Die unterschätzte kleine Schwester
Zeitgleich mit der Art stellen seit 27 Jahren Galerien an der Kunstmesse «Liste Art Fair Basel» Werke von jungen Künstler*innen aus. Dieses Jahr findet die Messe bereits zum dritten Mal in der Halle 1.1 bei der Messe statt – und nicht in der Warteck Brauerei. Wie kommt der neue Standort bei den Besucher*innen an? Bajour hat nachgefragt.
Die Zeichen stehen auf jung: Die Liste Art Fair Basel 2023 ist «die internationale Entdeckermesse zeitgenössischer Kunst», wie in der diesjährigen Medienmitteilung steht. Jedes Jahr wird hier «eine jüngere Generation von herausragenden Künstler*innen» gezeigt, die für die neuesten Entwicklungen und Tendenzen in der Gegenwartskunst steht. Und weiter: Viele der heute weltweit bedeutendsten Galerist*innen für zeitgenössische Kunst haben auf der Liste – oftmals als kleine Schwester der Art bezeichnet – einen zentralen Grundstein ihres heutigen Erfolgs gelegt.
Seit 2020 findet die Liste auch im digitalen Raum statt: Durch «Liste Showtime Online» können die Galerien der Liste Art Fair Basel auch online ihre Präsentationen zeigen. Im Dezember 2021 kam das Onlineformat «Liste Expedition Online» hinzu. Das ist laut Medienmitteilung «ein nicht kommerzielles Rechercheforum mit einem kontinuierlich wachsenden Künstler*innen-Index der weltweit wichtigsten neuen Positionen in der zeitgenössischen Kunst». Im Vergleich zu den anderen beiden Formaten ist «Liste Expedition Online» dauerhaft zugänglich.
Auch dieses Jahr stehen junge Künstler*innen aus aller Welt im Fokus. Die Direktorin Joanna Kamm sagt gemäss Medienmitteilung, dass «mit immersiven Installationen, zeitbezogenen Medien, KI und computergenerierten Bildern sowie mit starken Positionen in der Malerei und Fotografie aufgezeigt wird, wie unterschiedlich die Welt gesehen wird, wenn sie aus verschiedenen Perspektiven, unter verschiedenen Bedingungen und an verschiedenen Orten erlebt wird». Insgesamt sind über 80 Galerien aus 35 Ländern vertreten und die Werke von mehr als 100 Künstler*innen, 66 Solo- und 18 Gruppenpräsentationen sind ausgestellt.
Schon vor der eigentlichen Ausstellungshalle werden die Besucher*innen von dem ersten Werk im Zwischenstock aufgehalten. Schmelzende Eisbrocken, an Seilen aufgehängt, faszinieren und laden zum Verweilen ein. Das Wasser tropft klangvoll in weisse Schalen, die mit der Zeit auch geleert werden müssen, damit es keine Überschwemmung gibt.
Die Liste ist nun bereits das dritte Jahr in Folge in der Halle 1.1 bei der Messe Basel. Zuvor fand sie in der ehemaligen Warteck Brauerei, rund 50 Meter des Rheins und einen Kilometer vom Basler Stadtzentrum entfernt, statt. Pandemiebedingt wich die Liste 2021 auf einen grösseren Ausstellungsraum aus und fand mit der Halle 1.1 einen neuen geeigneten Standort.
Zurück in die Warteck Brauerei wollen heute die wenigsten. Direktorin Kamm sagt gegenüber Bajour, dass sie diesbezüglich eine Befragung bei den Galerien durchgeführt hätten. «Die grosse Mehrheit hat sich für die Halle ausgesprochen. Hauptgründe waren, dass alle Galerien die gleiche Bedingungen haben und die Halle für alle Interessierten zugänglich ist.» Nach dieser Umfrage ist auch definitiv, dass die Liste nicht mehr zurückkehren wird.
Im Vergleich zum vorherigen Ausstellungsort fehle in der Messehalle aber schon der gewisse Charme, der das Warteck ausgestrahlt habe, wie Kamm sagt. Für die Veranstalter*innen sei «die Entwicklung der Messarchitektur enorm wichtig» gewesen und Kamm findet, dass es «mit der kreisförmigen Anordnung gelungen ist, die besondere Atmosphäre von Gemeinschaft, wofür die Liste seit ihrem Beginn steht, in einer alles verbindenden Struktur zu repräsentieren.» Die Menschen in ihren auffälligen Outfits führen angeregte Gespräche, halten vor den Werken inne und treffen auf alte Bekannte, die sie jahrelang nicht gesehen haben. Es scheint so, als ob sich das Publikum in der Halle wohlfühlen würde. Auch Besucher*innen äussern sich gegenüber Bajour positiv zum neuen Standort. Eine Besucherin sagt, dass das Warteck schon einen «ganz bestimmten Stimmungsfaktor» gehabt habe, den es am neuen Ort nicht gebe. Auch ein «Gesamtkonzept» der Galerien, wie es eine Besucherin «sehr geliebt hat», sei in der Messe nicht mehr so spürbar. Sie fügt aber hinzu, dass sie die Veränderung nachvollziehen könne, weil es hier«praktischer» sei.
Ein weiterer Besucher – er trägt ein rosa Hemd – hatte mit dem neuen Ort zwar «Anlaufschwierigkeiten», aber er wisse, dass das Feedback von den Galerist*innen positiv sei. Er stellt zudem fest, dass es «natürlich nicht den Charme des alten Gebäudes hat». Der neue Ort sei etwas ganz anderes. Seine Begleitperson sieht das ähnlich: Die Liste könne man jetzt nicht mehr «ignorieren», denn jetzt ist sie genauso präsent wie die Art selbst. Auch die kreisförmige Anordnung findet Gefallen, denn so «gibt’s viel Platz für Gespräche, Austausch, Ideen und kreativ künstlerische Konzepte». Bleibt die Frage, was denn überhaupt noch der Unterschied ist zur grossen Schwester Art Basel?
Joanna Kamm stellt gegenüber Bajour klar, dass «die Liste 1996 mit der Idee ins Leben gerufen wurde, eine neue Messe für eine neue, junge Generationen von Galerist*innen und Künstler*innen parallel zur Art Basel anzubieten». So sei die Liste seit Beginn unabhängig, stehe aber als spannende Ergänzung zur Art Basel. Die jungen Galerien hätten so die Möglichkeit, während die Kunstwelt in Basel anwesend ist, sich an einer Messe zu präsentieren, die für sie zugänglich sei. Kamm sagt: «Wir bieten da andere Bedingungen und Voraussetzungen. Wenn sich die jungen Galerien dann etabliert und weiterentwickelt haben, können sie oft den Schritt an die Art Basel machen.» Somit würden sich diese beiden Messen gut ergänzen. Und schliesslich: «Die Liste ist zudem eine Non-Profit Organisation. Wir gehören zu einer Stiftung und für uns ist der Fördergedanke für die junge Generation von Galerien und Künstler*innen Hauptfokus.»
Auch die zwei Besucher*innen stellen fest, dass die Liste eine ganz besondere «Durchmischung an Galerien aus der ganzen Welt hat». Hierbei sei sie «unschlagbar».
Es scheint so, als ob sich der neue Ort etablieren konnte. Die Liste ist für die Öffentlichkeit seit Montagabend 18 Uhr zugänglich. VIP-Gäste, also Sammler*innen, Kurator*innen, Museumsdirektor*innen, Kritiker*innen, Künstler*innen und Presse, bekamen schon früher einen Einblick in die Halle 1.1.
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