Hauptsache keine Zigarettenstummel?
In Basel machen derzeit Plakate auf eine Stop-Littering-Kampagne aufmerksam. Eine Petition findet, damit würde PR für die Tabakindustrie gemacht. Der Kanton widerspricht.
Achtlos auf den Boden geworfene Kleinabfälle kosten Bund und Kantone jedes Jahr Millionen, sind schädlich für die Umwelt und unschön fürs Stadtbild. Eine neue Kampagne testet derzeit verschiedene Mittel gegen Zigarettenstummel-Littering – auch in Basel. Zu «Stopp dem Stummel» gehören auch Plakate, auf denen Raucher*innen mit Gesicht und Namen ein gutes Vorbild abgeben sollen und die Botschaft verbreiten: «Wir entsorgen unsere Zigarettenstummel richtig.»
Nicht bei allen kommt diese Kampagne gut an: «Das Plakat zeigt lachende, gesunde Raucher, und lobt sie dafür, dass sie ihre Stummel richtig entsorgen. Das ist keine Prävention, das ist PR fürs Rauchen», findet Lize Raes, die in einer Petition an den Grossen Rat und den Regierungsrat nicht nur ein Rauchverbot an öffentlichen Orten wie Spielplätzen oder Haltestellen, sondern auch den sofortigen Stopp der Plakataktion fordert.
Eine neue Petition will ein kantonales Rauchverbot an ÖV-Haltestellen. Das Anliegen ist nicht neu, der Regierungsrat setzt aber lieber auf Sensibilisierung statt Verbote.
Wie reagiert das Bau- und Verkehrsdepartement, zuständig für Plakate im öffentlichen Raum, auf die Vorwürfe? Die Kritik der Petentin weist Sprecherin Nicole Ryf zurück: Das Plakatsujet mache explizit keine Werbung fürs Rauchen: «Es sind auch keine Zigaretten darauf zu sehen und das Rauchen an sich wird nicht thematisiert. Es handelt sich um eine Sensibilisierungskampagne gegen das Littering – mit Fokus auf Zigarettenstummel.» Damit verstosse das Plakat nicht gegen geltendes Recht, das Werbung für Tabakwaren, Tabakersatzprodukte und elektronische Zigaretten verbietet.
«Das Plakatsujet macht explizit keine Werbung fürs Rauchen.»Nicole Ryf, Sprecherin BVD
Rund 400 Personen haben die Petition bisher unterzeichnet. Für Raes hängt die Diskussion um ein Rauchverbot mit der Kampagne zusammen: «Ich verstehe, dass in der Schweiz häufig auf Eigenverantwortung gesetzt wird. Aber ich glaube nicht, dass eine Mehrheit der Bevölkerung gegen ein Verbot wäre. Da geht es vor allem um eine Lobby.» Bestätigt sieht sich Raes darin, dass bei der besagten Kampagne neben der öffentlichen Hand auch Vertreter*innen von Tabak-Unternehmen mitgearbeitet haben. Die Kampagnenwebsite nennt etwa Philipp Morris, British American Tobacco oder Japan Tobacco International.
«Ich glaube nicht, dass eine Mehrheit der Bevölkerung gegen ein Verbot wäre. Da geht es vor allem um eine Lobby.»Lize Raes, Petentin
Auf Anfrage der Beratungsfirma Fehr Advice, die für die Kampagne verantwortlich ist, gibt diese nicht bekannt, welche dieser Firmen sich in welchem Umfang daran beteiligt haben. «Die Wirtschaft hat sämtliche bisher getätigte Arbeiten vollumfänglich finanziert», schreibt Senior Consultant Marvin Auf der Landwehr lediglich. Zu diesen Arbeiten gehörten auch Studien, die vor der aktuell laufenden Kampagne durchgeführt wurden, und das Konzept der Kampagne als wissenschaftlich kontrolliertes «Feldexperiment».
Ginge es nach der Bajour-Community, dürfte an Haltestellen jedenfalls nicht mehr geraucht werden: Rund 60 Prozent der Abstimmenden in der Frage des Tages sind für ein Rauchverbot. Damit würde sich auch die Situation mit dem Littering verbessern, hofft Pensionärin Fulvia, die Bajour am Wettsteinplatz angetroffen hat.
Ist die Bajour-Community für ein Rauchverbot an Haltestellen? Viele Leser*innen haben sich dazu schon geäussert. Die Diskussion läuft weiter.
In der Diskussion sprechen sich Befürworter*innen dafür aus, weil es in manchen Fällen schwierig sei, Raucher*innen auf das Thema anzusprechen. Andererseits sehen viele das Littering als störendes und gefühlt grösseres Problem.
Ob ein Rauchverbot die gewünschte Lösung bringen würde, bezweifeln sowohl die kantonalen Behörden als auch Stimmen aus der Community. Denn Fakt ist: Schon heute kostet ein achtlos weggeworfener Zigarettenstummel 100 Franken Busse – wenn man erwischt wird. Statistisch erfasst werden vom Kanton nur allgemeine Zahlen zu Littering-Ordnungsbussen. Rund 140 solche Bussen wurden in den letzten Jahren von der Kantonspolizei ausgestellt und bezahlt. Wie viele davon mit Zigarettenstummeln zusammenhängen, wird nicht erhoben. Weil Polizist*innen diese Verstösse in flagranti beobachten müssen, wird nur eine Minderheit dieser Fälle geahndet. Es ist kein Kristallkugellesen: Bei einem Rauchverbot wäre das ähnlich.