Ein «Ja» zur Demokratie der Zukunft

Das Einwohner*innen-Stimmrecht ist eine sinnvolle Vorstufe zur Einbürgerung, schreibt SP-Grossrätin Edibe Gölgeli. Sie ist der Ansicht, dass Basel mit einer Annahme des Stimm- und Wahlrechts für Ausländeri*nnen als Vorreiterin in der Deutschschweiz ein starkes Signal setzen kann.

Edibe Gölgeli Gastkommentar
(Bild: Georgios Kefalas / Keystone (Collage: Bajour))

Am 24. November 2024 hat der Kanton Basel-Stadt die historische Chance, erneut als Pionier in der deutschschweizerischen Demokratieentwicklung zu glänzen. Fast 60 Jahre nach der Einführung des Frauenstimmrechts können wir mit der Annahme des Einwohner*innen-Stimmrechts  als Kanton einen weiteren bedeutenden Schritt in Richtung einer offenen und fortschrittlichen Gesellschaft gehen. Während sich in Europa rechtspopulistische Tendenzen ausbreiten, kann Basel zeigen, dass seine Demokratie auf Gleichheit und Freiheit setzt.

Ein «Ja» zum Einwohner*innen-Stimmrecht bedeutet, dass auch jene Menschen, die seit Jahren in Basel leben und zur Gemeinschaft beitragen, eine politische Stimme erhalten. Sie arbeiten in Spitälern, der Pharmaindustrie, der Gastronomie oder bei der Polizei, gründen Unternehmen und ziehen hier ihre Kinder gross. Basel ist für sie nicht nur ein Wohnort, sondern eine Heimat. «Me läbt in Basel, me stimmt in Basel» bringt es auf den Punkt: Wer hier lebt, sollte auch mitentscheiden dürfen. Dieses Stimmrecht stärkt die Identifikation der Einwohner*innen mit der Stadt und sendet eine klare Botschaft, dass die Demokratie offen  für alle ist, die zur Gesellschaft beitragen. Basel setzt auf Mitgestaltung und Zugehörigkeit – unabhängig vom Herkunftsland.

Die Politik hat das Wort

Was denken die Politiker*innen aus Basel-Stadt und Baselland über die kantonalen Abstimmungen vom 24. November? Wir gewähren einigen von ihnen im Vorfeld den Platz und überlassen ihnen das Wort. Heute Edibe Gölgeli. Sie ist seit 2015 für die SP im Grossen Rat. Gölgeli ist Mitglied in der Disziplinarkommission, der Justiz-, Sicherheits- und Sportkommission sowie in der Begnadigungskommission. Gölgeli hatte bereits 2019 in einer Motion gefordert, das kantonale Ausländer*innenstimmrecht einzuführen.

Das Einwohner*innen-Stimmrecht ist in der Schweiz bewährt. Rund 600 Gemeinden und einige Kantone haben es bereits erfolgreich eingeführt, was zeigt, dass die Zeit für Basel reif ist. Die Basler Regierung und der Grosse Rat haben die Vorlage gutgeheissen, was die breite politische Unterstützung unterstreicht. Die Vorlage ist durchdacht und vorsichtig: Nur Menschen mit einer Niederlassungsbewilligung (C-Bewilligung) und einem Wohnsitz von mindestens fünf Jahren im Kanton erhalten das Stimmrecht.

Diese Voraussetzungen garantieren, dass wichtige Integrationskriterien wie Sprachkenntnisse, finanzielle Unabhängigkeit und guter Leumund erfüllt sind. Damit dient das Einwohner*innen-Stimmrecht einer sinnvollen Vorstufe zur Einbürgerung.

Mit dem Einwohner*innen-Stimmrecht entwickelt sich die Demokratie weiter. Hier geht es nicht um Machtabgabe, sondern um faire Verteilung, die eine zukunftsorientierte Gesellschaft stärkt. Eine Mehrheit, die bereit ist, ein Stück Macht mit langjährigen Mitbürger*innen zu teilen, schafft eine stärkere Demokratie. Eine Gesellschaft, die nur den Ausschluss kennt, bleibt hingegen fragil und wird durch Mauern statt durch Brücken zusammengehalten. In dieser Vorlage ist das passive Wahlrecht, also das Recht zur Kandidatur für politische Ämter, ausgeschlossen. Diese ausgewogene Herangehensweise ermöglicht es, den Schritt zu mehr Mitbestimmung zu gehen, ohne demokratische Strukturen zu überfordern. Die Vorlage ist keine radikale Veränderung, sondern eine notwendige Anpassung an die Realität einer Stadt, deren Vielfalt eine ihrer grössten Stärken ist.

«Die Abstimmung ist eine Chance, Basel als Stadt der Offenheit und demokratischen Teilhabe zu positionieren.»

Die Einführung des Einwohner*innen-Stimmrechts ist auch ein Zeichen über die Stadtgrenzen hinaus. In einer Zeit, in der Populisten gegen Minderheiten hetzen, zeigt Basel mit einem «Ja» zur Vorlage, dass Demokratie und Inklusion Hand in Hand gehen. Basel kann als Vorreiterin in der Deutschschweiz ein starkes Signal setzen, dass Fortschritt nur im offenen Miteinander möglich ist und stärkt den sozialen Zusammenhalt. 

Ein «Ja» zum Einwohner*innen-Stimmrecht ist ein «Ja» zu einer Gesellschaft, die Vielfalt, Gerechtigkeit und Gemeinschaft lebt und anerkennt. Die Abstimmung ist eine Chance, Basel als Stadt der Offenheit und demokratischen Teilhabe zu positionieren. Bei dieser Entscheidung gibt es nur Gewinner*innen, denn wenn die Stimmberechtigten ein kleines Stück ihrer Macht teilen, um zu verhindern, dass eine Minderheit über die Mehrheit bestimmt, gewinnt die Demokratie an Stärke.

tracking pixel

Das könnte dich auch interessieren

Trump

Valerie Wendenburg,David Rutschmann am 19. November 2025

«Es ist durchaus eine Form von Erpressung»

Die Parlamentarier*innen aus beiden Basel sehen den Zolldeal grösstenteils kritisch, den der Bundesrat mit Trump ausgehandelt hat. Einige wollen ihn bekämpfen, andere wollen die ausgehandelten 15 Prozent nicht gefährden.

Weiterlesen
Hochuli Titelbild Frauenhaus

Michelle Isler am 13. November 2025

EVP-Grossrat fordert Erhöhung der Schutzplätze

Angesichts der hohen Auslastung der Frauenhäuser will EVP-Grossrat Christoph Hochuli, dass Basel mehr Schutzplätze für von Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder schafft. Das Anliegen findet Unterstützung in allen Fraktionen.

Weiterlesen
Velo Ammann

Michelle Isler am 13. November 2025

Wenn die Baustelle das Geschäft kaputt macht

Ein Veloladen an der Burgfelderstrasse sammelt für Gerichtskosten, weil der Kanton ihn für die Umsatzeinbussen während der Grossbaustelle nicht entschädigen will. Derweil findet die Idee eines Unterstützungsfonds im Parlament Zuspruch.

Weiterlesen
KEYPIX - Aktivistinnen der JUSO mit Praesidentin Mirjam Hostetmann, 2. von links, machen mit Plakaten von wohlhabenden Schweizer Erben Werbung fuer ihre Volksinitiative "Initiative fuer eine Zukunft", welche eine nationale Erbschaftssteuer fuer Erbschaften ab 50 Millionen Franken fordert, am Rand der Fruehjahrssession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 18. Maerz 2025 auf der Bundesterrasse vor dem Bundeshaus in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)

Helena Krauser am 13. November 2025

Das musst du zur Erbschaftssteuer-Initiative wissen

Die Zukunftsinitiative der Juso will die Superreichen stärker besteuern und mit den Einnahmen den Klimaschutz stärken. Am 30. November entscheidet die Schweiz, ob sie angenommen wird. Hier die Antworten auf die zehn wichtigsten Fragen.

Weiterlesen

Kommentare

Iman Ahmed
04. November 2024 um 06:36

«Sie lieben die Schweiz, wollen aber keine Einbürgerung»

Auch wenn viele Ausländer seit Jahrzehnten in der Schweiz leben, arbeiten und Steuern zahlen, ist das Stimm- und Wahlrecht ein zentrales Grundrecht, das an die Staatsbürgerschaft gebunden bleiben muss. Die Einbürgerung stellt einen bewussten Akt der Identifikation mit den eigenen Werten und Pflichten dar. Politische Teilhabe sollte nicht nur an Rechte, sondern auch an Verantwortungsbewusstsein und Loyalität geknüpft sein. Wer stimmberechtigt sein will, muss sich zum Schweizer Gemeinwesen bekennen und dessen Werte akzeptieren. Eine Lockerung dieser Regeln würde die Stabilität und den gesellschaftlichen Zusammenhalt langfristig gefährden. Es ist deshalb wichtig, das Stimm- und Wahlrecht nur den Staatsbürgern zuzusprechen, um die Grundsätze und das Gleichgewicht der Schweizer Demokratie zu wahren. Das Stimm- und Wahlrecht ohne Einbürgerung könnte diese demokratischen Grundwerte untergraben und das Vertrauen in das politische Gemeinwesen schwächen.