Ein Stadtmuseum inmitten einer Museumsstadt?

Unsere Kolumnistin Eva Biland freut sich, dass die Restaurants in der Innenstadt länger öffnen sollen. Denn: Das Leben in der Innenstadt verhält sich bisher proportional zu den Ladenöffnungszeiten.

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(Bild: Dominik Plüss / Keystone, Georgios Kefalas (Collage: Bajour))

Mit Freude habe ich die Medienmitteilung des Regierungsrates gelesen: der Boulevardplan der Innenstadt wurde angepasst. Boulevardrestaurants können grundsätzlich ihre Öffnungszeiten um eine Stunde verlängern. Zudem werden Erleichterungen für längere Öffnungszeiten in der Innengastronomie geschaffen. Der Grosse Rat hat den Lärmempfindlichkeitsstufenplan geändert. Die Anpassungen in den kantonalen Beurteilungsinstrumenten treten per sofort in Kraft. Damit lässt sich auf mehr Leben in der schönen Basler Innenstadt hoffen.

Das Leben in der Innenstadt verhält sich bisher direkt proportional zu den Ladenöffnungszeiten. Schliessen erst einmal die Läden, so schwindet das Leben aus der Kernzone und es legt sich eine stille Sterilität über die Strassen und Gassen. Wie kommt es, dass Basel im Vergleich der schweizerischen «Grossstädte» mit Abstand die höchste Leerwohnungsquote von 1.1 Prozent aufweist?

Die höchste Leerstandsquote entfällt auf das Wohnviertel «Altstadt Grossbasel» mit 2.2 Prozent. Der grössere Anteil an Kleinwohnungen in der Altstadt wird im statistischen Leerstandsbericht mitverantwortlich gemacht für diese hohen Quoten. Dieser Sachverhalt kann angesichts der medial viel zitierten Wohnungsknappheit nicht einfach so hingenommen werden.

Eva Biland Kolumne
Zur Person

Eva Biland politisiert für die FDP Basel-Stadt und arbeitet als Hausärztin. In ihrer Kolumne «Bilan(d)z» schaut sie aus bürgerlicher Sicht auf den Kanton und seine Menschen.

Auch stellt sich die Frage inwiefern der durchschnittliche – um 12 Prozent höhere – Mietpreis pro Quadratmeter gerechtfertigt werden kann. Naja, die Basler Altstadt ist in meinen Augen – und ich habe bisher in fünf Schweizer Kantonen gelebt – in Sachen architektonischer Schönheit und historischer Ausdruckskraft zumindest unschlagbar. Das Auge kann sich förmlich sattsehen an einer gewachsenen Fülle von pittoresken Winkeln und Details. Und dennoch weist sie die höchste Leerstandsquote Schweizer Städte auf.

Ich habe mich vor ein paar Jahren einer leerstehenden Wohnung in der Kernzone von Basel angenommen – ein verwaistes Bijou aus der Jahrhundertwende. Das Leben in der Innenstadt ist im Vergleich zu anderen Wohnquartieren oder den Landgemeinden vielleicht einfach nicht genug konkurrenzfähig, was die Bequemlichkeit betrifft. Die Zugänge zu den Liegenschaften sind eingeschränkt, das eigene Velo wird abends in den dritten Stock getragen, weil es im Hauseingang keinen Platz hat und es draussen den nächsten Morgen erfahrungsgemäss nicht unbeschadet erlebt.

Nicht praktikabel für die profanen Bedürfnisse

Handwerker mit ihren Lieferungen müssen sich in der Kernzone an fixe Zufahrtszeiten halten. Der Ersatz einer Geschirrspülmaschine in meiner Küche erfolgte in zwei separaten Terminen, weil sich die Anfahrtszeit des Handwerkers verzögerte. Die Montage konnte dann innerhalb des behördlich vorgeschriebenen Parkier-Zeitfensters nicht – wie vorgesehen – zu Ende gebracht werden, so dass der Handwerker am nächsten Tag ein zweites Mal – diesmal mit dem Tram – zur Montage kam.

Dass diese Aktion sich für den Handwerker betriebswirtschaftlich nicht rechnet, bleibt kein Geheimnis. Um profane Bedürfnisse in der Innenstadt zu erfüllen, braucht es viel Zeit und Schritte. In der Innenstadt reiht sich zwar ein Kleiderladen an den nächsten, es ist jedoch beispielsweise fast unmöglich, rasch ein paar Bildernägel oder einen Blumentopfuntersatz zu kaufen. Die Fussdistanz zur Altglasentsorgungsstation ist derart lang, dass die Versuchung, Glas im Hausmüll zu entsorgen, entschuldbar wird.

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Eine Stunde länger draussen in der Beiz?

Restaurants in der Basler Innenstadt können ihre Öffnungszeiten neu um eine Stunde verlängern, teilt der Regierungsrat mit. Somit können sie im Aussenbereich von Sonntag bis Donnerstag von 7 bis 23 Uhr und am Freitag und Samstag von 7 bis 24 Uhr geöffnet sein. Die Anpassungen treten per sofort in Kraft. Hintergrund: Der Grosse Rat hatte nach einem Vorstoss von 2016 den Lärmempfindlichkeitsstufenplan geändert und dabei in der Innenstadt einige Gebiete umgezont. Dieser Entscheid wurde vor Gericht vergeblich angefochten. Wir haben bei unserer Frage des Tages vom 29. Februar 2024 darüber diskutiert:

Zum Artikel

Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass in der Innenstadt im Vergleich zu Wohnquartieren und Landgemeinden merklich wenige Betagte unterwegs sind? Je langstreckiger die Fussgängerzonen, umso höher die Anforderung an eine intakte Physis und an die Funktion der eigenen Beinkraft.

Was als unmotorisiertes Fussgänger-Eldorado idyllisch daher kommen mag, ist für einen wachsenden Teil der Bevölkerung schlicht nicht praktikabel. Auch das Kinderleben findet nur in reduzierter Form statt. Es böte sich an, eine Schaukel auf dem baumbestandenen kleinen Münsterplatz zu hängen oder ab und an in der Fussgängerzone eine Federwippe zu montieren.

Derweil werden die prächtigen Gebäude in der Innenstadt nach bestem Geschmack herausgeputzt. Hoffnung macht auch das Projekt der Hauptpost, welches ästhetisch mit Sicherheit alle erdenklichen Wünsche erfüllen wird. Kann es aber nicht gelingen, dem stolzen Gebäude auch Leben einzuhauchen, wäre das fatal.

Der Gang vorbei an Basels Kaserne, der durchaus vielversprechenden Globusfassade, durch die leerstehende Rümelins-Passage mit ihren morbid inhaltslosen Vitrinen gleicht eher einem Museumsbesuch als einer Tour durch eine prosperierende Stadt. Man könnte die Innenstadt auch als grosses Stadtmuseum inmitten der Museumsstadt Basel interpretieren.

Die aktuelle Anpassung des Boulevardplanes Innenstadt leitet vielleicht die wichtige Wende zu mehr Leben in Basels Zentrum ein. Angesichts des künftig hohen Wohnungsbedarfs hat es auch die Altstadt verdient, für das Wohnen und Leben attraktiver zu werden. Den geschichtsträchtigen historischen Häuserriesen gebührt mehr Vitalität und eine tiefere Leerstandsquote.

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