Die Verbindende

Früher hat Tony Wuethrich die Art Partys organisiert, heute blickt er mit etwas Abstand auf die Kunstmesse. In seiner Galerie zeigt er die Werke langer Weggefährt*innen und noch unbekannter Kunstschaffenden.

Schlicht und ergreifend: Das Tor zu Tony Wuethrichs Kunstwelt. (Bild: Ernst Field)

Anlässlich der Art Basel wirft Bajour einen Blick auf verschiedene Basler Galerien. Auch wenn wir nicht alle zeigen können, möchten wir einen kleinen Einblick in die Welt der Galerist*innen geben. Heute werfen wir in unserer Galerienschau einen Blick in die Tony Wuethrich Galerie im St. Johann.

Wo heute vor der weissen Wand fein säuberlich aufgereiht ein Werk neben dem anderen hängt und Kunstliebhaber*innen an Vernissagen mit einem Cüpli in der Hand Kaufentscheidungen abwiegen, ratterten früher Lastwagen durch die schmale Einfahrt. In diesem geschäftigen Hinterhof, mitten im St. Johanns-Quartier, waren früher mal verschiedene Kleingewerbe ansässig. Heute hat sich die Gegend in ein Wohnquartier verwandelt. Mitten drin: die Tony Wuethrich Galerie.

Ausgestellt hat der Galerist Tony Wuethrich hier allerdings auch schon, als es die Räumlichkeiten noch nicht gab, damals aber in seiner Wohnung nebenan. Die Möglichkeit für die schlichte Galerie mit grossem, holz gerahmten Glastor, Betonboden und hoher Decke ergab sich dann 2017 durch eine Freundschaft – wie so vieles in Wuethrichs Leben. So zumindest scheint es, wenn er erzählt, wie er mit Anfang 20 zur Kunst gekommen ist und im Laufe seines Lebens immer wieder Kontakte geknüpft hat, die später zu wichtigen und langfristigen beruflichen Beziehungen wurden.

Tony Wuethrch Galerie
Galerist Tony Wuethrich ist ganz zufällig zur Kunst gekommen. (Bild: Ernst Field)

Eine Zufallsbegegnung

Eigentlich hätte Wuethrich beruflich in der technischen Welt landen sollen, aber eine Begegnung mit einem jungen Künstler, den er damals nur flüchtig kannte, veränderte alles. Er zeigte ihm die Kunstwelt – später wurde er ein sehr guter Freund und Wuethrich zum erfolgreichen Kunsthändler. 1976 machte er sich selbständig, fokussierte sich auf Schweizer Künstler*innen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ausstellungen machte er damals noch keine.

«Ich habe zwei Seiten in mir», sagt Wuethrich, wenn man ihn fragt, wie man in dieser Branche erfolgreich wird. «Einerseits bin ich super pingelig. Das ist gut für das Geschäft und die Buchhaltung. Aber andererseits habe ich auch eine grosse Leidenschaft für die Überraschung und Fantasie.» Ausserdem gehöre auch immer ein bisschen Glück dazu.

Gemeinsame Wege

Von dem hatte er eine ganze Menge, als er in den 80er-Jahren die Möglichkeit bekam in einem Schloss im graubündnerischen Fürstenau eine ganze Etage für Künstler*innen-Residenzen zu nutzen. Er lud Kulturschaffende aus Metropolen im Ausland ein, die dann ein halbes Jahr im Domleschg zwischen Sils und Pratval kostenlos leben und arbeiten konnten.

Eine von ihnen war die schweizerisch-japanische Künstlerin Leiko Ikemura – heute international renommiert. Ihre Werke konnte Wuethrich seither immer wieder ausstellen. «Hätte ich sie damals nicht eingeladen, hätte ich wahrscheinlich später, als sie so bekannt wurde, keinen Draht mehr zu ihr herstellen können», sagt der Galerist.

Tony Wuethrch Galerie
Hoch konzeptuell und doch archaisch: Die Werke von Corsin Fontana. (Bild: Ernst Field)

Neben den etablierten Künstler*innen stellt Wuethrich auch immer wieder Werke von jungen und unbekannten Kunstschaffenden aus. Manchmal einzeln, immer wieder aber vor allem im Rahmen seines Formats «One Hundred Works», bei dem er die Wände des Galerieraums von oben bis unten mit unzähligen Werken von verschiedensten Künstler*innen voll hängt.

Seit 50 Jahren arbeitet er nun schon in diesem Bereich und genauso lange kennt er Corsin Fontana, den Künstler, dessen Werke derzeit in der Galerie ausgestellt sind. Neben rund der Hälfte von ihnen klebt ein kleiner roter Punkt, diese Bilder sind also bereits verkauft. «Corsin Fontana ist Teil der ersten Liga der Schweizer Kunstwelt», betont Wuethrich. Ihm gefalle vor allem Kunst, die sowohl den Kopf als auch das Bauchgefühl anspricht, also zwischen intellektuellem Anspruch und Sinnlichkeit manövriert und das gelinge Fontana mit seinen strikt konzeptuellen, aber dennoch archaischen Bildern besonders gut.

Es sei ein Irrglaube, dass man mit Ausstellungen in der Galerie während der Art das Geschäft des Jahres machen könne, meint der Galerist: «Die meisten Sammler*innen finden neben den ganzen Artbesuchen und den unzähligen zusätzlichen Events gar keine Zeit, durch die Galerien der Stadt zu schlendern.»

Tony Wuetrich Galerie, Kunst: Corsin Fontana
Der Fokus der Galerie liegt auf der Malerei in all ihrer Vielfältigkeit.

Mit den Veranstaltungen rund um die Art Basel und den Vorlieben der prominenten und wohlhabenden Besucher*innen kennt sich Wuethrich bestens aus. In den frühen 2000er-Jahren hat er – mit Support der Art Basel während 12 Jahren  – die legendären Art-Partys auf dem Messe-Parking und dem Kuppel-Areal veranstaltet. Diese führte er auch noch fort, als er nach zwölf Jahren keine Zulassung mehr bekam, um mit seiner Galerie an der Art selbst präsent zu sein.

Ein zwei Jahre länger hätte er schon gerne noch an der Art ausgestellt, sagt Wuethrich. Aber mittlerweile sei er nicht unglücklich darüber: «Durch die Strategie der Messe das Angebot vermehrt auf das hochpreisige Kundensegment auszurichten, hätte ich mein Angebot komplett ändern müssen, das wollte ich nicht.» Lieber überlässt er das Spielfeld auf der und um die Art der jüngeren Generation – seine Galerie allerdings nicht. «Daran denke ich gar nicht», sagt er und erzählt vorfreudig von der nächsten Vernissage mit Grill, bei der sich seine langjährigen Freund*innen und Geschäftspartner*innen aus der Kunstwelt im lauschigen Garten hinter der Galerie versammeln werden.

Das könnte dich auch interessieren

Eat Me now Theater Roxy Birsfelden

Nina Hurni am 04. April 2025

«Schau mich an!»

Die Tanzcompany FLUX crew beschäftigt sich in ihrem Stück «Eat Me Now!» mit der Objektifizierung von lesbischer Sexualität und sucht nach neuen Blicken. Ein Probenbesuch.

Weiterlesen
Anna Grafström Burkhardt Morgestraich Alte Garde Rolli Laterne

David Rutschmann am 12. März 2025

«Die besten Ideen kommen mir, wenn ich nachts aufwache»

Die Alti Garde der Rolli sammelt Unterschriften für drei Tage frei an Fasnacht – dabei wird beschissen und bestochen. Hinter ihrer doppelbödigen Laterne steckt Anna Grafström Burkhardt, die sich ins Laternenmalen verliebte, als sie von Schweden nach Basel kam.

Weiterlesen
Timo Waldner Zeichenautomat Jean Tinguely

David Rutschmann am 11. März 2025

Ein Roboter «beschmiert» das Tinguely-Porträt

Zum 100. Geburtstag vom Basler Kinetikkunst-Pionier Jean Tinguely haben die VKB seinen legendären Zeichenautomaten nachgebaut: Auf Knopfdruck kritzelt dieser auf Tinguelys Konterfei. Hinter der Laterne steckt der junge Streetartist Timo Waldner.

Weiterlesen
Sandra Kencht

Helena Krauser,Mathias Balzer, FRIDA am 06. März 2025

Sandra Knecht – Ist Kunst auch eine Heimat?

Für die 14. Folge des Kulturpodcasts «FRIDA trifft» haben wir Sandra Knecht in Buus besucht. Die Künstlerin zeigt momentan in der Kulturstiftung H. Geiger in Basel ihren Werkzyklus «Home Is a Foreign Place» – und kocht demnächst in der Serpentine Gallery in London.

Weiterlesen
Helena Krauser

Das ist Helena (sie/ihr): Helena hat Kultur studiert, um über Kultur zu schreiben, während dem Studium aber in so vielen lokalen Redaktionen gearbeitet, dass sie sich in den Lokaljournalismus verliebt und die Kultur links liegen gelassen hat. Nach Bachelor und Praktika startete sie den zweiten Anlauf zur Versöhnung mit der Kunst, ein Master in Kulturpublizistik sollte es richten. Dann kam das Leben (Kinder, Festanstellung bei der bz) dazwischen. Finally beim FRIDA Magazin gab’s dann kurz richtig viel Kultur und die Entdeckung, dass mehr eben doch besser ist. Deshalb macht sie bei Bajour jetzt beides.

Kommentare