Genossinnen, wird die SP jetzt eine grüne Feminist*innen-Partei?
Lisa Mathys und Jessica Brandenburger sind die neuen SP-Präsidentinnen. Was ist ihr Plan?
Pascal Pfister ist Geschichte. Neu führen Lisa Mathys und Jessica Brandenburger die SP. Als Co-Präsidentinnen mit zwei Vizes unter sich: Stefan Wittlin und Marcel Colomb. Am 19. April wurden sie von der Basis gewählt. Alle ausser Colomb sind im Grossen Rat.
Mathys hat sich in den letzten Jahren als grüne Verkehrspolitikerin einen Namen gemacht, Brandenburger wurde als Juso-Präsidentin bekannt und bringt sich mit dezidierten feministischen Voten ins Gespräch. Etwa nach dem feministischen Streik am 14. Juni oder bei der Nomination der Regierungskandidierenden letzten Herbst.
Dieses Interview erschien erstmals am 26. Februar, als Lisa Mathys und Jessica Brandenburger ihr Interesse am Präsidium bekannt gaben. Anlässlich ihrer Wahl haben wir das Interview aktualisiert.
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Lisa Mathys, Jessica Brandenburger: Wen von Ihnen muss ich in Zukunft anrufen, wenn ich eine Frage zur SP Basel-Stadt habe?
Lisa Mathys: Grundsätzlich beide. Wir werden im engen Austausch sein und immer voneinander wissen, welche Meinung wir zu aktuellen Themen haben. Für Journalistinnen und Journalisten wird die Situation sogar einfacher. Wir beide können nicht 24/7 erreichbar sein, als Co-Präsidentinnen schaffen wir das schon eher.
Haben Sie nicht Angst, dass die SP mit zwei Köpfen an Profil verliert? Ich erinnere an das Co-Präsidium der nationalen Grünen vor ein paar Jahren. Ich weiss nicht mal auswendig, wie die damalige Co-Präsidentin von Regula Rytz überhaupt hiess. Sie?
Jessica Brandenburger: Die Zeit der Einzelkämpferinnen ist vorbei. Ziel ist, dass wir die Aufgaben und Termine auf mehreren Schultern verteilen können. Mehr Leute bringen mehr Ideen, mehr Flexibilität und mehr Austausch und das schätzen wir.
Politik ist Kommunikation und ein Peoples Business. Inhalte lassen sich besser über bekannte Personen transportieren, nicht?
Lisa Mathys: Nein, es geht nicht darum, als Einzelkopf bekannt zu werden, sondern darum, einen guten Job zu machen. Und die Belastung von Parteipräsidien hat sich nun mal sehr verändert. Früher konnte man per Briefpost auf Medienanfragen antworten. Heute muss man als Präsidentin in weniger als 30 Minuten reagieren. Als Team lässt sich das besser bewältigen.
Wie bewältigen Sie die Aufgabe, in drei Jahren die verlorene rot-grüne Mehrheit in der Regierung zurückzuholen?
Jessica Brandenburger: Mit der SP sind wir auf gutem Weg. Es liegt vor allem an den Grünen, den verlorenen Regierungssitz für ihre Partei zurückzuholen.
Das hat die SP schon im Herbst gesagt. Genau mit dieser Einstellung hat Rot-grün die Mehrheit verloren.
Lisa Mathys: Es war nie unser Anspruch, als SP vier Kandidierende zu stellen. Irgendwo hört unsere Kompetenz auf. Es ist nötig, dass die Grünen nach ihrem schnellen Wachstum Boden finden und das machen sie, da bin ich überzeugt. Die Partei ist im Umbruch, gibt sich ein neues Präsidium. Aber wir können ihnen nicht diese Aufgaben abnehmen. Wir hatten bei der SP einen Generationenwechsel zu bewältigen und das ist uns sehr gut gelungen.
So klar war die Situation in der SP aber nicht. Jessica Brandenburger, Sie waren vor den Wahlen hässig, weil die SP mit zwei Männern (Kaspar Sutter und Beat Jans) und nur einer Frau (Tanja Soland) antrat. Hätte die SP statt Jans oder Sutter wie von Ihnen gefordert, Kerstin Wenk aufgestellt, hätten die Grünen einen Mann bringen können – und vielleicht gewonnen.
Jessica Brandenburger: Ich bin nicht sicher, ob eine weibliche SP-Kandidatur den grünen Sitz gerettet hätte. Die Abwahl von Elisabeth Ackermann war schmerzlich und meiner Meinung nach nicht gerechtfertigt. Jetzt müssen sich die Grünen aufbauen. Dass alle drei SP-Kandidierenden gewählt wurden freut uns natürlich sehr.
Ist die Grüne Nora Bertschi parat?
Jessica Brandenburger: Das müssen Sie die Grünen fragen.
«Wir können nicht für die Kandidaturen der anderen linken Parteien die Verantwortung übernehmen.»Lisa Mathys, Kandidatin für ein SP-Co-Präsidium
Die SP und ihre Wähler*innenschaft schienen bei der Regierungsratswahlen gespalten. Offiziell stand die Partei hinter der BastA!-Kandidatin Heidi Mück, doch viele Sozialdemokrat*innen fanden sie unwählbar.
Lisa Mathys: Ich hatte nicht den Eindruck, die SP sei gespalten gewesen. Wir alle kennen die Qualitäten von Heidi Mück und wissen, wieviel Gutes sie für Basel bewirkt hat. Die Frage war eher, ob die Kandidatur Erfolg haben kann.
Da habe ich von gestandenen, gut integrierten SP-Mitgliedern was anderes gehört.
Lisa Mathys: Ich nicht. Aber nochmals: Wir können nicht für die Kandidaturen der anderen linken Parteien die Verantwortung übernehmen. Die Bündnispartner sind eigenständig.
Sie beide sind deutlich links. Jessica Brandenburger, Sie haben sich einen Namen als pointierte Feministin gemacht, Lisa Mathys, Sie setzen sich laut für grüne Anliegen ein. Sind Sie die Richtigen, um die ursprüngliche Arbeiterpartei SP zu einen?
Lisa Mathys: Ich bin überzeugt, dass wir das können. Wir treten übrigens nicht zu zweit an, sondern zu viert mit Stefan Wittlin und Marcel Colomb als Vizepräsidenten. Wir vier haben unterschiedlichste Hintergründe und suchen den Austausch mit allen Parteimitgliedern.
Der bisherige Präsident Pascal Pfister war Gewerkschaftler. Lisa Mathys, Sie haben jetzt lange Zeit für die Baselbieter SP gearbeitet. Jessica Brandenburger, Sie sind Studentin. Wie erreichen Sie die Arbeiter*innen?
Jessica Brandenburger: Wir arbeiten neben unseren Grossratsmandaten beide in der Privatwirtschaft. Ich arbeite 40 Prozent als Sozialpädagogin mit Kindern mit psychischen Einschränkungen. Und ich studiere Teilzeit, wenn es gut läuft, bin ich nächsten Winter fertig.
Lisa Mathys: Ich arbeite seit August 2020 als Projektleiterin erneuerbare Energien bei Energie Zukunft Schweiz AG. Jessica und ich sind lohnabhängige Leute und kennen die Bedürfnisse der arbeitenden Bevölkerung, auch wenn wir persönlich sicher privilegierte Verhältnisse haben. Sollten wir gewählt werden, wäre unsere erste grosse Abstimmung der Mindestlohn. Das ist zwar nicht unser Verdienst, aber es wäre ein wichtiger Meilenstein. Die SP hat einen guten Kontakt zu den Gewerkschaften.
Die SP macht zwar Umweltpolitik, aber die Bevölkerung spricht den Grünen in Umweltfragen mehr Kompetenzen zu.
Lisa Mathys: Damit müssen wir leben. Klima und Umwelt sind die Megatrendthemen. Ich bin überzeugt, dass wir eine gute grüne Politik machen.
Die bessere als die Grünen?
Lisa Mathys: Eine pragmatischere. Die SP steht in diesem Punkt für eine Politik der kleinen Schritte, die schnell zum Ziel führt.
Haben Sie ein Beispiel?
Lisa Mathys: Zum Beispiel die Dekarbonisierung im Verkehr. Vereinfacht gesagt: Für die Grünen ist klar, es darf keinen motorisierten Individualverkehr mehr geben. Die SP dagegen setzt zuerst aufs Dekarbonisieren. Wir wollen als erstes Elektro-Autos fördern, dann Car-Sharing stärken und so kommen wir Schritt für Schritt automatisch weg vom Individualverkehr. Das dünkt uns der sozialverträglichere Weg.
«Auch unter dem jetzigen Präsidium ist die SP Basel-Stadt links, feministisch und grün.»Jessica Brandenburger, Kandidatin für ein SP-Co-Präsidium
Ich frage nochmals: Sie sind pointiert links, feministisch und grün. Was bedeutet das für die Ausrichtung der SP Basel-Stadt?
Jessica Brandenburger: Das ist kein grosser Kurswechsel. Auch unter dem jetzigen Präsidium ist die SP Basel-Stadt links, feministisch und grün.
Kommen Sie: Alle SP-Regierungsrät*innen sind frisch gewählt und linker als die Vorgänger*innen. Sind Sie der linke Stachel, der dafür sorgt, dass Ihre Regierungsrät*innen nicht so weit rechts rutschen wie Eva Herzog oder Hans-Peter Wessels es waren?
Lisa Mathys: Es liegt in der Natur der Sache, dass neue Regierungsmitglieder näher bei der Partei sind und sich dann mit der Zeit etwas entfernen. Aber ich würde mich sehr über die Zusammenarbeit freuen. Ich glaube nicht, dass wir ein linkeres Profil haben als das bisherige Präsidium. Wichtig ist, dass wir das linke Profil behalten und dafür stehen wir.
Jessica Brandenburger: Wir wollen die Politik der SP Basel-Stadt weiterführen und auch als Partei nicht stehen bleiben. Wir freuen uns auf alles, was auf unser Team zukommt und sind optimistisch, dass wir für die kommenden Herausforderungen bereit sind.