«Grüne und SP sind nur Freunde, solange sie Interessen teilen»
Die Bürgerlichen haben einen Grund zum Feiern: Die Nachfolge-Frage für Beat Jans treibt einen Keil zwischen die SP und die Grünen. Dass kann nicht gut gehen, findet unsere Bajour-Community.
Eigentlich hätte die Stimmung bei der Delegiertenversammlung der Basler SP gut sein sollen: Eva Herzog ist neu Ständeratspräsidentin, Beat Jans gewählter Bundesrat und mit Edibe Gölgeli und dem letztlich nominierten Mustafa Atici als Kandidat*innen für Jans’ Nachfolge in der Basler Regierung hat man die Chance, die Sichtbarkeit der migrantischen Schweiz zu stärken.
Doch trotz der Versuche von Parteipräsidentin Lisa Mathys, das als Grund zur Freude hervorzustreichen – der Abend wurde von Magengrummeln begleitet. Das Bauchgefühl bei vielen: An diesem Morgen ist das rotgrüne Bündnis zerbrochen. Denn der Vorstand der Grünen hat im Alleingang beschlossen, mit Jérôme Thiriet einen eigenen Kandidaten für die Jans-Nachfolge ins Spiel zu bringen (Bajour berichtete).
Das verärgert alle anderen linken Parteien. Auch die Basta, die sich ungewohnt brav zurückhält und dafür sogar die Ambitionen ihres eigenen Shootingstars Sibel Arslan drosselt, ist irritiert, wie Oliver Bolliger bei unserer Frage des Tages zum Thema zeigt: «Das zerschlägt nur unnötig Geschirr im magenta-rot-grünen Lager und erhöht zudem die Chancen der Bürgerlichen auf einen Sitzgewinn im März.»
Warum dieser Move, der die linken Parteien vor einem intensiven Wahljahr zu Grabenkämpfen zwingt? Kommunikativ wurde zwar auf das übergeordnete Ziel einer sozial-grünen Mehrheit verwiesen – aber eben nicht auf eine rotgrüne. Das kann sich klar als Abgrenzung zur SP lesen lassen – von der Basta hat man sich ja schon getrennt. In Anbetracht der Wahlergebnisse ist es eine «Grüne Flucht nach vorne» wie GLPler Johannes Sieber schreibt.
Dass die Grünen auch Richtung bürgerliche Wähler*innen schielen, macht Vorstandsmitglied Malcolm Elmiger mit seiner Antwort deutlich. Das stösst einigen SPler*innen sauer auf. Auch dass Thiriet sich bei seiner Kandidatur als «Basler durch und durch» vorstellte, bekommen einige Sozialdemokrat*innen in den falschen Hals. Bei der Delegiertenversammlung nehmen es einige als rassistische Spitze gegen die SP-Kandidat*innen war, die vom Grünen implizit als «keine richtigen Basler*innen» geframed würden.
Einige Kommentator*innen bei der Frage des Tages verstehen aber auch nicht ganz, weshalb die Aufregung nun so gross ist. So schreibt Mathis Reichel: «Grüne und SP sind keine Freunde, sie tun nur so, solange sie Interessen teilen. Schwinden diese Interessen, schwinden ebenso die blauäugigen Freundschaften.» Und Dan Wiener schreibt: «Wenn die SP die Grünen jetzt kritisiert, erlaube ich mir eine Frage: Hat die SP sich mit den Grünen im Vorfeld ihrer Kandidatensuche abgestimmt?»
Ist es denn überhaupt die SP, die so unwidersprochen den linken Anspruch auf diesen Sitz hat. Ist das Präsidialdepartement nicht eigentlich ein Grünen-Departement? Seit der Einführung des Modells war es von Guy Morin und Elisabeth Ackermann besetzt, bevor es an Beat Jans und zur SP ging – «er sprang nach dem Rückzug der Grünen-Kandidatin in die Bresche», sagt SP-Präsidentin Lisa Mathys auf Anfrage von Bajour. Sie erinnert daran, dass die SP bereits davor drei Sitze in der Regierung hatte – der Sitz der Grünen ging nach der Wahl 2020 an Esther Keller und die Grünliberalen, nicht zur SP.
Was die SP nicht vergessen hat: Um die rotgrüne Mehrheit zu erhalten, kämpften die Sozialdemokrat*innen mit aller Macht gegen den Sitzverlust von Ackermann. Wer sich unter SPler*innen umhört, merkt: Der Alleingang des Grünen-Vorstands macht nicht gerade Lust, mit demselben Eifer für einen Grünen-Sitz in der Regierung bei den Gesamterneuerungswahlen im Oktober 2024 zu kämpfen.
Wenn sich zwei Linke streiten, freuen sich die Bürgis. Das sehen nicht nur dreiviertel der Abstimmenden bei der Frage des Tages so, sondern bestätigen Bürgerliche wie der Mitte-Grossrat Daniel Albietz gleich selbst. Die FDP will ihre Strategie für die Ersatzwahlen am 3. März 2024 am Freitag vortragen.
Ist die Grünen-Kandidatur ein schlauer Schachzug, um die Grünen wieder in der Regierung zu platzieren? Oder gefährdet es einen weiteren linken Sitz im Regierungsrat, wenn die linken Stimmen sich zwischen SP-Atici und Grünen-Thiriet aufteilen? Die Grünen argumentieren, dass mehr linke Wähler*innen mobilisiert werden würden, wenn die Grünen mit einer eigenen Kandidatur an den Start gehen.