Mit Grund gehört die Schweiz zu den stabilsten und produktivsten Volkswirtschaften der Welt.

Demi Hablützel
Die Jungen haben das Wort

Was hat der politische Nachwuchs zu sagen? Im Wahljahr überlassen wir regelmässig den Jungparteien den Platz. Heute hat Demi Hablützel das Wort. Die Präsidentin der Jungen SVP Basel-Stadt kandidiert im Herbst auf der Liste der JSVP für den Nationalrat. Diese setzen sich «für eine sichere und unabhängige Schweiz, restriktive Migrationspolitik, einen attraktiven Wirtschaftsstandort und gegen den aufkommenden Gender-Schwachsinn in der Gesellschaft» ein. Hablützel lebt in Basel und studiert Jura.

Doch die Zeiten ändern sich. Was für meine Eltern und erst recht für meine Grosseltern noch selbstverständlich war, nämlich fünf bis sechs Tage in der Woche zu arbeiten, 50 Stunden mindestens, um sich dann in drei bis vier Wochen Ferien zu erholen, liest sich heute wie eine Provokation an das linke politische Spektrum. Noch mehr, wenn ich an Mut, Leidenschaft und Innovationskraft denke, die Unternehmerinnen und Unternehmer mit 7-Tage-Wochen und 80 bis 100 Wochenstunden zeigen. Freiwillig natürlich. Und darum so wertvoll. Für uns alle!

Heute aber diskutieren wir über links-ideologische Forderungen, über die 35-und-noch-weniger-Stunden-Woche, bei gleichem Lohn. Auf Stunden und Minuten fixierte Work-Life-Balance als Heilsbringerin für unser Land? Meine Güte. 

Eine Provokation von mir? Jein. Denn es gibt ihn ja tatsächlich, den Grenznutzen allen Wachstums. Dieses Wachstum, an dem wir vieles festmachen, wenn es um Perspektiven geht, um wirtschaftliche und gesellschaftliche. Und wie ist es nun mit der philosophischen Sinnfrage, neudeutsch «Purpose» genannt?

«Immer zahlreicher, länger und mit gesünderer Physis zu leben – ist das wirklich gefühlte Lebensqualität, wenn wir schliesslich doch siech und dement verdämmern in überfüllten Alters- und Pflegeheimen?»

von Demi Hablützel

Beispiel Gesundheit: Immer grössere Investitionen führen zu stets kleineren Erfolgen. Wenige (relativ gesehen) profitieren von viel. Heute verschlingt die Entwicklung eines Medikaments Hunderte von Millionen, Milliarden sind nicht die Ausnahme. Folge: Die Kosten explodieren für alle, der Nutzen schrumpft.

Die unfaire, schmerzende, aber eben philosophische Frage lautet: Immer zahlreicher, länger und mit gesünderer Physis zu leben – ist das wirklich gefühlte Lebensqualität, wenn wir schliesslich doch siech und dement verdämmern in überfüllten Alters- und Pflegeheimen? Harte Kost, ich weiss. Aber ich frage nur.

Beispiel Tourismus: Der ist permanent auf dem Wachstumstrip. Der Berg per se als Sportgerät, als Kampfbahn, free und downhill natürlich. Mit und ohne Schnee. In jeder Hütte ein DJ, auf dem Piz Nair spielt ein Bläserquartett Beethoven, auf den Corvatsch wird ein Flügel gehievt, definitiv verstimmt in dieser Höhe.

Kaum einer hört dies, weil das Klirren der Gläser eh lauter ist. Hauptsache aber: Klassik auf Eis. Das gibt Zulauf, scheint spektakulär. Doch die Attraktion der Berge, die majestätische Stille, das uns Städtern Fremde und Mystische ist weg und dahin.

Also besser kein Wachstum? 

Wäre komplett falsch. Denn unsere Gesellschaft funktioniert wie ein Fahrrad: Steht es still, fällt es hin. Umso mehr der Mensch von Natur und Geist aus flatterhaft ist (im besten Sinne); immer unruhig, immer suchend, immer wieder (er)findend. Zum Glück. 

Also doch Wachstum? 

Bloss welches? Seit Green Tech ist die Definition für gesundes Wachstum eine andere: Nachhaltiges Wachstum. Wachstum ohne Zerstörung. Geht objektiv nicht auf und braucht definitiv Kompromisse. Die aktuell aber nahezu unmöglich sind in der oft zu theatralisch geführten Debatten zwischen den links-grünen und den bürgerlichen Parteien. 

Ich nehme ihn aber gerne auf, den Begriff «nachhaltig», interpretiere ihn für mich als Notwendigkeit der Verknappung, quasi als Wachstum nach innen. Dazu gehört sicher die Verdichtung des Genusses (weniger ist mehr, das erste Glas Wein besser als das fünfte …) und ein neues inneres, permanentes Bewusstsein: Respekt vor anderen. Gerade mit hellem Blick auf das Miteinander, eben gerade in Basel. 

Und da wäre eben der Verzicht, sich immer, immer mehr und überall zu allem zu äussern – respektlos, destruktiv, beleidigend, grämig, zitronig – ein erster und grossartiger Schritt. Ein nachhaltiger.

«Uns scheint jede Leichtigkeit des Lebens, jede positive Zuversicht, jede Toleranz für Andersdenkende und ja, auch der bekannte Basler Humor und Charme abhandengekommen zu sein.»

von Demi Hablützel

Ich mag Basel, sehr sogar. Die Stadt. Das Miteinander, das politische und gesellschaftliche, kommt mir in diesen Zeiten allerdings vor wie ein «Testimonial» für Negativismus. Uns scheint jede Leichtigkeit des Lebens, jede positive Zuversicht, jede Toleranz für Andersdenkende und ja, auch der bekannte Basler Humor und Charme (den ich, 25, nur von Erzählungen kenne …) abhandengekommen zu sein.

Und nein, dies hat null und nichts mit den realen und drängenden Problemen in unserer Stadt zu tun. Sondern mit unserer Einstellung dazu. Und mit der unschönen Form, wie wir nach Lösungen suchen: gegeneinander statt miteinander. Und das in einem Land, in einer Stadt mit einer weltweit nahezu einzigartigen Lebensqualität. Wir vergessen oft. Und vieles! 

Der Purpose (😉) meiner Kolumne? Basel braucht ein Wachstumsprogramm! Ein Programm zur Belebung der Sinne und des gegenseitigen Respekts!

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