Die Hüter des Fasnachtstempels
Es gibt in Basel Beizen, die als «Fasnachtstempel» bezeichnet werden. Dass der Löwenzorn dazugehört, ist unbestritten. Ein Kaffeegespräch mit den Gebrüdern Frick über die Bedeutung der Fasnacht für ihr riesiges Restaurant.
Unter Fasnächtler*innen gab es in den 1960er und 70er Jahren immer wieder angeregte Diskussionen darüber, welche Basler Beizen Tempelstatus geniessen. Auch wie viele es denn sind, war immer umstritten. Klar war aber immer: Der Löwenzorn ist einer.
Seit 2019 ist er in der Hand der Gebrüder Karim und Anwar Frick. Ihre Gastro-Karriere begann als Tellerwäscher in Lausanne. Bei einem Kaffee erinnern sich die beiden an diese Zeit zurück. «Dort haben wir so richtig Französisch gelernt», erzählt Anwar. «Später hat Karim dann die Hotelfachschule gemacht, ich die Kochlehre. Das war unser Einstieg.» Karim ergänzt: «Ich sehe mich eigentlich als Kellner, der auch noch einige andere Sachen kann.» Beide lachen. Das machen sie oft und gern, denn wo diese Brüder wirken – beide übrigens Tambouren – herrscht gute Stimmung. Das war bis 2018 in der Fischerstube so – und ist heute auch am Gemsberg so.
Ab 1874 gab es Basler Löwen-Bräu
Die Liegenschaft am Gemsberg erstreckt sich über zwei Hausnummern und ist so etwas wie ein Fels in der Fasnachtsbrandung: Als Stammlokal der Basler Mittwochsgesellschaft BMG, die 1922 am Gemsberg eingezogen ist, als Heimat der Studentenverbindung AKV Raurica (die das riesige Gebäude seit 1996, zusammen mit der AT Allemania im Rahmen einer AG besitzt), als Gründungsort des Schnitzelbangg-Comité Basel. Die frühe Baugeschichte des Komplexes ist schwer nachzuvollziehen.
Sicher ist, dass hier im 14. Jahrhundert Schmiede gearbeitet haben. Seit 1874 hat das Haus einen gastronomischen Bezug. Damals kaufte nämlich der Brauer und Wirt Fritz Faesch-Salathé die Liegenschaft. Er braute dort sein Basler Löwen-Bräu und schenkte es im Gasthaus aus. Seither wird hier Speis und Trank aufgetragen. Es gab Zorn-Wirte, die lange und glücklich im Haus gewirkt haben, es gab jedoch auch Zeiten, in denen es zu häufigen Wechseln gekommen ist. Bevor die Gebrüder Frick übernommen haben, wurde der Löwenzorn von der Berest Gruppe geführt.
Eine Beiz, 11 Schauplätze
Wenn man den Zorn als Beiz bezeichnet, ist dies eine Untertreibung. An der Fasnacht bespielen Anwar und Karim Frick zehn Räume plus den Hofgarten, den sie zu einem Ort umgebaut haben, an dem die Gäste gerne verweilen. Das war nicht immer so, aber dieser Umbau war ihnen eine Herzensangelegenheit. Anwar sagt: «Eigentlich wollten wir nach der Fischerstube ja keine Beiz mehr führen…» Karim wirft ein: «Eigentlich wollten wir einst auch die Fischerstube nicht unbedingt übernehmen…» Anwar unterbricht ihn: «Aber das führt jetzt alles zu weit. Seit 2019 wirken wir im Zorn. Damals haben wir uns auf die erste Fasnacht am Gemsberg vorbereitet, die dann Corona zum Opfer fiel.» Und wieder ergänzt Karim: «Da wurden am Freitag vor dem Morgestraich auf einen Schlag alle Reservationen abgesagt.» Am Sonntag aber seien alle Tische wieder reserviert gewesen, weil die Beizen ja (noch) nicht geschlossen werden mussten.
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Am Morgestraich öffneten die Brüder dann um fünf Uhr morgens. «Ich hatte ein paar Käs- und Zibelewäije vorbereitet», erinnert sich Anwar. «Wir dachten, dass es sich vielleicht einige Leute nicht verkneifen können, ainewääg in die Stadt zu gehen. Und dann standen plötzlich Hundertschaften vor dem Haus an. Da habe ich sofort noch mehr Bleche in den Ofen geschoben.» Der Zorn war dann am Ende drei Tage lang voll besetzt, eine verrückte erste Fasnacht am Gemsberg.
Zusätzliche Satellitenküchen
Den Fasnachtstempel durch die drey scheenschte Daag zu führen, ist eine logistische Meisterleistung auf zwei Ebenen: Produktion und Service. «Diese beiden Bereiche werden im Grund getrennt organisiert, wachsen dann aber im Hochbetrieb wieder zu einer Einheit zusammen», erklärt Karim. «Für die Fasnacht brauchen wir 30 Leute im Service und 20 in der Küche.» Im Haus würden sie dann zusätzliche Satellitenküchen einrichten, die «autonom, aber getaktet» agieren, sagt Anwar. Drei Leute waschen permanent ab. Der grösste Teil des Bestecks werde allerdings bei Wassermann und Company abgewaschen, das gehe ruckzuck mit einer Osmoseanlage.
Bei bester Laune
An der Fasnacht schaltet der Laden in den höchsten Gang: Ganze Cliquen und Schyssdräggziigli werden hier verköstigt, unzählige Hackbraten, Grillwürste, Berge von Kartoffelstock und Beilagen produziert, Schnitzelbangg-Abende in zwei Sälen abgehalten. Hektik? Karim lacht: «Also ich freue mich immer darauf, ich muss sagen, dass unsere Leute alle bei bester Laune arbeiten. Wir sehen das alle sportlich. Und in der Nacht gehe ich noch manchmal auf die Gasse und trommle.» Anwar hat die Trommel seit einigen Jahren nicht mehr ausgeführt, «aber auch ich liebe die Fasnacht», sagt er. «Wenn das nicht so wäre, würde ich ja keine Beiz in der Basler Innerstadt betreiben.»
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