In der Krise wird er emotional
Maurus Ebneter steht derzeit öfters im Rampenlicht, als ihm lieb ist. Der Präsident des Basler Wirteverbands gilt als diplomatisch. Doch seit Corona zeigt er plötzlich Gefühle. Wer ist der Mann?
«Jetzt, wo ich Sie persönlich treffe, muss ich Ihnen sagen: Sie leisten grossartige Arbeit für uns – auch im Fernsehen waren Sie toll, vielen Dank.» Die Frau sagts, verlässt den Tisch – Maurus Ebneter lächelt. Er sitzt in einem Café unweit seines Hauses in Binningen. Die Frau von eben arbeitet in dem Lokal. Seit Corona ist Ebneter in den Medien omnipräsent, man sieht und liest ihn öfter als Regierungsrät*innen. Viele Fremde loben ihn auf der Strasse.
«Es geht nicht um meine Person.»Maurus Ebneter, Präsident Basler Wirteverband
Er selbst freut sich darüber, irgendwie ist es ihm aber auch unangenehm. «Es geht ja nicht um meine Person», sagt er. «Im Zentrum steht mein Engagement für die Gastronomie.» Maurus Ebneter ist nicht nur Präsident des Basler Wirteverbands, er verkörpert ihn. Und nicht erst seit der Wahl zum Chef 2018.
Bisher nicht als Selbstdarsteller aufgefallen
Ebneter ist 57 Jahre alt, hat eine Frau und zwei Kinder und stammt aus dem Appenzellerland. Das ist alles, was die Öffentlichkeit über ihn privat weiss. Im Gegensatz zu anderen in solchen Ämtern ist Ebneter bisher nicht als Selbstdarsteller aufgefallen. Es gab keine impulsiven Interviews, nie einen öffentlichen Streit oder Eklat – und das, obwohl es genug Anlass dafür gegeben hätte.
«Als Primarschüler sammelte ich das Leergut im elterlichen Hotel ein. Deshalb kann ich so gut Kopfrechnen».Maurus Ebneter
Boulevardbewilligungen, Öffnungszeiten, Lärmvorschriften: Erst seit Corona erlebt die Öffentlichkeit auch einen anderen Ebneter. Einen, der für seine Verhältnisse beinahe emotional wirkt. Etwa, wenn er sich zur mitternächtlichen Corona-Polizeistunde für Clubs äussert. «Ist um Mitternacht Schluss? Natürlich nicht. Junge Leute werden nicht nach Hause gehen, sondern gerade im Sommer im öffentlichen Raum herumhängen», schreibt er auf der Facebook-Seite des Verbands.
Dort informiert Ebneter Wirt*innen und Gäste sehr rasch über die neuesten Entwicklungen. Auch auf der Website findet einfach Hilfe, wer solche benötigt. Das schätzen viele Beizer*innen – vor allem jetzt, wo es schwer ist, die Übersicht zu behalten. «Maurus Ebneter setzt sich extrem für uns ein, ich fühle mich gut betreut vom Wirteverband», sagt Cécile Grieder, Beizerin der Lokale «Roter Bären», «Grenzwert» und «Perron».
«Der Verband ist jünger geworden.»Cécile Grieder, Beizerin
Das Gastro-Urgestein fand nicht immer lobende Worte für den Verband. «Es gab Zeiten», sagt sie, «da wäre ich am liebsten ausgetreten, weil mir die Mitgliedschaft nichts brachte.» Jetzt aber profitiere sie davon. «Der Verband ist jünger geworden, die Berichte auf Facebook etwa sind cool geschrieben.»
Verkrustetes Image abgeschüttelt
Ähnlich klingt es bei Nikhil Bigler von der Bar «Schall und Rauch»: «Der Verband gibt Gas, das finde ich super.» Teilweise empfände er Ebneters Kommentare als «spitzfindig», andererseits müsse diese Branche mehr kämpfen als andere Branchen. «Ich fühle mich vom Verband gut unterstützt, gerade in der Krise.»
Beizer*innen, deren Lokale ein urbanes und jüngeres Publikum anziehen, fühlten sich bis vor wenigen Jahren oft ungehört vom Wirteverband. Dieser galt als verkrustet und konservativ. Und tatsächlich: Unter Ebneters Vorgänger Josef Schüpfer kamen Anliegen der hippen Kulturszene kaum vor. Schüpfer selber fiel dann auf, wenn er in den Medien tagelang über veterinäramtliche Auflagen für die Blauforellen in seiner Beiz jammerte. Ebneter führt schon lange keinen Betrieb mehr – und trotzdem: Für die Öffentlichkeit gilt er als der Mann für alle Gastrobetriebe – egal ob Café im Speckgürtel, Gourmetlokal an bester Lage oder Nachtclub.
Als Primarschüler habe er das Leergut im elterlichen Hotel eingesammelt, erzählt er: «Deshalb kann ich so gut Kopfrechnen». Doch statt weitere Details über seine Person preiszugeben, erzählt er lieber von seinen Eltern, lange und leidenschaftlich. Der Vater sei ein Visionär gewesen, stets bereit für neue Abenteuer. Die Mutter eine arbeitsame Frau, die sich früher kaum Ruhe gegönnt habe.
Die Zeit als Sohn einer Hoteliersfamilie beschreibt Ebneter als schön. Kein Wunder, hat er später mit einer kaufmännischen Ausbildung im Gastrobereich und der Hotelfachschule denselben Weg eingeschlagen. Nach Jobs in der ganzen Schweiz eröffnete er in den 80er-Jahren Nachtbetriebe in Basel. So kam er zum Wirteverband, zunächst als Delegierter und Mediensprecher und dann, vor zwei Jahren, als dessen Präsident.
Doch schon vor der Amtsübernahme war er es, der in der Öffentlichkeit Auskunft gab. Meistens jedenfalls. Wollten Journalist*innen eine realistische Einschätzung, etwa zum Rauchverbot, fragten sie den diplomatischen Mediensprecher an. War den Medienvertreter*innen nach Wirbel, gaben sie dem Präsidenten Schüpfer das Wort.
Lieber Lobbyist als Politiker
Der Unmut in der Szene über den «Altherren-Verein» war vor zwei Jahren so gross, dass der Wunsch nach einer weiblichen und jüngeren Spitze zu einer Kampfwahl zwischen der «Tapas del Mar»-Wirtin Pia Elia und Ebneter führte. Ebneter holte 94 von 97 Stimmen, kam dem Wunsch der unzufriedenen Wirt*innen aber mit mehr Frauen im Vorstand nach.
Ebneters Einfluss reicht bis in die Regierung. Prominentestes Beispiel: die Dreidrittel-Lösung.
Dieser Vorstand existiert nach wie vor, doch nach aussen ist es fast immer nur einer, der kämpft, vertritt, fordert: Ebneter. Er ist einer, der sich politisch nicht klar verorten lässt. «Unsere Anliegen finden von links bis rechts Gehör, je nachdem, worum es geht», sagt er.
Entsprechend versucht er, es sich mit keiner Partei zu verscherzen. Bisher mit Erfolg. Selber in die Politik einsteigen komme für ihn vor allem wegen seines Wohnortes im Baselbiet nicht infrage. Aber auch, weil seine Arbeit als Lobbyist der Sache mehr diene, als wenn er als Grossen Rat im Rathaus sässe.
Ebneter hat schon lange einen guten Draht zu Parlament und Regierung. Jüngstes Beispiel ist die Dreidrittel-Lösung für Geschäftsmieten. Das Paket machte Schweizweit Schlagzeilen. Der Deal: Während Corona übernimmt der Kanton einen Drittel der Miete, ein weiteres Drittel übernehmen die Vermieter*innen und das letzte Drittel die Geschäftsinhaber*innen selbst. Die Regierung unterstützte das Geschäft, Finanzdirektorin Tanja Soland (SP) vertwitterte:
Der Grosse Rat winkte das Geschäft ohne Gegenstimme durch.
Doch der Mann, der die Stränge zog, mag sich nicht auf die Schultern klopfen. Ebneter sagt bescheiden: «Die Tatsache, dass ich bei den Verhandlungen dabei war, hat bei den Hauseigentümern vermutlich Wirkung erzeugt. Aber am meisten für das Rettungspaket hat Beat Leuthardt vom Mieterverband geleistet.» Sein Verdienst sei es, dass die Limite nun so hoch ist, wie sie in städtischen Verhältnissen nötig sei. «Und gewiss habe ich dazu beigetragen, dass der Grosse Rat das Paket einstimmig angenommen und 18 Millionen Franken freigegeben hat.» Jetzt gelte es, sich über die Mieten für die kommenden Monaten Gedanken zu machen.
Nebst Corona beschäftigen Ebneter derzeit auch noch andere Themen. So setzt er sich für eine Vereinheitlichung der Lärmempfindlichkeits-Stufen in der Innenstadt ein und kämpft dafür, dass Beizen im Hochsommer überall bis um mindestens 24 Uhr draussen wirten dürfen. Auch das Thema Parkplätze treibt ihn um – im Wissen, dass es viele nicht mehr hören können und es auch unter den Wirt*innen welche gibt, die sehr wohl für autofreie Zonen sind.
Etwas bieder, gesetzt – kein Ewigjunger
Auch hier wägt Ebneter ab, poltert nicht drauf los, sondern sagt: «Uns wäre gedient, wenn es in der Nähe des Zentrums mehr Parkplätze gäbe.» Die Zeiten sind vorbei, wo jemand wie er von der breiten Basler Öffentlichkeit ungestraft Parkplätze in jeder Strasse fordern konnte.
Das weiss Ebneter und versucht, mit dem Zeitgeist zu gehen und zum Beispiel auch die viel gepriesene Mediterranisierung voranzutreiben. Er scheint sich dabei nicht zu verbiegen, spielt nicht den Ewigjungen, der selber nächtelang in Bars rumhängt. Eher wirkt er etwas bieder, gesetzt, ausgeglichen. Keine Figur, die man in eine Arena schicken möchte. Aber womöglich eine, die man gern auf seiner Seite hat.