Was kommt zuerst: Die Stromtankstelle oder das Elektroauto?

In Basel ist man sich einig: Es braucht mehr E-Autos, ergo auch mehr Ladestationen. Aber wie viele und wer zahlt? Da sind sich links und rechts dann uneinig.

Elektromobilität
Autos mit Stecker soll es bald mehr in Basel geben – dank mehr Ladestationen. (Bild: Ralph Hutter/Unsplash)

Klar ist: Bis im Jahr 2050 müssen alle Autos mit Verbrennungsmotor aus Basel-Stadt verschwinden, so hat es die Bevölkerung beschlossen. Und bis 2050 darf jede*r Einwohner*in nur noch eine Tonne CO2 verschulden, so will es das revidierte Energiegesetz

Unklar ist: Wie kommt Basel dahin? Ein Schritt: Elektroautos statt Verbrennungsmotoren. Momentan muss man Elektroautos im Basler Strassenverkehr noch suchen: Laut Statistischem Amt waren im Februar von 61’640 gemeldeten Pkw in Basel nur 715 elektrisch angetrieben. Das sind 1,16 Prozent. 

Doch schon nächstes Jahr soll die Zahl der Elektrofahrzeuge unter den Neuzulassungen bei 15 Prozent liegen – so sieht es ein schweizweiter Plan vor, der auch für Basel gilt.

Der Weg dahin führt unter anderem über Elektroladesäulen, weil: ohne Tankstelle kein Auto. Der Regierungsrat möchte 200 E-Ladesäulen auf öffentlichen Parkplätzen bauen lassen. Doch der Umwelt- und Verkehrskommission (Uvek) des Grossen Rates geht das viel zu wenig weit. Sie hat das sogenannte Elektromobilitätskonzept vorberaten und will zu den 200 Ladesäulen noch 4’000 Stück dazu:

  • 2’000 in öffentlichen und privaten öffentlichen Parkings 
  • und weitere 2’000 auf privaten Abstellplätzen.

Die Kommissionsmehrheit hat eine entsprechende Motion formuliert, über die der Grosse Rat voraussichtlich diesen Mittwoch befindet. Die Idee dahinter: Je mehr Ladesäulen es gibt, desto mehr Leute kaufen Elektroautos. Uvek-Mitglied Daniel Sägesser (SP) sagt es so: «Die Menschen müssen für ihren Kaufentscheid Gewissheit haben, dass die Ladeinfrastruktur da ist und funktioniert.» Laut einer TCS-Befragung wären viele Menschen bereit, ein E-Auto zu kaufen, wenn es genügend Ladestationen gäbe. «Deshalb ist es wichtig, dass wir in Vorleistung gehen.» Ausserdem dauere es mindestens zwei Jahre, bis die geplanten Stationen fertig sind. «Die 4’000 Säulen sind nicht übertrieben. Das Bedürfnis ist da, wir haben schon genug lang gewartet und müssen jetzt vorwärts machen.»

200 vs. 4’200 Säulen

200 Ladesäulen: Der Regierungsrat beantragt für die Finanzierung von öffentlich zugänglichen 170 Quartierladestationen und 30 Schnellladestationen einen Investitionsbeitrag in Form eines bedingt rückzahlbaren, zinslosen Darlehens an die Industriellen Werke IWB in der Höhe von 11.4 Mio. Franken. Ziel ist es gemäss Ratschlag, die Ladesäulen bis Ende 2026 sukzessive zu installieren.

4’200 Ladesäulen: Die Verkehrskommission schlägt dem Regierungsrat vor, zusätzlich zu den 200 Säulen ca. 1000 Ladestationen in öffentlichen Parkhäusern zu erstellen sowie durch Subventionen ca. 1'000 Ladestationen in privaten öffentlichen Parkhäusern und ca. 2'000 Ladestationen auf privaten Abstellplätzen zu fördern. Mit den Einnahmen aus dem E-Mobilitäts-Tarif will die Kommission die Kosten für alle 4’200 Ladepunkte decken.

Wie ist die Kommissionsmehrheit auf 4’200 benötigte Ladesäulen gekommen? 

Uvek-Präsident Raphael Fuhrer (Grüne) sagt, die Kommission habe sich unter anderem an der Zahl der öffentlich zugänglichen Parkplätze orientiert. Und zudem am Anfangsbedarf, der eine kritische Grösse erreichen muss, damit der Ausbau Erfolg hat. Dieser Bedarf werde sich voraussichtlich in den kommenden Jahren ergeben.

Auch die Finanzierung spielt eine Rolle. 200 Ladestationen im Strassenraum seien «relativ teuer», sagt Fuhrer. Die Erschliessung eines Parkplatzes mit einer Stromleitung kostet etwa 30’000 Franken. Wenn die Leitungen erst mal liegen, sind die Säulen nachher günstig aufgestellt: «Mit dem gleichen Geld kann man in Parkhäusern und Einstellhallen ein Vielfaches an Säulen erstellen», argumentiert Fuhrer.

Nur bedingt rückzahlbar

Deshalb setzt die Uvek, abgesehen von den staatlichen Parkhäusern, vor allem auf den Ausbau auf privatem Grund: private Parkhäuser und private Abstellplätze. Dort gebe es ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis, weil mehr Parkplätze an einem Ort konzentriert sind und nicht so weit auseinander liegen wie an der Strasse. Die Kommission geht davon aus, dass sich die Kosten so viel schneller amortisieren lassen. Für die 200 Ladepunkte ist derzeit ein bedingt rückzahlbares Darlehen für die IWB geplant.

Bedingt rückzahlbar, weil die Kosten für die 200 Säulen kaum durch die Einnahmen gedeckt werden können. Das meiste gehe auf «Staatskosten», wie Sägesser sagt. «Das ist in der Kommission nicht gut angekommen, dass am Ende auch Menschen und Firmen zahlen müssen, die kein E-Auto haben.»

Die Kommissionsmehrheit hat deshalb ein neues Finanzierungsmodell entworfen. Die Idee: Alles aus dem Energieförderfonds zu bezahlen. Damit das Geld reicht, will die Kommissionsmehrheit den E-Mobilitätstarif für alle Stationen um ca. 2,5 Rappen pro Kilowattstunde erhöhen. Gleichzeitig soll der Tarif ganz oder teilweise von der üblichen Lenkungsabgabe von 5 Rappen befreit werden können.

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Es geht auch ohne Benzin oder Diesel. (Bild: giphy.com)

Bürgerliche halten dagegen

Umgekehrt sieht das die bürgerliche Minderheit: Die Regierung würde lieber erst mal schauen, ob die Leute Elektroautos kaufen, bevor sie Ladesäulen baut, die niemand braucht. Das nenne sich «nachfragesteuerter Ausbau». Entsprechend wurde die Kommissionsmotion mit nur 10 von 13 Stimmen überwiesen. 

Dagegen ist zum Beispiel Beat K. Schaller von der SVP. Den Ausbau der E-Ladesäulen hält er im städtischen Bereich zwar für sinnvoll. Aber: «Was für die SVP nicht aufgeht, ist der sehr aggressive Plan von 4’000 zusätzlichen Säulen, das geht viel zu weit. Damit würde man eine Technologie hofieren, ohne dass man weiss, wie sich andere Technologien langfristig entwickeln werden.» 

Motion, Kommission hä?

Alle Grossrät*innen und auch Kommissionen können eine Motion einreichen. Wird sie angenommen, muss der Regierungsrat ein neues Gesetz, eine Verfassungs- oder Gesetzesänderung oder eine Massnahme vorbereiten und dem Grossen Rat vorlegen. Mehr zu den parlamentarischen Instrumenten hier.

Eine Kommission ist eine Gruppe von Parlamentarierer*innen aus verschiedenen Parteien. Sie bereiten grössere Geschäfte im kleinen Kreis vor und lösen gröbste Streitpunkte. Danach kommt das Geschäft erst ins gesamte Parlament. Die Komissionsmitglieder briefen vorher aber ihre Parteigspäänli, damit man nachher im Rathaus nicht nochmals jede Diskussion eine zweites Mal führen, sondern schneller abstimmen kann. Es gibt z.B. eine Verkehrskommission, eine Baukommission oder eine Finanzkommission. Mehr dazu hier.

Die SVP plädiert, wie die Regierung, für abwarten und beobachten: «Wenn wir sehen, dass die E-Mobilität sich gut entwickelt, schauen wir weiter. Das ist keine prinzipielle Absage, sondern eine pragmatische Nachfragehaltung.»

Und auch Uvek-Mitglied Thomas Müry sagt: «Derzeit gibt es keine Zahlen, die eine so hohe Nachfrage belegen.» Der LDP-Politiker findet es ausserdem widersprüchlich, einerseits den Verkehr zu minimieren und andererseits E-Mobilität zu fördern. «Das ist schwer vereinbar.»

Elektro oder Wasserstoff?

Der Gewerbeverband steht, wie üblich, auf der Seite der bürgerlichen Parteien. Es brauche stärkere Anreize, private Ladestationen zu errichten anstatt eines staatlichen Aufbaus von Ladestationen in Parkhäusern, schreibt er in einer Stellungnahme an die Grossrät*innen. Dass die Motion die Förderung von 2’000 Ladestationen bei privaten Personen fördern will, erwähnt der Verband in der Mitteilung nicht. Auch die Handelskammer bewertet die Forderung nach 4’000 zusätzlichen Ladesäulen als «übereilt» und fordert erstmal eine Bedürfnisanalyse.

Zumindest der Elektromobilitätsverband der Schweiz, Swiss Mobility, glaubt an einen rasch wachsenden Bedarf. Das zeigt ein Blick in seinen Bericht: Ende 2019 fuhren in der Schweiz 13’165 Neufahrzeuge ausschliesslich elektrisch fuhren. Das entspreche im Vergleich zum Vorjahr einer Zunahme von 158 Prozent. Der Verband beruft sich auf verschiedene Auswertungen, nach denen die Autohersteller in den nächsten fünf bis zehn Jahren 300 Millionen US-Dollar in die Entwicklung der Elektromobilität investieren werden. Bis 2040 sollen mehr als 30 Prozent aller Autos weltweit einen Stecker haben.

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