Facebook: Esther Keller schaltet Werbung ohne Polit-Kennzeichnung
Mit einem Transparenz-Versprechen ist die GLP-Kandidatin in den Regierungsrats-Wahlkampf gestiegen. Bajour-Recherchen zeigen nun: Auf Facebook deklarierte die Partei im Gegensatz zu einem Grossteil ihrer Konkurrenz die Werbeaktivitäten nicht vollständig.**
Wahlplakate, Fernsehspots und Zeitungsinserate sind transparent: Jeder sieht, wer für wen um Stimmen weibelt. Ganz anders auf Facebook. Dort unterstützt zum Beispiel FCB-Rekordtorschütze Marco Streller die Grünliberale Regierungskandidatin Esther Keller mit einer Videobotschaft. Wie oft diese Anzeige ausgespielt worden ist, weiss niemand. Ebensowenig, ob alle Nutzer*innen angegangen worden sind, oder zum Beispiel nur gezielt Volleyballspieler*innen zwischen 18 und 30 Jahren aus Riehen. (Esther Keller spielt Volleyball).
Und sobald die Kampagne vorbei ist, verschwinden auch die letzten Belege, dass es sie überhaupt gegeben hat. Das ist problematisch, und genau deshalb hat Facebook klare Regeln bezüglich Polit-Werbung: «Im Hinblick auf mehr Transparenz, Verantwortlichkeit und einen gesunden Diskurs müssen Werbetreibende, die Wahlwerbung schalten möchten, ihre Anzeigen in der öffentlichen Werbebibliothek eintragen, wo sie sieben Jahre verbleiben», schreibt der Konzern. Und so lautet denn auch die erste Frage beim Erstellen einer Anzeige:
Die Bürgerlichen und Rot/Grün haben ihre Wahlwerbung deklariert. So können Journalist*innen, aber auch alle anderen Interessierten, nachvollziehen, dass das «Überparteiliche Komitee '2020 Cramer Dürr Engelberger Eymann'» seit September rund 2500 Franken in Facebook-Werbung investiert hat. Die Werbung wurde gleichmässig an Frauen und Männer über 18 Jahren ausgespielt, die in Basel-Stadt wohnen. Am meisten Geld liess das Unterstützungskomitee für einen Videospot liegen, der das Viererteam beim gemeinsamen Spaziergang durch die Basler Innenstadt zeigt.
Der SP-Regierungsrats-Wahlkampf hat auf Facebook rund 1100 Franken gekostet, rund die Hälfte davon ist –Stand 16. November – in den zweiten Wahlgang geflossen. Die BastA! hat weniger als 100 Franken ausgegeben, die Grünen Basel-Stadt halten sich aus dem zweiten Wahlgang bisher ganz raus (sie schalteten lediglich Werbung für die Konzernverantwortungsinitiative und fürs Hafenbecken). Auch diese Angaben sind in der Ads Library öffentlich zugänglich.
Und die Grünliberalen?
Keine Angaben. Am Freitag waren acht Anzeigen am Laufen, die auf allen Kanälen ausgespielt wurden (nebst Facebook auch Instagram und über das Facebook-Audience-Network auf einer Vielzahl weiterer Websites). Heute sind diese aus dem Katalog verschwunden. Wie viel die Anzeigen gekostet haben, an wen sie ausgespielt worden sind und wie viele es im ganzen Wahlkampf waren? All diese Informationen machte die «Transparenz»-Partei nicht öffentlich. Wir haben bei Parteipräsidentin Katja Christ nachgefragt.
Frau Christ, Weshalb hat die GLP ihre Facebook-Werbung nicht als Wahlwerbung deklariert?
Katja Christ: «Es ist ein Versäumnis. Ich kann das nicht schön reden, ich kann es nur besser machen. Nach Ihrem Hinweis haben wir diese zusätzliche Funktion* sofort bei Facebook beantragt, denn wir möchten Transparenz schaffen. Sämtliche zukünftigen Anzeigen werden nun entsprechend ausgewiesen. Wir begrüssen diese zusätzliche Funktion sehr.»
Wie viel Geld hat die GLP im Regierungsratswahlkampf für Werbung auf Facebook, Instagram und im Facebook-Audience-Netzwerk ausgegeben?
Christ: «Für die Parlamentswahlen (Liste 10) und den ersten Wahlgang der Regierungsratswahlen (Esther Keller) wurden 7400.- auf Facebook, 1100.- auf Instagram, 350.- im Audience Netzwerk und 4.- im Messenger ausgegeben. Wir sollten ca. 130'000 Personen erreicht haben.»
Angabe in der Schweiz freiwillig
In der Schweiz sind die Regeln für Facebook-Werbung vergleichsweise lasch, die Parteien entscheiden selbst, ob sie ihre Wahlwerbung deklarieren und damit ihre Anzeigen in der Datenbank sichtbar machen wollen. Die Republik hat dem Thema im vergangenen Herbst einen ausführlichen Artikel gewidmet. Die Autorin urteilte, dass bereits die Möglichkeit für hiesige Verhältnisse eine «Transparenzoffensive und damit fast schon ein subversiver Akt» sei. In anderen Ländern ist das Netzwerk strikter. In 95 Ländern von Argentinien bis Zypern werden bei Wahlwerbung proaktiv Autorisierungen verlangt. Ob und wann das auch in der Schweiz geschieht, ist unklar. Vielleicht wäre es an GLP-Nationalrätin Christ, da mal nachzuhaken.
*Die GLP hält fest, ihre Polit-Werbung schon immer nur über den Kanal der offiziellen GLP-Seite geschaltet und daher nach aktuellstem Kenntnisstand jeweils bestmöglich als Polit-Werbung deklariert zu haben. Während dieser Recherche ist Bajour auch auf eine Anzeige der LDP gestossen, die nicht als Polit-Werbung deklariert worden ist. LDP-Präsidentin Patricia von Falkenstein sagt dazu: «Da bei uns mehrere Personen für Social Media zuständig sind, werden wir dem nachgehen.» Zudem sei die Angabe in der Schweiz freiwillig.
**In einer ersten Version lautete der Titel: "Esther Keller angelt Stimmen mit verdeckter Werbung". Die GLP hat ihre Praxis nach Erscheinen des Artikels sofort angepasst und nutzt nun sämtliche in der Schweiz zur Verfügung stehenden Transparenz-Tools. Zudem wurde glaubhaft dargelegt, dass es sich um ein Versehen handelte. Die Redaktion hat entschieden, den Titel anzupassen, da der Begriff verdeckte Werbung etwas falsches suggerieren könnte.