Es geht ums Basler Image

Es ist eher aussergewöhnlich, dass das Präsidialdepartement im Vorfeld von kantonalen Abstimmungen zu einer Medienkonferenz bittet. Wie Regierungspräsident Conradin Cramer sagt, hätten aber alle drei Abstimmungen vom 24. November immense Auswirkungen auf den Kanton Basel-Stadt – das könne gar nicht deutlich genug gesagt werden.

Katrin Grögel, Conradin Cramer, Jenny Pieth, Christoph Bossardt
Katrin Grögel, Conradin Cramer, Jenny Pieth und Christoph Bosshardt orientieren über die kantonalen Abstimmungen. (Bild: Valerie Wendenburg)

Conradin Cramer hat an diesem Montagmorgen gleich zwei Hüte auf. Er spricht in seiner Funktion als Regierungspräsident und als Vorsteher des Präsidialdepartements zu den Medienvertreter*innen und betont: Sowohl die Volksinitiative «für mehr Musikvielfalt» als auch das Stimm- und Wahlrecht für Ausländer*innen und das Referendum gegen die Ausgabenbewilligung für die Durchführung des Eurovision Song Contest (ESC) liegen in der Verantwortlichkeit seines Departements. Damit betritt Cramer Neuland, er sagt: «Das habe ich in sieben Jahren als Vorsteher des Erziehungsdepartements kein einziges Mal erlebt.» 

Und er macht klar, dass der Wahlsonntag im November ein ganz besonderer Tag für Basel ist. Der Wahlsonntag wird eine Strahlkraft nach innen wie auch nach aussen haben, so Cramer. Daher sei es ihm ein Anliegen, persönlich über die Empfehlungen des Regierungsrats zu informieren.

Als es um die Musikvielfaltinitiative geht, ergreift Katrin Grögel das Wort. Die Basler Kulturchefin wiederholt, was sie bereits vergangene Woche am Bajour-Podium «Fair oder spaltend?» gesagt hat und widerspricht erneut den Initiant*innen: «Es gibt bereits Fördermöglichkeiten für Musiker*innen aus allen Genres. Alle haben heute schon Zugang zur Förderung», so Grögel. Zudem gebe es bereits wesentliche Verbesserungen für die freie Szene im Zuge der Trinkgeldinitiative. Grögel spricht sich klar gegen den geforderten Systemwechsel aus, der mit einer fixen Förderquote von mindestens 30 Prozent für freischaffende Musiker*innen eingeführt werden soll. 

Katrin Grögel
«Die Musikbranche würde im Falle einer Quotenregelung klar gegenüber anderen Branchen wie Tanz oder Literatur bevorzugt.»
Katrin Grögel, Basler Kultur-Chefin

Sollte die Initiative angenommen werden, würde die freie Musikszene künftig sechs bis acht Millionen Franken Fördergelder jährlich erhalten. Da sich der Regierungsrat klar gegen eine Erhöhung der Fördergelder ausgesprochen hat, müsste das Geld bei den Institutionen kompensiert werden. Grögel betont, dass die geforderte fixe Quote der falsche Weg sei, denn im Falle einer Annahme wären Institutionen wie das Sinfonieorchester, das Gare du Nord oder der Bird's Eye Jazz Club in ihrer Existenz gefährdet. In diesem Zusammenhang betont sie, dass zum Beispiel das Sinfonieorchester jährlich bis zu einer Million Franken Gage an freischaffende Musiker*innen zahlt. «Zudem würde die Musikbranche im Falle einer Quotenregelung klar gegenüber anderen Branchen wie Tanz oder Literatur bevorzugt», so Grögel. Aus den genannten Gründen lehnen sowohl der Grosse Rat wie auch der Regierungsrat die Initiative ab.

Anders als bei der Initiative zur Musikvielfalt sagen sowohl der Regierungsrat wie auch der Grossrat klar «Ja» zum Stimmrecht für Ausländer*innen. Jenny Pieth, Co-Leiterin Abteilung Gleichstellung und Diversität, trägt die Pro-Argumente vor. Sie betont, dass heute rund 38 Prozent der Bevölkerung in Basel nicht stimm- und wahlberechtigt seien. «Das kann als Demokratiedefizit wahrgenommen werden», so Pieth.

Jenny Pieth farbig hoch
«Es wird von den Menschen mit Niederlassungsbewilligung viel erwartet, sie sollen künftig aber auch Rechte haben.»
Jenny Pieth, Co-Leiterin Abteilung Gleichstellung und Diversität

 Eine gesellschaftliche Teilhabe sei eine wichtige Voraussetzung für die Integration. Es sei das Ziel, einen chancengerechten Zugang für alle Personen zur politischen Partizipation zu gewährleisten. «Stimm- und Wahlrecht sind wichtig für die Integrationspolitik vom Kanton, da sie das Zugehörigkeitsgefühl und die Identifikation stärken», sagt Pieth. Sie betont, dass wichtige Fachkräfte aus dem Ausland die Basler Gesellschaft mittragen. «Es wird von den Menschen mit Niederlassungsbewilligung viel erwartet, sie sollen künftig aber auch Rechte haben und über Belange, die ihren Alltag betreffen, mitentscheiden dürfen.»

Als es um das Referendums gegen die Ausgabenbewilligung für die Durchführung des ESC geht, hält Cramer ein längeres Plädoyer für den Anlass, bis schliesslich Christoph Bosshardt, Leiter Abteilung Aussenbeziehungen und Standortmarketing, zu Wort kommt. Cramer tanzt zwar kein zweites Mal durchs Rathaus, macht aber keinen Hehl daraus, wie sehr ihm der musikalische Grossevent am Herzen liegt. Er wolle vertieft erklären, warum der Regierungsrat der Ansicht sei, dass die immerhin knapp 35 Millionen Franken netto für die Durchführung des ESC gut investiertes Geld seien. 

Allein die grosse Wertschätzung gegenüber der Hotellerie, Gastronomie und des Gewerbes würden die hohe Investition rechtfertigen, ganz abgesehen davon, dass der Standort Basel und der Tourismus langfristig profitieren würden. Bosshardt erinnert daran, dass andere Grossanlässe wie die Baselworld in der Stadt fehlen und der ESC nun eine «wahnsinnige Chance» für Basel sei. Es gehe darum, Basel als weltoffene Kulturstadt in aller Welt zu präsentieren und international auch für künftige Anlässe zu empfehlen. Das sei auch nötig, denn die Hotels in Basel seien in der Regel nicht ausgelastet. 

Christoph Bosshardt
«Wir haben eine nationale Verantwortung und repräsentieren die Schweiz. Diese einmalige Chance müssen wir nutzen.»
Christoph Bosshardt, Leiter Abteilung Aussenbeziehungen und Standortmarketing

Seit 25 Jahren lautet das Ziel im Standortmarketing «Put Basel on the Map» – diese Chance sei nun gekommen. «Eine bessere Chance bekommen wir nicht», so Bosshardt. Sollte das Referendum gegen den ESC angenommen werden, würde der weltweit grösste Musikanlass wohl dennoch in Basel stattfinden. Allerdings in «sehr reduzierter und abgespeckter Version». Bosshardt sagt: «Wir haben eine nationale Verantwortung und repräsentieren die Schweiz. Diese einmalige Chance müssen wir nutzen. Ansonsten würde unser Land massiv an Ansehen einbüssen». Anschliessend ergreift Cramer erneut das Wort – und als hätte irgendjemand noch einen Zweifel daran, sagt er: «Meine Vorfreude ist ungebrochen.» Der Medienanlass diene der Information, eine Kampagne fahre der Regierungsrat selbstverständlich nicht», sagt er auf Nachfrage. Seine Begeisterung für den ESC in Basel kann (und will) Cramer aber dennoch nicht verheimlichen. 

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Nach dem Studium, freier Mitarbeit bei der Berliner Morgenpost und einem Radio-Volontariat hat es Valerie 2002 nach Basel gezogen. Sie schreibt seit fast 20 Jahren für das Jüdische Wochenmagazins tachles und hat zwischenzeitlich einen Abstecher in die Kommunikation zur Gemeinde Bottmingen und terre des hommes schweiz gemacht. Aus Liebe zum Journalismus ist sie voll in die Branche zurückgekehrt und seit September 2023 Senior-Redaktorin bei Bajour. Im Basel Briefing sorgt sie mit ihrem «Buchclübli mit Vali» dafür, dass der Community (und ihr selbst) der Lesestoff nicht ausgeht.

Kommentare

Stephan Brunner
04. November 2024 um 20:00

Naja, da bin ich mit Frau Grögel nicht gleicher Meinung

«Alle haben heute schon Zugang zur Förderung.» Aber mit sehr anderen Budgets, was die Initiative ausgleichen will. «Zudem gebe es bereits wesentliche Verbesserungen für die freie Szene im Zuge der Trinkgeldinitiative.» Richtig, und trotzdem sind es noch immer weniger als 30% für die freie Szene, was nicht im Verhältnis zu ihrer Leistung steht. «... das Geld [müsste] bei den Institutionen kompensiert werden.» Es bleiben 4 Jahre um kreativ und konstruktiv an der Umsetzung zu arbeiten. Ich denke da kann man was machen. «...denn im Falle einer Annahme wären Institutionen wie das Sinfonieorchester, das Gare du Nord oder der Bird's Eye Jazz Club in ihrer Existenz gefährdet.» Mit Existenzbedrohung Angst zu machen empfinde ich als destruktiv und unwahr. Klar wären es eine Herausforderungen die Lösungen brauchen. Das Bird's Eye unterstützt übrigens die Initiative so weit ich weiss. u.s.w

Simon Petermann
04. November 2024 um 19:59

Ein Trauerspiel

Wie absurd die Argumente gegen die Musikvielfaltsinitiative sind wird einem klar, wenn die Stadt Basel unbedingt den ESC-Einheitsbrei mit viele Millionen unterstützen will. Wie war das nochmals mit: „Popmusik braucht keine Förderung“ - „Der Markt soll es regeln“ - „Kein Budget“ - „Keine Wertschöpfung“ Vorallem ist die Haltung der Politiker*innen so scheinheilig. Die Musikvielfaltsinitiative sagt ja nichts darüber aus, ob in anderen Sparten nicht auch die freie Szene mehr unterstützt werden würde. Und einerseits heisst es, im Regierungsrat stünde eine Kürzung bei den Institutionen nicht zur Debatte, andererseits heisst es, das Sinfonieorchester müsste dann Millionen sparen. Absurd? In der Tat. Arbeitsverweigerung? Aber sicher. Ein Trauerspiel auf dem Buckel der schwächsten der Kreativszene…

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Roberto Barbotti
Vorstandsmitglied JUSO, Musiker

Verbesserungen reichen nicht!

Die TGI hat viele Verbesserungen gebracht. Aber am Infoanlass der Abteilung Kultur im Sommer wurde auch mehmals erwähnt, dass wir vom Ziel des Fairpay noch weit entfernt sind. Das, weil aufgrund fehlender Mittel und Zugänge bei den Gefässen für die freie Szene derart selektiv gefördert werden muss, dass sehr viele professionell hochstehende Kultuschaffende immer noch Probleme haben, ihre Leute gerecht zu bezahlen oder überhaupt von einem substanziellen Beitrag profitieren zu können. Es braucht endlich klare Lösungen für ein bestehendes Problem. Die Musikvielfaltinitiative ist eine mögliche Lösung. Sie bietet durch ihre Unformuliertheit den nötigen Spielraum, um weitere Lösungen möglich zu machen und alle Betroffenen ins Boot zu holen für eine Ausarbeitung, die „verhebt“. Ich habe das Vertrauen in die Regierung, das Parlament, in die Abteilung Kultur und am Schluss auch in die Bevölkerung, dass sie diese Lösungen bei Annahme der Initiative möglich machen. Deshalb stimme ich JA.