Demonstrant*innen spielen Katz-und-Maus
Turbulenter Samstag in Basel: Die Polizei hat versucht, das Demonstrationsverbot rigoros durchzusetzen. Es kam zu Scharmützeln, Personenkontrollen und Gummischroteinsätzen.
Sie waren gross angekündigt. Erstens: die Trinationale Demonstration von den Freunden der Verfassung, Mass-Voll und den Freiheitstrychlern und zweitens: die Gegendemonstration von Baselnazifrei, die sich dem «Rechten Aufmarsch» entgegenstellen wollte. Die Dreiländerdemo war ursprünglich bewilligt, die Gegendemonstration hatte kein Bewilligungsgesuch gestellt. Am Ende waren beide Demonstrationen und alle weiteren aber verboten. Am Mittwoch verhängte die Polizei in Absprache mit Polizeidirektorin Stephanie Eymann ein absolutes Demonstrationsverbot.
Am Wochenende dürfen in Basel keine Demonstrationen stattfinden. Am Donnerstag lieferte die Polizei genauere Gründe zu ihrem Entscheid. Damit geben sich nicht alle zufrieden.
Dieses Verbot hat die Polizei am Samstag rigoros durchgesetzt. Schon am Vormittag finden in der Umgebung des St. Johanns-Parks und des Horburgparks, den beiden angekündigten Treffpunkten der «Trinationalen Demonstration», Personenkontrollen statt. Um die Parks stehen an allen Ecken Polizist*innen, manche angeschrieben mit Dialogteam, manche in Vollmontur. Vereinzelt sitzen kleine Personengrüppchen auf den Bänken, viele tragen schwarze Jacken und Jeans. Ein Paar in bunter Kleidung fällt auf. Sie wollen offenbar zur Dreiländerdemo, er sagt: «Wollen wir nicht noch hier warten und schauen, ob noch jemand kommt?» Dann brechen sie doch auf in Richtung Deutschland.
Im Rückblick muss man sagen: Das war die Ruhe vor dem Sturm. Was danach folgt, ist vor allem eines: unübersichtlich. Polizist*innen rennen zu den Autos, fahren mit Blaulicht Richtung Voltaplatz. Ein Nazifrei-Demonstrationszug rennt mit Transparenten über die Dreirosenbrücke, Polizei fährt mit Blaulicht hinterher oder verfolgt die Aktivist*innen zu Fuss. Kurze Zeit später setzt die Polizei einen Teil der mit Schutzbrillen, Kapuzen und Hygienemasken vermummten Demonstrant*innen unter Einsatz von Tränengas, Pfefferspray und Gummischrot auf der Dreirosenanlage fest.
Der Park füllt sich nach kurzer Zeit mit immer mehr Polizist*innen und Personen, die sich an die Polizeiline vor dem Kessel stellen und sich mit den Eingekesselten via Zurufen solidarisieren: «Ihr seid nicht allein», rufen sie. Eine Person schwingt eine Fahne mit der Botschaft des Tages: «Basel nazifrei». Sowohl direkt neben dem Polizeikessel als auch ausserhalb werden Personen verarztet, manche waschen sich mit Wasser den Pfefferspray aus den Augen. Als am Rheinufer ein Wasserwerfer auffährt, wird er umringt von Protestierenden, etwa 10 Personen stellen sich vor ihn und verwenden Müllcontainer und Metall-Absperrungen, um ihn zu blockieren, das Wasser treibt die Menschen auseinander.
Während auf der Dreirosenanlage langsam Einzelne aus dem Polizeikessel Personenkontrollen unterzogen werden, beginnt in den Kleinbasler Strassen ein Katz-und-Maus-Spiel. Via «Liveticker», einem Telegramchat von Baselnazifrei, werden neue Demoorte bekanntgegeben. Johanniterbrücke, Claramatte, Claraplatz. An verschiedenen Orten kommt es zu Scharmützeln mit der Polizei. Kleine Gruppen ziehen durch die Quartierstrassen, immer wieder hört man Sirenen.
Die Polizei versucht – wie übrigens auch die Journalist*innen – mit den Demonstrant*innen Schritt zu halten, was nicht folgenlos bleibt. Beim Alima-Supermarkt steht ein Fahrzeug mit Unfallschaden am Heck. «Das war der Wasserwerfer», sagt ein Passant, die Polizei habe sich aber schon darum gekümmert. Neben der Claramatte ist ein Polizeifahrzeug ausserdem in eine Hecke gefahren. Polizeisprecher Stefan Schmitt bestätigt die beiden Fälle auf Anfrage. Die Ursachen würden abgeklärt, sagt er.
Von den Personen aus dem Umfeld der «Trinationalen Demonstration», die «Baselnazifrei» überhaupt erst auf den Plan gerufen haben, sieht man lange Zeit überhaupt nichts auf den Strassen. Doch dann fliegen Tomaten und rosarote Nazifrei-Ballons von der Johanniterbrücke, begleitet von Rufen wie: «Verpissed euch!» Unter der Brücke und auf der Treppe hinunter zum Rheinbord stehen Polizist*innen, kurze Zeit später werden verschiedene Mitglieder von Mass-Voll, darunter auch Nationalratskandidat Nicolas Rimoldi, von der Polizei abgeführt – mit von Kabelbindern zusammengebundenen Händen.
Sowohl von der Gegendemonstration als auch von der ursprünglich bewilligten Demonstration habe die Kantonspolizei am Nachmittag Personen zwecks Personenkontrollen angehalten, sagt Kapo-Sprecher Stefan Schmitt. Zur Szene mit Rimoldi erklärt er, dass es sich hierbei nicht um eine Festnahme, sondern um eine Personenkontrolle gehandelt habe. Dazu erklärt er: «Eine Personenkontrolle kann vor Ort stattfinden, wenn das nicht möglich ist, kann sie auch auf einem Polizeiposten stattfinden.»
Danach scheint sich die allgemeine Lage in den Kleinbasler Quartieren zu beruhigen. Weniger vorbeisausende Polizeiautos, weniger Demonstrant*innen, die in schnellem Schritt zum nächsten Ort marschieren. Die zeitweise unterbrochenen oder verspäteten Tramlinien finden langsam wieder zurück in den gewohnten Takt, und mit ihnen der Samstagnachmittag im Kleinbasel.
Derweil wird die Lage in Weil am Rhein angespannter. Vor dem Rheincenter versammeln sich Gegendemonstrant*innen zu der seit 14 Uhr laufenden «Trinationalen Demonstration». Die deutsche Polizei hat die bewilligte Kundgebung mit Zäunen gesichert, und stellt sich zu den vermummten Demonstrant*innen von «Baselnazifrei».
Innerhalb der grünen Absperrungen scheint die Stimmung ausgelassen. Zwischen Musikperformances und Reden dürfen auch die Freiheitstrychler ihre Glocken schwingen. Unter den Impfgegner*innen und mit Stickern angeschriebenen «Friedensschwurblern» sieht man auch mindestens einen bekannten Vertreter der rechtsextremen Jungen Tat. In der Rede der AfD-Abgeordneten Christina Baum geht es um «Bevölkerungsaustausch», ein späterer Redner will den «globalen Eliten, die Krieg gegen die Menschen führen», Widerstand leisten.
Der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Freiburg, Thomas Batzel, zählt circa 400 Kundgebungsteilnehmer*innen und circa 100 Gegendemonstrat*innen. Bei einigen der Letzteren werden Personalien aufgenommen, weil «eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit im Raum stand». Mitteleinsätze sind ihm nicht bekannt. Um 17:30 Uhr lösen sich sowohl Kundgebung wie Gegendemonstration unter Beobachtung der Polizei auf, die dafür sorgt, dass die beiden Gruppen sich nicht zu nah kommen.
Während das Basler Demoverbot dazu führte, dass die Freunde der Verfassung heute ausschliesslich in Deutschland demonstrieren durften, hat die hiesige Polizei Verstärkung aus anderen Kantonen bekommen. Auf Nachfrage sagt Schmitt, die Basler Polizei sei heute durch das Polizeikonkordat Nordwestschweiz und auch durch Zürich unterstützt worden, denn: «Wenn die eigenen personellen Mittel nicht ausreichen, werden Polizeikorps von anderen unterstützt.»
Auf die Frage, ob die Polizei heute das Ziel verfolgt habe, das Demonstrationsverbot rigoros durchzusetzen, antwortet Schmitt: «Die Kantonspolizei Basel hat den Auftrag, für Sicherheit und Ordnung zu sorgen. In diesem Zusammenhang haben wir das Demonstrationsverbot durchzusetzen versucht.»
Im Sinne der Verhältnismässigkeit hätte die Polizei aber auch die Möglichkeit, eine illegale Demonstration ziehen zu lassen oder in andere Bahnen zu lenken. Dies sagte kürzlich Staatsrechtler Markus Schefer gegenüber Bajour. Was hat also dazu geführt, dass die Polizei heute trotzdem schon früh mit Polizeikessel und Mitteleinsatz reagierte? «Dazu machen wir im konkreten Fall keine Aussage», sagt der Polizeisprecher.
Mitarbeit: Jeanne Wenger
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