Familienstiftung als «Selbstbedienungsladen»
Familienstiftungen stehen im Gegensatz zum Erbrecht, das mit seinen Pflichtteilen auch die Aufspaltung und Umverteilung von Vermögen bezweckt. Ein Steuerersparnis-Vehikel sind sie nicht. Eine Medien-Selbstkritik.
In meinem Wochenkommentar vom 1. März 2024 schrieb ich über Familienstiftungen und warum ich es für eine schlechte Idee halte, wenn diese nun liberalisiert werden. Aktuell weichen viele Schweizer*innen z. B. nach Liechtenstein aus, um dort eine Familienstiftung anzulegen. Das wollen Bürgerliche rund um die FDP verhindern bzw reduzieren, indem mit einem neuen Gesetz das Familienstiftungsbusiness vermehrt in die Schweiz geholt wird.
Leider habe ich in meinem Kommentar eine falsche Einschätzung geteilt, nämlich dass die Familienstiftung, wie die Schweizer FDP sie anstrebt, ein Mittel zur Steueroptimierung und daher ein Steuergeschenk für Reiche sei. Die entsprechenden Passagen habe ich – nach Gesprächen mit drei Expert*innen im Steuer- und Privatrecht – korrigiert.
Bajour war nicht das einzige Medium, das entsprechend berichtet hat, in einem Artikel des Tagesanzeiger ist bis heute etwa von «Steueroptimierung für Superreiche» die Rede. Was unseren Fehler natürlich nicht besser macht oder entschuldigt.
Ein Steuergeschenk oder nicht?
Und noch ein Punkt, der wichtig ist: Familienstiftungen gibt es bereits heute in der Schweiz, sie sind nicht generell verboten, sondern nur unter eingeschränkten Bedingungen zulässig. Bei einer Familienstiftung ist der Kreis der Begünstigten auf die eigene Familie begrenzt, man könnte es als erweitertes Erbe verstehen. Reine Unterhaltsstiftungen sind allerdings nicht erlaubt. Das sind Stiftungen, bei denen es darum geht, mit regelmässigen Zahlungen den allgemeinen Lebensunterhalt von bestimmten Familienmitgliedern zu finanzieren.
Und wie ist es mit den Steuern? Bringt die Liberalisierung der Familienstiftung steuerliche Vorteile? «Bei der Besteuerung der Familienstiftung würde sich grundsätzlich nichts ändern. Das Vermögen und die Erträge der Stiftung würden in der Regel weiterhin der Stifterin oder dem Stifter zugerechnet werden», sagt Luzius Cavelti, Experte für Steuerrecht an der Uni Basel. «Die politische Sprengkraft liegt denn auch meines Erachtens weniger beim Steuerrecht als beim Erb- und Familienrecht und der Verstetigung der Vermögenskonzentration.»
«Die gesetzliche Garantie von Pflichtteilen hängt auch mit dem Gedanken zusammen, dass Vermögen nicht über Generationen für Familien konzentriert sein soll.»Roland Fankhauser und Anna Bleichenbacher, Uni Basel
So formulierte ich es auch in meinem Kommentar: «Mit einer Familienstiftung würde sich das Vermögen noch mehr konzentrieren.» Wie ordnen das Expert*innen aus dem Privatrecht ein? Für eine Einschätzung aus privatrechtlicher Sicht, kontaktierte ich Roland Fankhauser und Anna Bleichenbacher, beide Uni Basel. Sie pflichten Luzius Cavelti bei: «Es geht bei dem aktuellen Vorstoss darum, die derzeit vom Gesetz gesteckten Grenzen der Familienstiftung aufzuheben. Die eingeschränkte Zulässigkeit von Familienstiftungen sind aber nicht sinnfrei, sondern dienen letztlich auch dazu, Vermögenskonzentrationen und -perpetuierungen über Generationen zu Gunsten bestimmter Familien zu verhindern.»
Grenzenlose Familienstiftungen begünstigen genau das, was Pflichtteile verhindern zu versuchen.(*) «Es gibt im Erbrecht Pflichtteile, das heisst, ich habe als Nachkomme einen garantierten Anspruch. Das reduziert einerseits die Möglichkeit des Erblassers, seine Nachkommen ungleich zu behandeln. Und andererseits führt das auch zu einer gewollten Vermögenszersplitterung. Die gesetzliche Garantie von Pflichtteilen hängt also auch mit dem Gedanken zusammen, dass Vermögen nicht über Generationen für Familien konzentriert sein soll», erklären die Privatrechtlich*innen Fankhauser und Bleichenbacher.
Geschützt vor Gläubiger*innen
Bereits im Juli 2022 warnte Hans Michael Riemer, em. Professor für Privatrecht an der Universität Zürich, in der NZZ, würden die aktuellen Zweckbeschränkungen der Familienstiftung aufgehoben, würde die Familienstiftung «zum ‹Selbstbedienungsladen› der Familienangehörigen (samt Stifter) und würde damit faktisch Treuhandverhältnissen angenähert. Das wiederum könnte zur Folge haben, dass sich die Begünstigten der Stiftung intern am Stiftungsvermögen frei bedienen, extern – gegenüber Gläubigern samt Fiskus – dagegen auf die ‹Selbständigkeit› der juristischen Person berufen würden.»
Was Riemer meint: Das Geld in der Familienstiftung könnte so z. B. im Falle einer Insolvenz dem Zugriff von Gläubiger*innen entzogen werden, Geld könnte quasi beiseitegeschafft werden.
«Eine Liberalisierung der Familienstiftung würde grösstenteils nur Vermögende betreffen, eine Rechtsänderung für Privilegierte.»Roland Fankhauser und Anna Bleichenbacher, Uni Basel
Ein anderes Argument, das ich in meinem Kommentar brachte: Von der Liberalisierung der Familienstiftung würden nur einige sehr reiche Familien profitieren, es handelt sich dabei also um Klientelpolitik. So sehen es auch Fankhauser und Bleichenbacher: «Eine Liberalisierung der Familienstiftung würde grösstenteils nur Vermögende betreffen, eine Rechtsänderung für Privilegierte.»
Auch aus rechtlichen Gründen haben sie Zweifel, schliesslich habe der Gesetzgeber zu begründen, «aus welchen übergeordneten Interessen er Sondererbrecht nur für wenige schaffen möchte. Auf der Hand liegt dies jedenfalls nicht, zumal auch die sonstigen Konzeptionen insbesondere des Erbrechts darauf hinwirken, Vermögenskonzentrationen nicht Vorschub zu leisten.» Das Erbschaftsvermögen sei bereits jetzt sehr ungleich verteilt, weshalb nicht einzusehen sei, «dies mit sachlich nicht zwingenden Revisionen noch weiter zu akzentuieren».
Ich hoffe, mit diesen Richtigstellungen und Ergänzungen für mehr Klarheit gesorgt zu haben und bitte um Entschuldigung für die verkürzte Darstellung im Kommentar.
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*In einer früheren Version hiess es an dieser, Familienstiftungen würden helfen, über den Pflichtteil hinauszugehen. So ist es nicht, Familienstiftungen, die grenzenlos angelegt sind, begünstigen genau das, was Pflichtteile verhindern zu versuchen, nämlich Vermögenskonzentration zu verhindern.
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