Die Verbindende
Früher hat Tony Wuethrich die Art Partys organisiert, heute blickt er mit etwas Abstand auf die Kunstmesse. In seiner Galerie zeigt er die Werke langer Weggefährt*innen und noch unbekannter Kunstschaffenden.
Anlässlich der Art Basel wirft Bajour einen Blick auf verschiedene Basler Galerien. Auch wenn wir nicht alle zeigen können, möchten wir einen kleinen Einblick in die Welt der Galerist*innen geben. Heute werfen wir in unserer Galerienschau einen Blick in die Tony Wuethrich Galerie im St. Johann.
Wo heute vor der weissen Wand fein säuberlich aufgereiht ein Werk neben dem anderen hängt und Kunstliebhaber*innen an Vernissagen mit einem Cüpli in der Hand Kaufentscheidungen abwiegen, ratterten früher Lastwagen durch die schmale Einfahrt. In diesem geschäftigen Hinterhof, mitten im St. Johanns-Quartier, waren früher mal verschiedene Kleingewerbe ansässig. Heute hat sich die Gegend in ein Wohnquartier verwandelt. Mitten drin: die Tony Wuethrich Galerie.
Ausgestellt hat der Galerist Tony Wuethrich hier allerdings auch schon, als es die Räumlichkeiten noch nicht gab, damals aber in seiner Wohnung nebenan. Die Möglichkeit für die schlichte Galerie mit grossem, holz gerahmten Glastor, Betonboden und hoher Decke ergab sich dann 2017 durch eine Freundschaft – wie so vieles in Wuethrichs Leben. So zumindest scheint es, wenn er erzählt, wie er mit Anfang 20 zur Kunst gekommen ist und im Laufe seines Lebens immer wieder Kontakte geknüpft hat, die später zu wichtigen und langfristigen beruflichen Beziehungen wurden.
Eine Zufallsbegegnung
Eigentlich hätte Wuethrich beruflich in der technischen Welt landen sollen, aber eine Begegnung mit einem jungen Künstler, den er damals nur flüchtig kannte, veränderte alles. Er zeigte ihm die Kunstwelt – später wurde er ein sehr guter Freund und Wuethrich zum erfolgreichen Kunsthändler. 1976 machte er sich selbständig, fokussierte sich auf Schweizer Künstler*innen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ausstellungen machte er damals noch keine.
«Ich habe zwei Seiten in mir», sagt Wuethrich, wenn man ihn fragt, wie man in dieser Branche erfolgreich wird. «Einerseits bin ich super pingelig. Das ist gut für das Geschäft und die Buchhaltung. Aber andererseits habe ich auch eine grosse Leidenschaft für die Überraschung und Fantasie.» Ausserdem gehöre auch immer ein bisschen Glück dazu.
Gemeinsame Wege
Von dem hatte er eine ganze Menge, als er in den 80er-Jahren die Möglichkeit bekam in einem Schloss im graubündnerischen Fürstenau eine ganze Etage für Künstler*innen-Residenzen zu nutzen. Er lud Kulturschaffende aus Metropolen im Ausland ein, die dann ein halbes Jahr im Domleschg zwischen Sils und Pratval kostenlos leben und arbeiten konnten.
Eine von ihnen war die schweizerisch-japanische Künstlerin Leiko Ikemura – heute international renommiert. Ihre Werke konnte Wuethrich seither immer wieder ausstellen. «Hätte ich sie damals nicht eingeladen, hätte ich wahrscheinlich später, als sie so bekannt wurde, keinen Draht mehr zu ihr herstellen können», sagt der Galerist.
Neben den etablierten Künstler*innen stellt Wuethrich auch immer wieder Werke von jungen und unbekannten Kunstschaffenden aus. Manchmal einzeln, immer wieder aber vor allem im Rahmen seines Formats «One Hundred Works», bei dem er die Wände des Galerieraums von oben bis unten mit unzähligen Werken von verschiedensten Künstler*innen voll hängt.
Seit 50 Jahren arbeitet er nun schon in diesem Bereich und genauso lange kennt er Corsin Fontana, den Künstler, dessen Werke derzeit in der Galerie ausgestellt sind. Neben rund der Hälfte von ihnen klebt ein kleiner roter Punkt, diese Bilder sind also bereits verkauft. «Corsin Fontana ist Teil der ersten Liga der Schweizer Kunstwelt», betont Wuethrich. Ihm gefalle vor allem Kunst, die sowohl den Kopf als auch das Bauchgefühl anspricht, also zwischen intellektuellem Anspruch und Sinnlichkeit manövriert und das gelinge Fontana mit seinen strikt konzeptuellen, aber dennoch archaischen Bildern besonders gut.
Es sei ein Irrglaube, dass man mit Ausstellungen in der Galerie während der Art das Geschäft des Jahres machen könne, meint der Galerist: «Die meisten Sammler*innen finden neben den ganzen Artbesuchen und den unzähligen zusätzlichen Events gar keine Zeit, durch die Galerien der Stadt zu schlendern.»
Mit den Veranstaltungen rund um die Art Basel und den Vorlieben der prominenten und wohlhabenden Besucher*innen kennt sich Wuethrich bestens aus. In den frühen 2000er-Jahren hat er – mit Support der Art Basel während 12 Jahren – die legendären Art-Partys auf dem Messe-Parking und dem Kuppel-Areal veranstaltet. Diese führte er auch noch fort, als er nach zwölf Jahren keine Zulassung mehr bekam, um mit seiner Galerie an der Art selbst präsent zu sein.
Ein zwei Jahre länger hätte er schon gerne noch an der Art ausgestellt, sagt Wuethrich. Aber mittlerweile sei er nicht unglücklich darüber: «Durch die Strategie der Messe das Angebot vermehrt auf das hochpreisige Kundensegment auszurichten, hätte ich mein Angebot komplett ändern müssen, das wollte ich nicht.» Lieber überlässt er das Spielfeld auf der und um die Art der jüngeren Generation – seine Galerie allerdings nicht. «Daran denke ich gar nicht», sagt er und erzählt vorfreudig von der nächsten Vernissage mit Grill, bei der sich seine langjährigen Freund*innen und Geschäftspartner*innen aus der Kunstwelt im lauschigen Garten hinter der Galerie versammeln werden.