Alte Bekannte und neue Gesichter

Zwei Alt-Grossratspräsident*innen sind wieder im Parlament, die SP «jusofiziert» ihre Fraktion, die Bürgerlichen können prominente Mitglieder in den Grossen Rat bringen: Das sind die neuen Parlamentarier*innen.

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Neun von 100 sind neu. (Bild: zvg/Collage: Bajour)

Viele Verschiebungen hat es bei den Basler Grossratswahlen nicht gegeben – da ein Sitz mehr, da einer weniger. Wenn man genauer hinschaut, sieht man, dass mit den Neuen (und Rückkehrer*innen) das Parlament doch eine Fingerbreite nach links rückt. 

Welche Rolle die Neugewählten im Parlament einnehmen werden, wird sich noch zeigen. Neue Köpfe braucht es jedenfalls in der Umwelt- und Verkehrskommission, wo es die meisten Abgänge gab: die abgewählten Lukas Bollack (GLP), Beat Braun-Gallacchi (FDP), Daniel Sägesser (SP) und Raphael Fuhrer (Grüne) sowie Semseddin Yilmaz (SP), der freiwillig nicht zur Wiederwahl antrat. 

Darüber hinaus sind nun SPler René Brigger (freiwillig nicht mehr angetreten), Mitte-Politikerin Pasqualine Gallacchi (Amtszeitbeschränkung), sowie die LDPler André Auderset (Amtszeitbeschränkung) und Gabriel Nigon (abgewählt) nicht mehr Teil des Parlaments.

Block Laetitia
Die SVP kann ihre Vizepräsidentin im Parlament platzieren. (Bild: Dominik Plüss)

Laetitia Block, die streitlustige Juristin (SVP)

Die SVP konnte erfolgreich den Nachteil der LDP im Kleinbasel ausspielen, dass Stephanie Eymann und André Auderset nicht mehr auf der Grossratsliste standen. Entsprechend eroberte Laetitia Block einen Sitz und ist als Vizepräsidentin der SVP nun auch im Parlament vertreten. Als ehemalige Präsidentin der Jungpartei wird die 32-Jährige schon länger von ihrer Partei aufgebaut.

Block eckt gern an. Sie schrieb einmal auf X, dass ihre Partei «selbstverständlich» rechter als die AfD sei. Man darf von ihr als Grossrätin erwarten, dass sie Grundsatzdebatten sucht und das SVP-Parteibüchlein sehr deutlich durchscheinen wird. Sie arbeitet als Juristin und berät Firmen im Arbeitsrecht (unter anderem in einer Ratgeber-Rubrik bei Prime News).

Johannes Barth
Auch die FDP hat jetzt ihren Präsidenten Johannes Barth im Grossen Rat. (Bild: Bürger*innengemeinderat Basel)

Johannes Barth, der Boulevard-Banker (FDP)

Es war immer ein Makel auf dem sonst perfekt sitzenden Anzug von FDP-Parteipräsident Johannes Barth: Dass er nicht im Grossen Rat sitzt und so auch im Parlament mitmischen kann. Nun hat die FDP im Westen der GLP einen Sitz klauen können, davon profitiert Barth. Da seine Partei im Kleinbasel aber einen Sitz an die EVP verlor, ist es ein Nullsummenspiel.

Der 54-jährige Barth erlebt mit der FDP seinen zweiten Frühling: Mit der Privatbank Heritage (ehemals Sallfort) lief es nicht so richtig – seine Karriere als «Gala-Banker» (der Spitzname verweist auf seine Boulevard-Hochzeit mit Sängerin Nubya) sei stets holprig gewesen, schreibt Inside Paradeplatz über Barth, der aus einer Hopfenhandel-Dynastie stammt. Er wurde durch die Topverdiener*innen-Initiative der Juso politisiert und will nun das Unternehmer*innentum im Parlament vertreten.

Der neue Grossratspraesident Remo Gallacchi (CVP) bei einem Fototermin auf der Pfalz in Basel am Mittwoch, 10. Januar 2018. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
Alt-Grossratspräsident Remo Gallacchi kehrt für die Mitte zurück. (Bild: © KEYSTONE / GEORGIOS KEFALAS)

Remo Gallacchi, das Erbe der CVP (Mitte)

Die Partei mag inzwischen Mitte heissen, aber Remo Gallacchi ist definitiv noch ein CVPler vom alten Schlag: Kirche, Zünfte, Vereine, Fasnacht («die Antygge»). Der Sohn des bekannten CVP-Politikers Enrico Gallacchi beerbt die eigene Cousine Pasqualine, die nicht mehr für das Parlament antrat. Den Grossen Rat dürfte der 58-Jährige noch gut kennen: Von 2008 bis 2019 war er selbst Parlamentarier; fünf Jahre als CVP-Fraktionspräsident, 2018 als Grossratspräsident sogar als höchster Basler.

In seinem Präsidiumsjahr machte Gallacchi national Schlagzeilen: Er verwies Grünen-Grossrätin Lea Steinle des Saales, weil sie ihr Neugeborenes in den Grossratssaal mitnahm, um abzustimmen. Das löste eine Debatte über das Thema Vereinbarkeit aus. Darüber hinaus ist er im Parlament nicht sonderlich aufgefallen, bilanzierte die Tageswoche. Einige Vorstösse konnte er dennoch vorweisen, er hat sich unter anderem mit gewerbefreundlicher Politik profiliert.

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Michael Graber vertritt die Kleinbasler EVP. (Bild: zvg)

Michael Graber, der umweltbewusste Lehrer (EVP)

Wer Michael Graber googelt, muss ein «EVP» ergänzen, denn es gibt bereits zwei bekanntere Personen mit demselben Namen: Den Walliser SVP-Nationalrat, der sich im Sommer ein Handgemenge mit der Bundespolizei lieferte. Und den Partner von Moderator Sven Epiney. 

Der Basler Gym-Lehrer Michael Graber wird künftig im Kantonsparlament politisieren, denn seine evangelische Volkspartei hat der FDP einen Sitz im Kleinbasel abgeluchst und ist jetzt aus allen Wahlkreisen (ausser Bettingen) im Grossen Rat vertreten. Der Wahlspruch des 46-Jährigen ist: «Für Mensch und Umwelt», wie seinem (sehr gewissenhaft ausgefüllten) Smartvote-Profil zu entnehmen ist. Im EVP-Werbefilmchen schlägt er unterirdische Parkplätze für eine «ausgewogene Verkehrspolitik» vor.

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Julia Baumgartner hat ihre Karriere bei der Juso gestartet, nun ist sie SP-Grossrätin. (Bild: zvg)

Julia Baumgartner, die chorerprobte Feministin (SP)

In Grossbasel Ost konnte die SP zwei Sitze von zurücktretenden Grossräten verteidigen. Semsiddin Yilmaz, der nicht mehr antrat, wird also von Juso-Mitglied Julia Baumgartner beerbt. Die 30-Jährige ist bestens vernetzt im SP-Gefüge: Sie war Zentralsekretärin der Juso Schweiz und hat die 99%-Initiative mitlanciert. In Basel hat sie als Kampagnenleiterin die Mindestlohninitiative vorangetrieben.

Ihr Smartspider lässt vermuten, dass sie Juso-Politik machen wird. Ein besonderer Fokus wird sie auf feministische Themen legen, denn Baumgartner ist heute Zentralsekretärin der SP Frauen Schweiz. Vor drei Jahren machte sie ihre eigene Erfahrung mit einem Schwangerschaftsabbruch öffentlich. Neben ihrer politischen Tätigkeit macht sie Karriere in der Chor-Szene. Sie ist Chorleiterin beim Chor Cantas und Präsidentin des Schweizer Jugendchors.

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Daniel Gmür beerbt den SP-Sitz von seinem Anwaltskanzlei-Kollegen René Brigger. (Bild: zvg)

Daniel Gmür, der aktivistische Anwalt (SP)

Die Anwaltskanzlei basleradvokat:innen bleibt im Grossen Rat. Die Kanzlei, zu der auch der bekannte linke Szeneanwalt Andreas Noll gehört, war bislang mit Wohn- und Genossenschaftspolitiker René Brigger im Parlament vertreten. Dieser trat aber nicht mehr an, dafür wurde nun Anwalt Daniel Gmür gewählt. Seine beruflichen Schwerpunkte sind Migrations-, Sozialhilfe- und Arbeitsrecht.

Der 30-Jährige ist zudem wissenschaftlicher Assistent mit Schwerpunkt öffentliches Recht an der Jus-Fakultät der Uni Luzern. Mit ihm werden auch die Demokratischen Jurist*innen wieder im Grossen Rat vertreten sein, er ist im Vorstand der Basler Sektion des linken Anwaltsverbands, der oft Demos begleitet und Polizeieinsätze kritisiert. Der gebürtige Oberwiler war in der Juso Baselland aktiv, als die ebenfalls neugewählte Julia Baumgartner dort Präsidentin war.

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Sozialarbeiter Ismail Mahmoud will den Kanton gerechter machen. (Bild: zvg)

Ismail Mahmoud, der aneckende Sozialarbeiter (SP)

Im Grossbasel West hat die SP einen Sitz dazu gewonnen, auf Kosten der LDP. Der Präsident des Quartiervereins SP West, Ismail Mahmoud, konnte diesen Sitz dazugewinnen. Der 28-Jährige ist Vater und Sozialarbeiter bei der Caritas. Entsprechend liegt sein Schwerpunkt auf sozialen Themen, sein erklärtes Ziel: den Kanton gerechter machen.

Im Kandidat*innen-Porträt der bz stellt er sich mit folgenden Worten selbst vor: «Ich bin wie eine Zitrone: Ich passe nicht zu allem, aber wenn, dann dafür richtig.» Dort erfährt man auch, dass er noch nicht weiss, was sein erster Vorstoss als Neo-Grossrat sein wird. Er findet aber, es gebe genug Geld im Kanton, es müsse nur richtig verteilt werden.

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Aus dem Juso-Vorstand in den Grossen Rat: Pflegefachfrau Maria Ioana Schäfer. (Bild: Bürger*innengemeinderat Basel)

Maria Ioana Schäfer, die queere Pflegefachfrau (SP)

Stimmengleich mit Ismail Mahmoud zieht für Grossbasel West auch Maria Schäfer aus dem Juso-Vorstand in das Parlament ein. Die 25-Jährige hat mehr Stimmen geholt als der amtierende Grossrat Daniel Sägesser, der damit abgewählt wurde. Die Vize-Fraktionspräsidentin der SP war bisher im Bürger*innengemeinderat und dort auch Präsidentin der Kommission, die für das Bürger*innenspital Basel zuständig ist.

Das passt, denn Schäfer ist Pflegefachfrau am Kinderspital. Ihr erster politischer Vorstoss, schreibt sie im bz-Kandidat*innenporträt, soll auf kantonaler Ebene den Lohn von Pflege-Lernenden einheitlichen regeln. Die Co-Präsidentin der SP Queer BS will sich zudem für eine diverse und tolerante Gesellschaft stark machen.

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Auf dem neuen Sitz der Basta sitzt die altbekannte Brigitta Gerber, die schon mal Grossratspräsidentin war. (Bild: Bürger*innengemeinderat Basel)

Brigitta Gerber, das linke Urgestein (Basta)

Die 60-Jährige ist eine der prägenden Gesichter der Basta. Sie war schon von 2002 bis 2017 im Parlament und auch Fraktionspräsidentin des Grünalternativen Bündnisses, 2007 war sie Grossratspräsidentin. Unter anderem die Gedenktafel für die Opfer der Hexenverfolgung auf der Mittleren Brücke geht auf ihre politische Arbeit zurück. Als Mit-Initiatorin der 2016 angenommenen Neuen Bodeninitiative trieb sie voran, dass Kantonsboden nur noch in Ausnahmefällen an Grossinvestor*innen verkauft werden soll.

Die Historikerin und Ethnologin betreibt das sozialwissenschaftliche Büro Toleranzkultur. Sie ist Präsidentin der entwicklungspolitischen Organisation terre des hommes schweiz sowie der Offenen Kirche Elisabethen. Als Bürger*innengemeinderätin war sie auch in den vergangenen Jahren in der institutionellen Politik Basels tätig. Nun hat sie für die Basta im Osten den Sitz geholt, der auf Kosten von Raphael Fuhrer von den Grünen ging.

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Von Waldshut (Deutschland) den Rhein runter nach Basel treiben lassen. Used to be Journalismus-Student (ZHAW Winterthur) und Dauer-Praktikant (Lokalzeitungen am Hochrhein, taz in Berlin, Wissenschaftsmagazin higgs). Besonderes Augenmerk auf Klimapolitik, Wohnpolitik, Demopolitik und Politikpolitk. Way too many Anglizismen.

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