Baschi Dürr: «Ich habe nicht das Gefühl, dass ich mich über mein Geschlecht definiere»
Wir haben mit dem härtesten Mann in der Regierung über Männlichkeit und Feminismus gesprochen. Und das haben wir jetzt davon: Ein Gespräch wie ein Pingpong-Spiel mit sehr viel Wind.
Männer und der Feminismus, wo stehen wir ein Jahr nach dem Frauen*streik? Ich, Vertreter der Generation Gschpürschmi, schreibe Baschi Dürr eine Mail. Ich wolle mit ihm über seine Machtposition und Männlichkeit reden. Eine Minute später ruft er an. Klar, können wir machen.
Ein Gespräch über Männlichkeit findet in der Öffentlichkeit nicht statt. Beweise? Meine Kollegin Naomi Gregoris hatte drüben bei Facebook eine simple Frage gestellt: Männer, wann werdet ihr aufgrund eures Geschlechts benachteiligt? Die Typen in den Kommentarspalten sind zu einem nicht unerheblichen Teil ausgeflippt: Was der Scheiss soll und ob wir nichts Besseres zu tun hätten? Das Thema Männlichkeit an sich überhaupt auf die Agenda zu setzen, wird von ganz vielen Männern offenbar immer noch als Frontalangriff aufgefasst.
Männliche Rollenbilder sind wohl auch darum so vollkommen eingepanzert und unbeweglich, weil wir kleinen Soldaten nicht daran mitarbeiten, die Festung zu schleifen. Wir Männer müssen lernen, über uns zu reden. Ohne Scham, ohne Angst davor, das Gesicht zu verlieren. Wenn wir erstmal eine Sprache gefunden haben, können wir vielleicht herausfinden, wovor wir eigentlich so verdammt fest Angst haben die ganze Zeit.
Wir müssen also über Männlichkeit sprechen und zwar öffentlich und mit allen. Dass sich hier zwei Männer unterhalten, ist Absicht. Dieses Gespräch darf nicht nur zwischen woken, sich progressiv gebenden Dudes am Lagerfeuer stattfinden, sondern da, wo man es nicht vermutet. Bei Baschi Dürr im Büro zum Beispiel.
Ich bin natürlich ganz aufgeregt. Als ich ausgerechnet dem harten Mann in der Regierung diese Anfrage schickte, ging es mir nicht nur um Symbolpolitik. Ich bin da, um die Festung zu schleifen (Autor küsst ironisch seinen Bizeps). Aber ganz sachlich gesehen sind Männer in Dürrs Position auch wichtige Vorbilder, Rollenbilder. Sie haben symbolisch und realpolitisch gesehen einfach verdammt viel Gestaltungsmacht. Da ist es doch vollkommen logisch, mit genau diesem Mann über DAS gesellschaftspolitische Thema der Stunde zu reden. Ab geht's.
Baschi Dürr, als ich Sie um dieses Interview bat, haben Sie sich ironisch beklagt, ich hätte in der Anschrift das Gendersternchen vergessen.
Baschi Dürr: Ich bin schon konditioniert.
Dann haben Sie gesagt, das sei aber schon richtig so, Sie seien nun mal ein heterosexueller, weisser cis-Mann.
Ich wusste, dass Sie das aufschreiben.
Ich weiss, dass Sie das wussten, und dass Sie das natürlich gerade deswegen mit Absicht gemacht haben.
Alles ist weniger geplant als Sie denken. Aber ich provoziere natürlich bewusst etwas.
Wie würden Sie sich beschreiben, als Mann?
Als Mann. Also erstmal bin ich einfach ein Mann. Ich bin auch durchaus glücklich damit. Ich habe dazu nichts beigetragen, das war Zufall. Eine Fügung der Biologie. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass ich mich über mein Geschlecht definiere. Ich habe aber auch nicht ansatzweise ein Problem damit. Ähm, ja. Wie beschreiben Sie sich denn als Mann?
Also ich erlebe zum Beispiel immer wieder Momente, in denen ich damit konfrontiert werde, dass ich ein Mann bin. Dass mir das auch problematisierend zum Vorwurf gemacht wird. Dann denke ich vielleicht darüber nach, ob ich in ganz normalen sozialen Situationen zu dominant auftrete gegenüber Frauen*…
…tatsächlich? Das muss eine Generationenfrage sein. Wie alt sind Sie, wenn ich fragen darf?
Ich bin 30 Jahre alt. Ich weiss nicht ob das eine Generationenfrage ist, also in den Kreisen, in denen ich mich bewege –
Also dann verkehren wir in ganz anderen Kreisen.
Damit haben wir die Fronten abgesteckt. Ab hier ist irgendwie klar, dass das ein Streitgespräch wird. Ich bin der Herausforderer, Dürr der Verteidiger. Wir haben jetzt einen Wettbewerb. Ich frage mich im Nachhinein, warum das so sein musste und ob das Gespräch eine andere Wendung genommen hätte, wenn ich nicht mit diesem Gendersternchen eingestiegen wäre. Im Moment war ich zu beschäftigt damit, meine Fragen beieinander zu halten und die Rückfragen zu parieren. Dürr ist ein Stratege. Wenns brenzlig wird, spielt er den Ball einfach zurück.
Er trägt einen dunkelblauen Anzug mit Krawatte, ich bin im Pullover da, aber das fällt mir erst auf, als ich mich hinsetze. Bin ich irgendwie underdressed oder so? Neben ihm sehe ich aus wie ein fauler Demonstrant. Selber schuld. Weiter im Text. Wir waren beim Männergehabe im privaten Kontext.
Baschi Dürr, kommen so Zweifel am Mannsein bei Ihnen nie aufs Parkett?
Nein. Das Mannsein an sich ist praktisch nie ein Thema. Ich meine das nicht in einem alten patriarchalen Country-Club-Verständnis von Mann. Sondern einfach in einem ungezwungen aufgeklärten Sinne, dass jeder so ist wie er ist. Aber natürlich bin ich befangen in der Selbstbeurteilung.
Hat Ihnen nie zum Beispiel bei einer Gartenparty jemand gesagt: «Baschi, du redest zu viel. Jemand kommt nicht zu Wort»? Gibt es kleine Konfrontationen, in denen Sie spezifisch als Mann angesprochen und auf Ihr Verhalten aufmerksam gemacht werden?
Und dann sagt man Ihnen, Sie als Mann reden zu viel?
Das kann vorkommen.
Jesses Gott, dann bewegen wir uns glücklicherweise an ganz unterschiedlichen Gartenparties.
Kann es sein, dass Sie das nicht merken, weil Sie es gewohnt sind, als Autoritätsperson wahrgenommen zu werden?
Es passiert manchmal, dass die Leute von sich aus aufhören zu plaudern, aber wegen meines Amts, nicht wegen meines Geschlechts. Aber im Privaten bin ich meistens von mir aus eher still. Ich stehe schon beruflich genug im Rampenlicht.
Warum mussten Sie das mit dem Gendersternchen gleich aufs Korn nehmen? Provoziert Sie das?
Ich mag den Diskurs. Aber ja, ich sehe das durchaus auch kritisch. Die ausufernde Gleichstellungsdiskussion kippt ja irgendwann, wie soll ich das sagen. Ich versuche es mal so: Nehmen wir als Analogie das Strafrecht und die Unschuldsvermutung: Solange Ihnen nicht die Schuld bewiesen ist, sind Sie unschuldig. Sie müssen ihre Unschuld nicht beweisen.
Was hat das mit dem Gendersternchen zu tun?
Bei diesem Thema droht eine gewisse «Problemvermutung». Statt tatsächlich Probleme, die es unbestreitbar gibt, zu lösen, werden solche solange gesucht, bis man sie tatsächlich gefunden zu haben meint. Es gibt unterschiedliche Menschen, die zusammen auskommen müssen und es in aller Regel ja auch tun. Nicht jede Problematisierung ist eine Lösung.
Als Dürr anfängt vom Strafrecht zu reden, verliere ich kurz die Fassung. Auf dieser Ebene bin ich nicht gewohnt über das Gendersternchen zu diskutieren, ich bin eher vorbereitet auf Ein-Sternchen-repräsentiert-keinen-Menschen-Einwände, aber er kommt mit der Unschuldsvermutung, auweia.
Dürr weiss aber offenbar auch nicht genau, wie er das alles sagen soll. Er dreht sich jetzt leicht ab und prüft seine Worte sorgfältig und schaut an mir vorbei aus dem Fenster, wenn er redet. Im Übrigen hat er einen Blick fest wie ein Schraubstock. Ich ringe natürlich ebenfalls um Worte. Zum Schluss sehen Interviews immer so fertig aus, aber als wir hier über das Gendersternchen reden, wird das Gespräch ziemlich zauslig. Wie ein Pingpong-Spiel im Park mit sehr viel Wind.
«Und dann sagt man Ihnen, Sie als Mann reden zu viel? Dann bewegen wir uns glücklicherweise an ganz unterschiedlichen Gartenparties.»Baschi Dürr
Aber es stimmt doch nicht, dass wir kein Problem haben. Wir leben in einer Welt, die viele Menschen einfach unsichtbar macht. Das Gendersternchen versucht, diesen Ausschluss ein wenig aufzuweichen und zum Beispiel beim Thema Sprache anzusetzen.
Es gibt ja tatsächlich wenige Leute, die sind nicht-binär. Und dass es da sehr schwierige Situationen gibt, wenn Leute schubladisiert werden, obwohl es für sie keine Schubladen gibt, das kann ich nachvollziehen. Aber ob das Sternchen jemanden im Alltag nützt, bin ich nicht vollends überzeugt. Aber selbstverständlich soll es jeder verwenden können, der das will.
Aber?
Zentral ist für mich die rechtliche Gleichstellung. Die zwischen Frau und Mann ist erreicht, jene zwischen Hetero- und Homosexuellen ist glücklicherweise auch schon fast auf der Zielgeraden, die Ehe für Alle ist heute mehrheitsfähig. Und dann sucht man nach dem nächsten. Man sieht das an der Abkürzung LGBTIQ. Da kommt alle halbe Jahre nochmals ein Buchstabe hintendran. Da frage ich mich manchmal schon, ob die Grösse der Debatte im Verhältnis zum Thema steht. Eine abschliessende Antwort habe ich aber nicht.
Kennen Sie eine nicht-binäre Person?
Jetzt müssen Sie nochmal ganz genau definieren, was eine nicht-binäre Person ist.
Jemand, der*die sich nicht als Mann oder Frau identifiziert. Das kann sowohl das soziale Geschlecht oder das biologische Geschlecht betreffen. Es gibt Uneindeutigkeiten.
Ich kenne persönlich Leute, die das Geschlecht gewechselt haben. Eine non-binäre Person kenne ich nicht bewusst. Ist denn dieses Thema überhaupt Teil der Feminismus-Debatte?
Die Gleichstellung aller Geschlechter ist ein Teil der Feminismus-Debatte.
Aber der Begriff Feminismus ist ja auch wieder binär.
Es gibt nicht den Feminismus, es gibt vielleicht Feminismen. So wie ich ihn verstehe, versucht der Feminismus, alle Gruppen von Menschen zu berücksichtigen
Warum nennt man es dann Feminismus und nicht Maskulinismus?
Weil der Feminismus auch eine Kritik ist an einer männerdominierten Gesellschaftsordnung. Fühlen Sie sich von Symbolen wie dem Gendersternchen irgendwie in Frage gestellt?
Ich fühle mich überhaupt nicht bedroht, jeder darf das Sternchen benutzen, solange niemand muss. Ich frage mich nur, ob man am Schluss all dieser Debatten jemandem hilft oder ob die Debatten zum Selbstzweck werden und man dann mehr Probleme hat als vorher.
Ein wirkliches Problem kriege ich da, wo die Politik effektive statt gesetzliche Gleichheit, nicht Gerechtigkeit, erreichen will. Das finde ich falsch. Totale Gleichheit politisch durchgesetzt, davon bin ich überzeugt, ist am Schluss ein moralisches Verbrechen. Die Welt lebt von der Vielfalt.
Das ist natürlich wahnsinnig einfach zu sagen für Sie. Sie sind in einer privilegierten Position und stehen damit auf der sonnigen Seite der Vielfalt.
Wenns einem gut geht, man erfolgreich und gesund ist, dann lässt sich das einfacher sagen. Da haben Sie sicher recht. Lustig ist aber auch, dass Sie mir als Mann den Feminismus erklären. Stellt sich auch immer die Frage, wer hier den Advokat spielt für wen.
Naja, Sie haben mich danach gefragt. Ausserdem geht der Feminismus auch Sie und mich etwas an, wie ich bereits versucht habe zu sagen.
Wirkliche Ungerechtigkeit werden wir mit solchen Symbolen nicht lösen. Denken wir zum Beispiel an die USA. Die unterprivilegierten Trump-Wähler fühlen sich durch die Nutzung eines Gendersternchens nicht besser abgebildet, ganz im Gegenteil. Unsere Debatte mag interessant sein, ist aber auch etwas kopfig. Das hilft denen nicht.
Verflucht. Ich hab einen ganz zentralen Einsatz in dieser Auseinandersetzung leider einfach verpasst. Das Privileg, die Welt lebe von der Vielfalt zu sagen und damit zu meinen, alles solle bleiben, wie es ist. Das muss man erstmal haben. Dürr sagt einfach, das mag sein.
Und trifft mich dann mit einem linken Haken da, wo Typen wie ich am einfachsten zu treffen sind. Dass ich als Mann hier sitze und ihm den Feminismus erkläre, das ist natürlich scheisse. Darum will ich ja lieber über Männer reden, aber irgendwie sind wir damit durch. Ab in die Schlussrunde.
Was verstehen Sie denn unter Gleichheit?
Das Ameisenprinzip. Alle sind genau gleich. Es ist bemerkenswert, dass jene, die überall Ungerechtigkeiten entdecken, hier noch ein Förderprogramm aufstellen und da noch ein Verbot einrichten wollen – das sind dieselben, die sich eine vielfältige Gesellschaft wünschen. Vielfalt und Gleichheit, zu Ende gedacht, sind Antonyme. Und merkwürdigerweise gelten beide als linke Begriffe.
Sprechen wir von Chancengleichheit. Was tun Sie in ihrem Departement dafür?
Wir schreiben seit einigen Jahren alle Stellen grundsätzlich 80 bis 100 Prozent aus, meines Wissens als erstes Departement. Wir haben angefangen mit einer Rekrutierungsquote. Das heisst, zumindest in der ersten Runde müssen zwingend mindestens ein Mann und eine Frau eingeladen werden. Dazu kommen neu sogenannte Bias-Trainings, damit Vorgesetzte ihre Verhaltensmuster bei der Anstellung reflektieren. Die Gefahr besteht, immer die gleichen anzustellen, übrigens auch in Bezug auf das Alter, nicht nur das Geschlecht. Zudem setzt die Kantonspolizei einen Rekrutierungsfokus hin zu mehr Frauen. Insgesamt hat sich der Kaderanteil der Frauen seit meiner Amtszeit um ein Drittel erhöht.
Das ist doch toll. Würden Sie sich denn als Feminist bezeichnen?
Wenn ich mir anhöre, was Sie hier als Definition vorschlagen – ist man dann ein Feminist, solange man ein guter Mensch ist, oder wie?
Möglicherweise. Aber das war nicht die Frage.
Ich versuche ein guter Mensch zu sein, deswegen würde ich mich aber nicht als feministisch bezeichnen. Wie auch immer: Meine Hauptbotschaft ist, dass die Politik nicht alles lösen soll und darf. Ich glaube auch nicht an den Satz «Das Private ist politisch». Das ist ein ganz gefährlicher Satz. Wenn die Politik anfängt, in das Private, in die Gemeinschaft hinein zu befehlen, kann das ganz gewaltig nach hinten losgehen. Ich habe mich dazu auch im Zusammenhang mit 1968 schon geäussert .
«Sie wollen von mir wissen, ob ich in meiner Rolle absichtlich männliche Härte zeigen muss? Ich habe mir diese Frage noch nie geschlechtlich gestellt, bevor Sie mit dem gekommen sind.»Baschi Dürr
Finden Sie gut, was die MeToo-Bewegung erreicht hat?
Wenn dies langfristig zu mehr Selbstbewusstsein und einer Entkrampfung der Geschlechterverhältnisse führt, dann ja.
Ihr politischer Auftrag ist ja eng an Macht und die Durchsetzung von Staatsgewalt geknüpft. Können Sie überhaupt ein Mann sein, der Schwächen zulässt, oder werden Sie dann öffentlich zerfleischt?
Ich habe mir diese Frage noch nie geschlechtlich gestellt, bevor Sie mit dem gekommen sind. Also Sie wollen von mir wissen, ob ich in meiner Rolle absichtlich männliche Härte zeigen muss? Nein, ich glaube nicht.
Wirklich nicht? Als Polizeidirektor waren Sie doch bestimmt schon in einer Lage, in der von ihnen verlangt wurde, wie man so sagt, dass Sie «Ihren Mann» stehen?
Nein. Ich verfolge meine Polizeipolitik mit Augenmass konsequent, was immer mal wieder Kritik von links wegen zu viel und von rechts wegen zu wenig Härte gibt. Dass diese Kritik aber mit meinem Geschlecht verbunden worden wäre, etwa ich sei kein ganzer Mann oder gegenteilig voll toxischer Männlichkeit – nein, daran mag ich mich nicht erinnern.
Als Sie 2012 für den Regierungsrat kandidierten, haben Sie für sich einen halben Tag für Familienarbeit eingefordert, Sie haben das Waschtag genannt. Die ganze Stadt lachte darüber. Waschi-Baschi reimten die Schnitzelbänke, Sie wurden als Frau karikiert. Glauben Sie, dass Sie heute 2020 immer noch für eine Forderung nach einem Waschtag ausgelacht würden?
Ich komme ja aus der Kommunikation und gebe zu, dass ich diese Reaktionen auch bewusst hervorgerufen habe. Aber ich war dann doch erstaunt, dass es so viele Reaktionen gab. Der Waschtag war Thema in jedem einzelnen Schnitzelbank. Das hat gezeigt, dass das noch weniger eine Selbstverständlichkeit ist, als ich dies vermutet hatte. Jetzt wo ich so drüber nachdenke, könnte ich mir vorstellen, dass das heute, acht Jahre später, nicht mehr ganz so heftig wäre.
Zum Beispiel dafür setzt sich der Feminismus ein. Dass Männer Wäsche waschen können, ohne dafür ausgelacht zu werden.
Das ist auch gut so. Die Frage ist nur, ob es dafür die ganz grosse Bewegung braucht. Wenn ich am Donnerstagnachmittag für die drei Söhne zuhause bin, und das ist ja übrigens auch nicht so viel, muss ich mich deswegen nicht als Feminist fühlen.
Dürr begleitet mich zur Tür. Am nächsten Tag bedankt er sich per Mail für das interessante Gespräch und schickt einen Artikel, den er im «Schweizer Monat» über 1968 und den Satz «Das Private ist Politisch» geschrieben hat. Titel: Der Sündenfall.
Zwei Tage später telefoniere ich mit einer Freundin und sie erzählt mir, wie ihr an einer Geburtstagsparty wieder irgendwer an den Arsch gefasst habe. Zum x-ten Mal, sagt sie, sei das passiert, und dann erzählt sie, wie sie immer und immer wieder sexualisiert werde und die Tatsache, dass sie eine Frau ist, angesprochen («Für eine Frau spielst du aber gut Fussball»), oder mit Blicken und übergriffigem Verhalten ausgestellt wird.
Mir passiert das wirklich nicht oder sehr selten, denke ich.
Und weiter: Dass dieses Interview auch darum so kopfig und ich so wenig parat war, zupackender dagegenzuhalten. Weil ich als weisser cis-Mann, weil Baschi Dürr als weisser cis-Mann, so gütlich durch unseren Alltag surfen und das Geschlecht allermeistens keine Rolle spielt. Wir weissen Männer haben die Welt so eingerichtet, dass wir uns nicht daran stossen.
Aber das ändert sich gerade. Am Frauenstreik 2019 hab ich ein Banner gelesen, auf dem stand: «Dem Patriarchat die Kniescheibe rauswummern». Aua.
Disclaimer: Dieses Gespräch wurde vor dem Frauen*streik am 14. Juni 2020 und der hitzigen Konfrontation zwischen den Teilnehmer*innen einer unbewilligten Demonstration und der Polizei geführt.