Linke Angst vor den Grünen
Esther Keller hat die Wiederwahl in die Regierung bequem geschafft. Sowohl Linke als auch Rechte haben für sie gestimmt, aus Angst vor den Grünen. Eine erste Analyse.
Auch wenn eine gewisse Aufbruchstimmung herrschte, mit welcher die links-grüne Mehrheit im Regierungsrat hätte zurückgeholt werden sollen, war es am Ende eben doch nur eine gewisse. So unzufrieden scheint man mit Esther Keller von der GLP die vergangenen vier Jahre doch nicht gewesen zu sein – weder im linken noch im rechten Lager. Sonst hätte sie am Sonntagmittag nicht 10’000 Stimmen mehr geholt als ihre grüne Herausforderin Anina Ineichen, und diese damit im Regen stehen lassen. Keller wurde entgegen derartiger Behauptungen am Ende von den beiden politischen Blöcken nicht zerrieben, sie wurde von ihnen vielmehr für eine weitere Legislatur in die Exekutive gehievt.
Nicht nur die Bürgerlichen dürften ordentlich Kreuzchen bei Keller gesetzt haben, um das in ihren Augen grüne Schreckgespenst Anina Ineichen zu verhindern. Auch bei der SP haben wohl über 50 Prozent der Wähler*innen für Keller gestimmt und Ineichen die Unterstützung verweigert. Sind die SP-Wählenden etwa doch noch ein wenig beleidigt, weil die Grünen mit der Kandidatur von Jérôme Thiriet die Wahl des SP-Regierungsrat Mustafa Atici erschwert haben? Vielleicht.
Klar ist: Der linke Flügel im SP-Parteivorstand und in der Basis, die 1300 Mitglieder zählt, hat Ineichen unterstützt, das wurde in den letzten Wochen deutlich; die SP war im Wahlkampf präsent und hat sogar an alle Basler Haushalte ein Unterstützungsschreiben geschickt.
Dass im sozial-liberalen Flügel die eine oder andere Stimme aber auf die bestehende Zusammensetzung und somit auf Kontinuität gesetzt hat, ist nicht auszuschliessen. Zumindest haben sich SP-Urgesteine wie Hans-Peter Wessels (alt Regierungsrat) oder Anita Fetz (alt Ständerätin) im Vorfeld der Wahl dahingehend geäussert. Und auch ein grosser Teil der breiten SP-Wähler*innenschaft hat es offenbar so gewollt. Die Zahlen lügen nicht.
Mehr als ein paar neue Bäume
Dem links-grünen Lager ist es demnach nur bedingt gelungen, die Wähler*innen von den Vorteilen einer linken Mehrheit im Regierungsrat zu überzeugen. Eine solche hätte nämlich nicht nur ein bisschen mehr Bäume gepflanzt und weitere Parkplätze abgebaut, sondern auch in entscheidenden finanz- und wirtschaftspolitischen Vorlagen linke Pflöcke eingeschlagen und sozialpolitische Akzente gesetzt. Sie hätte ihr ganz eigenes Agenda Setting gemacht, welches der bürgerlichen Politik im Kanton massiv geschadet hätte. Das wurde zu wenig deutlich.
Es ist aber auch nicht auszuschliessen, dass selbst manchen SPler*innen die Grüne Anti-Auto-Polarisierung zu ideologisch gewesen ist. Ineichen fordert sogar ein Flugverbot, auch damit dürften sich viele Sozialdemokrat*innen schwer tun. Für solche Forderungen erhält sie jenseits der eigenen Partei und der noch linker tickenden Basta kaum Unterstützung. Es dürfte eine bestimmte Angst vor den Grünen bestehen, dass sie einem zu viel des angehäuften und lieb gewonnenen Wohlstandes wieder wegnehmen könnten.
Ein weiterer Trumpf für die Bürgerlichen: Durch die Nichtwahl Ineichens wird auch Raphael Fuhrer nicht in den Grossen Rat nachrutschen, der Grüne schied erst bei der Gesamterneuerungswahl im Herbst überraschend aus. Fuhrer hat mindestens so radikale Ansichten in Bezug auf den motorisierten Verkehr wie Ineichen und als ehemaliger Präsident der Umwelt- und Verkehrskommission zudem viel Macht.
Apropos Macht: Manche Stimmen behaupten, das linke Lager wolle gar nicht so viel Macht. Und Macht hätte es bei einem Sieg Ineichens tatsächlich viel gehabt: Im Grossen Rat hat links-grün bei den letzten Wahlen leicht zugelegt (Mini-Linksrutsch), was in Zukunft im Parlament oft zu einer Pattsituation links gegen rechts führen dürfte. Da ist die Frage legitim, ob es vernünftig gewesen wäre, mit einer Mehrheit im Regierungsrat und ordentlich Kohle einfach alles durchzuboxen? Oder ob die Konstellation 3:1:3, bekannt als Basler Zauberformel, doch angebrachter ist?
In der Schweiz ist man sich weitgehend einig, dass eine gute Politik konsensorientiert ist. Werden politische Anliegen zu sehr durchgedrückt, steigt die Unzufriedenheit und gesellschaftliche Gegenbewegungen bleiben nicht aus. Auch die Bevölkerung gilt es mitzunehmen. Und vielleicht kann Keller aus der politischen Mitte hier gerade für klimapolitische Anliegen mehr Akzeptanz schaffen als Ineichen.
Auch für die Linken im Parlament ist die Wahl von Keller angenehmer, sie können weiterschimpfen gegen die Vorsteherin des Bau- und Verkehrsdepartement, die so viel nicht falsch, aber doch einiges richtig gemacht zu haben scheint.
Angriff auf Sitz Engelberger
Längerfristig dürfte die Linke erneut einen Angriff wagen. Möchte die Mitte ihren Sitz verteidigen, ist davon auszugehen, dass Regierungsrat Lukas Engelberger, der dem Gesundheitsdepartement vorsteht, in dieser Legislatur zurücktreten wird. Denn: Die Chancen für die Mitte stünden bei einer Ersatzwahl besser als bei einer Gesamterneuerung des Regierungsrats. Das linke Lager hätte mit Anina Ineichen bereits eine gute Kandidatin aufgebaut, um erneut ins Rennen zu steigen. Und müsste nicht mal eine Partei mit Grün im Namen aus der Exekutive verdrängen.
Angreifen werden aber wohl auch die FDP und die SVP. Dass das linke Lager in diesem Fall geschlossen eine dezidiert bürgerliche Kandidatur verhindern könnte, ist realistisch. Bei einer bürgerlichen Kandidatur wäre es einfacher zu vermitteln, wieso es diese zu verhindern gilt als bei Keller, die mit Ineichen nicht nur im Smart-Spider quasi deckungsgleiche politische Positionen aufweist.
In anderen Worten: Die geschlossene Linke würde eine bürgerliche Kandidatur verhindern. Und hätte sie auch dieses Mal verhindert. Wäre der Name der LDP-Regierungsrätin Stephanie Eymann und nicht jener von Esther Keller auf dem Wahlzettel gestanden, hiesse die heute gewählte Regierungsrätin wohl Ineichen.
Aber so hat die Linke ein Auge zugedrückt. Weder Fisch noch Vogel zu sein, war dieses Mal wohl ein Vorteil für die GLP. Vielleicht aber auch der Grund, warum Keller überhaupt in den zweiten Wahlgang musste.