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Gold bildet das Fundament von Russlands Staatsfinanzen und ermöglicht damit auch Putins Krieg. (Bild: KEYSTONE/Martin Ruetschi)

Die Schweiz als Waschsalon

Die Goldimporte aus Russland sind wegen der Sanktionsmassnahmen völlig eingebrochen. Vieles deutet darauf hin, dass trotzdem russisches Gold in der Schweiz landet – per Umweg über Dubai. Eine Recherche der WOZ.

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Dieser Artikel ist am 16.06.2022 zuerst bei Die Wochenzeitung erschienen. Die WOZ gehört wie Bajour zu den verlagsunabhängigen Medien der Schweiz.

Am Dienstag schlug Fabian Molina während der Fragestunde im Bundeshaus alarmistische Töne an. Er sprach von einer «Umgehung der Russlandsanktionen im Bereich Gold» sowie von behördlicher «Schlamperei». Der SP-Nationalrat wollte vom Bundesrat wissen, was dieser zu tun gedenke.

In der Tat spielt Gold eine weitgehend unterschätzte Rolle in den Handelsbeziehungen zwischen Russland und der Schweiz. Während Öl und Gas über die Schweiz gehandelt werden, wird Gold tatsächlich importiert. Entsprechend dominierte das Edelmetall in den vergangenen Jahren die Importstatistik. Gold machte in den letzten beiden Jahren über achtzig Prozent aller eingeführten russischen Waren aus.

Den Höhepunkt bildeten die letzten drei Monate vor Kriegsbeginn, als der Goldanteil der russischen Importe gar auf neunzig Prozent anstieg: Acht Tonnen Gold im Wert von 623 Millionen Franken gelangten in diesem Zeitraum in die Schweiz – mehr als in den ersten zehn Monaten des Jahres 2021 zusammen. Der russische Überfall auf die Ukraine am 24. Februar setzte der Goldeinfuhr zumindest gemäss offiziellen Schweizer Handelsstatistiken ein Ende.

Valcambi unter Verdacht

Der Import von Gold aus russischer Produktion ist nicht direkt sanktioniert, doch die westlichen Sanktionsmassnahmen sorgen trotzdem dafür, dass es nicht mehr wirklich handelbar ist. So sind die wichtigsten russischen Banken, die den Goldhandel abwickelten, mit Sanktionen belegt. Vor allem aber sistierte der grösste Handelsplatz, der London Bullion Market, den russischen Raffinerien Anfang März die Mitgliedschaft. Für westliche Raffinerien oder Banken ist das Risiko zu hoch, Gold direkt von nichtzertifizierten Quellen anzunehmen. Die Wirkung blieb nicht aus: Die Handelsstatistik der Eidgenössischen Zollverwaltung zeigt, dass ab März kein russisches Gold mehr in die Schweiz gelangte.

Ende der Geschichte? Nein. Die Schweizer NGO Swissaid, die seit Jahren zur Schweizer Goldindustrie recherchiert, warnte Mitte Mai vor einer enormen Zunahme von Goldimporten aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Im März kamen 36 Tonnen Gold von dort in die Schweiz, so viel in einem Monat wie seit sechs Jahren nicht mehr und über dreimal so viel wie in den beiden Vormonaten. Es folgten über 20 Tonnen im April. Swissaid befürchtet, dass russisches Gold über Dubai in die Schweiz gelangt ist und die Zunahme eine direkte Folge der eingestellten Direktimporte aus Russland ist.

Wichtig für die Kriegskasse

Die Goldindustrie ist eine notorisch verschwiegene Branche, und doch kann in diesem Fall eine klare Vermutung aufgestellt werden, wer das Gold aus den VAE importiert hat. Vier der fünf relevanten Schweizer Raffinerien verneinten gegenüber Swissaid, im März Gold aus den Vereinigten Arabischen Emiraten importiert zu haben – einzig die Tessiner Raffinerie Valcambi in einem Vorort von Chiasso bestätigte entsprechende Importe.

Gold bildet das Fundament von Russlands Staatsfinanzen und ermöglicht damit auch Putins Krieg. Zum einen gibt es die Reserven der russischen Zentralbank, zum anderen die jährliche Goldproduktion der heimischen Minen. Lange Zeit waren diese beiden Bereiche eng verwoben. Insbesondere ab 2014, nach der Annexion der Krimhalbinsel, begann die russische Zentralbank, grosse Mengen Gold vom heimischen Markt zu kaufen und ihre Reserven damit auszubauen. Dies mit dem Ziel, die eigenen Währungsreserven robuster gegen US-amerikanische Sanktionen nach der Krimannexion zu machen. Konkret verdoppelte Russland seine Goldreserven in nur sechs Jahren auf 2300 Tonnen, womit es weltweit über die sechstgrössten Vorräte hinter den USA, Deutschland, dem Internationalen Währungsfonds, Italien und Frankreich verfügt.

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Gekauft hat die russische Zentralbank dieses Gold fast ausschliesslich am heimischen Markt, der zeitgleich kontinuierlich die Fördermengen steigerte. Rund 330 Tonnen Gold produziert Russland inzwischen jährlich, 2014 waren es noch 250 Tonnen. Lange Zeit blieb die russische Zentralbank die mit Abstand wichtigste Abnehmerin. Das änderte sich Anfang 2020, als diese den Zukauf drosselte und erklärte, sie wolle Mineure und Banken dazu bringen, mehr zu exportieren. Nach dem Einbruch der Ölpreise sollte dies Devisen nach Russland bringen.

Wie die internationale Uno-Handelsdatenbank Comtrade aufzeigt, kauften in erster Linie Grossbritannien sowie – deutlich dahinter – an zweiter Stelle die Schweiz das russische Gold auf. Nach Putins Überfall auf die Ukraine verlor eine der weltweit grössten Goldindustrien dann quasi über Nacht ihre wichtigsten Abnehmerländer. Umgehend kündigte die russische Zentralbank an, wieder Gold aufzukaufen, um so den heimischen Markt zu stützen. In welchem Umfang sie das aktuell macht, ist unklar. Nicky Shiels, leitende Strategin der Schweizer Raffinerie MKS Pamp, schreibt dazu: «Russland wird weiterhin die eigene Goldproduktion nutzen, um seine Kriegskasse aufzustocken. Zweck des Goldkaufs auf dem heimischen Markt ist es, dieses bei Bedarf zu monetarisieren.»

Schlupfloch Dubai

Klar ist jedenfalls: Verkäufe russischen Goldes ins Ausland sind nach wie vor möglich. Der Basler Strafrechtsexperte Mark Pieth, der mit «Goldwäsche» (2019) ein Standardwerk zum Thema geschrieben hat, spricht von gut etablierten Kanälen, um die Sanktionen zu umgehen: «Die Türkei ist als Zielland für Gold aus Venezuela bekannt geworden. Für russisches Gold müssen wir davon ausgehen, dass die Vereinigten Arabischen Emirate, Indien und China die offensichtlichen Zielländer sind.» Während die Nachfrage nach Gold in Indien und China aber derart hoch sei, dass dieses dort kaum in andere Länder weiterverkauft werden müsse, sei das im Fall der VAE anders, sagt Pieth.

Das Land spielt schon länger eine zentrale Rolle im globalen Goldgeschäft aus hochriskanten Quellen. Ein Whistleblower legte gemäss einer Untersuchung der Schweizer NGO Gesellschaft für bedrohte Völker von 2018 offen, wie etwa die dort ansässige Raffinerie Kaloti Indizien zur Herkunft von Gold aus der Konfliktregion Darfur ignoriert oder Gold von Händlern bezogen hat, die enge Beziehungen zu Warlords im Ostkongo unterhielten. Inzwischen verzichten sämtliche Schweizer Raffinerien auf Goldimporte aus den VAE – ausser Valcambi.

Eine Anfrage bei der Firma, ob sie weiterhin Gold von dort beziehe und dabei ausschliessen könne, dass dieses teilweise aus Russland stamme, blieb unbeantwortet. Im Mai teilte die weltgrösste Goldraffinerie Swissaid mit, dass sie sich «an die geltenden Richtlinien und Sanktionen» halte.

Unabhängig überprüfen lässt sich diese Aussage nicht, bis heute ist die Transparenz im Goldhandel ungenügend. Als globale Handelsdrehscheibe für Gold ist die Schweiz eine zentrale Akteurin – mit unrühmlicher Vergangenheit. Wie ein Bericht des Finanzdepartements von 2013 zeigte, stellte es 1981 die nach Ländern aufgeschlüsselte Statistik der Goldimporte und -exporte ein.

Mark Pieth schreibt in seinem Buch, dies sei aus Angst geschehen, «man könnte – wie beim Nazi-Gold – für die Unterstützung des südafrikanischen Apartheidregimes zur Rechenschaft gezogen werden». Tatsächlich sollen gemäss einer Nationalfonds-Untersuchung in den achtziger Jahren rund achtzig Prozent des südafrikanischen Goldes in der Schweiz umgeschmolzen und weissgewaschen worden sein. Federführend involviert waren die Vorgängerinnen der beiden heutigen Grossbanken UBS und CS. Die heutige Valcambi-Raffinerie gehörte damals der Credit Suisse. Der aktuelle Valcambi-CEO Michael Mesaric leitete von 1985 bis 1990 die Edelmetallhandelsteams der UBS in Hongkong.

Der Bundesrat wies den von SP-Nationalrat Molina am Dienstag erhobenen Vorwurf der «Schlamperei» derweil weit von sich. Die Gründe für die erhöhten Importe aus den Vereinigten Arabischen Emiraten seien ihm nicht bekannt. Auf die Folgefrage, was der Bundesrat unternehme, um die tatsächliche Herkunft des Goldes zu kontrollieren, liess dieser verlauten, dass die Schweizer Behörden weder das Mandat noch die Möglichkeit hätten, den Ursprung des Goldes im Vorfeld des Verarbeitungsprozesses zu überprüfen.

Eine Interpellation, die Fabian Molina diese Woche eingereicht hat, verlangt darauf weitere Antworten – und eine Verschärfung der Sorgfaltspflichten des Bundesrats.

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