Beat Jans entschuldigt sich
Im Basler Rathaus wurde am Dienstag auf Einladung von Regierungspräsident Beat Jans gemeinsam für den Frieden im Nahen Osten gebetet – allerdings ohne Iman und Rabbiner. Ein Augenschein vor Ort und eine Einschätzung.
Gemeinsames Beten im Grossratssaal – das kommt nicht alle Tage vor. Überhaupt mutet es auf den ersten Blick seltsam an, wenn der Regierungsratspräsident Beat Jans zum Friedensgebet ins Rathaus einlädt. Widerspricht das nicht der Trennung zwischen Staat und Religion?
Die Sicherheitsmassnahmen waren hoch, der Andrang aber eher mässig, es gab einige freie Plätze im Grossratssaal. Die Initiator*innen der Dialogveranstaltung waren Pfarrer Lukas Kundert, Grossrat Philip Karger, Politologin Elham Manea und Extremismusexperte Samuel Althof. Das Motto: «Zusammenstehen: Respekt, Achtung und Zutrauen».
«Nicht zu einem Gebet für Frieden zu kommen, sehe ich als einen Affront gegenüber der Basler Regierung.»Moshe Baumel, Rabbiner
Beat Jans fungierte als Gastgeber. In dieser Rolle machte er in seiner Begrüssungsrede klar, dass er die terroristische Gewalt der Hamas verurteilt und entschuldige sich dafür, dass er sich nicht eher zu den «Verbrechen gegen das Völkerrecht» positioniert habe. Den Jud*innen sei das «schlimmste Massaker seit dem Zweiten Weltkrieg» widerfahren, für das es keine Rechtfertigung gäbe.
Die aktuelle Situation erfülle ihn mit «Verzweiflung und Trauer», so Beat Jans, der sein Mitgefühl auch der palästinensischen Zivilbevölkerung aussprach, die nun als menschliches Schutzschild seitens der Terroristen gebraucht werde. Klare Worte eines Regierungspräsidenten.
Anschliessend wurden Ansprachen der Initiant*innen gehalten und Gebete gesprochen. Gemeinsam wurde der Opfer des Terrors und des Krieges gedacht.
Kurzfristige Absage
Es hätte ein sehr stimmiger Anlass sein können, wenn nicht ein Rabbiner und ein Imam gefehlt hätten. Ein interreligiöser Dialog mit nur einem Pfarrer also. Wie konnte es dazu kommen?
Am Nachmittag vor dem Anlass mussten die Veranstalter*innen offenbar schnell umplanen, da Rabbiner Moshe Baumel seine Zusage kurzfristig zurückzog – nachdem er erfahren hatte, dass kein Imam an dem Dialoganlass zugesagt hatte.
In einem Brief an Lukas Kundert, der Bajour vorliegt, schreibt er: «Ich habe die Einladung akzeptiert, weil ich für ein friedliches Miteinander in Basel stehe. Nachdem ich aber erfahren habe, dass von muslimischer Seite kein Imam mit dabei ist, macht meine Teilnahme keinen Sinn mehr. Nicht zu einem Gebet für Frieden zu kommen, sehe ich als einen Affront gegenüber der Basler Regierung und die Regierung hätte den Anlass absagen müssen. Interreligiös bedeutet für mich, dass alle drei monotheistischen Religionsvertreter anwesend sind. Eine muslimische Politologin ist kein Imam. Der Sinn und Zweck dieser Veranstaltung ist mir daher nicht mehr ersichtlich.»
Die Absage wurde am Anlass selbst nicht thematisiert – wohl um des Frieden willens.
Der Runde Tisch wurde auf Initiative des Kantons Basel-Stadt gegründet, er trifft sich viermal im Jahr. Insgesamt wirken 18 Religionsgemeinschaften und zwei religiöse Dachverbände am Runden Tisch der Religionen mit, an dem die Mitglieder gemeinsam aktuelle Fragen und Problemstellungen aus Verwaltung und Politik sowie Anliegen von Religionsgemeinschaften und Bevölkerung diskutieren.
In Basel gibt es auch andere Institutionen, die sich für den interreligiösen Dialog einsetzen, so auch das Projekt «religionen_lokal». Drei interreligiöse Gesprächsgruppen treffen sich regelmässig zum Austausch über aktuelle Fragen rund um Religion und Gesellschaft. Verantwortet wird «religionen_lokal» vom Forum für Zeitfragen, den Christlich-Jüdischen Projekten, der Basler Muslim Kommission und der Kirchgemeinde Gundeldingen-Bruderholz.
Kritik gab es bereits im Vorfeld des Dialoganlasses: So monierte Lilo Roost Vischer, Präsidentin der Stiftung Dialog zwischen Kirchen, Religionen und Kulturen, dass der Dialoganlass am Runden Tisch der Religionen des Kantons vorbei geplant worden sei. Die Ethnologin und Religionswissenschaftlerin hatte diesen im Jahr 2007 in Basel mit aufgebaut. Nun zeigt sie sich «etwas befremdet, dass die jetzige Koordinatorin für Religionsfragen, Claudia Hoffmann, und der Runde Tisch der Religionen beider Basel nicht federführend involviert sind.»
Ein starkes Zeichen
Zu dem Dialoganlass im Rathaus sagt sie: «Dialog und ein gemeinsames Gebet können ein starkes Zeichen sein, wenn sie breit abgestützt sind. Konkrete Abmachungen, gegen die Verbreitung von Hassbotschaften zum Beispiel, scheinen mir aber fast noch wichtiger.» Am Runden Tisch der Religionen wurde und werde immer wieder um verbindliche gemeinsame Positionen gerungen.
Claudia Hoffmann sagt auf Nachfrage zu Bajour hingegen: «Ich fühle mich nicht übergangen.» Der Dialoganlass sei innerhalb sehr kurzer Zeit auf die Beine gestellt worden und sie begrüsse diese Idee: «Es ist ein schönes Zeichen, das nun mit dem Friedensgebet gesetzt wurde.» Sie betont, dass alle Beteiligten des Rundes Tisches der Religionen eingeladen gewesen seien.
Abgesehen von den Befindlichkeiten stellt sich aber auch die Frage, ob ein solcher Dialoganlass im behüteten Basel überhaupt etwas bringt? Jürgen Mohn, Ordinarius für Religionswissenschaft an der Universität Basel sagt: «Ja.» Er erachte den Dialog als wichtig, weil er darauf angelegt sei, auch zuzuhören und im Idealfall vom Anderen zu lernen.
Mohn gibt allerdings zu bedenken, dass «der jetzige Konflikt sehr kompliziert ist und verschiedenste Ebenen hat, die schwer in einen Dialog zu bringen sind: klassisch-religiöse im Sinne der Religionsgemeinschaften und deren Vertreter*innen, ökonomische und politische Aspekte und auch ganz existentielle.»
«Es gibt keinen Dialog über die Verhandlung der eigenen religiösen Grundlagen.»Jürgen Mohr, Ordinarius für Religionswissenschaft an der Universität Basel
Mohn hält es dabei für falsch, zu glauben, Religionen könnten sich in einen Dialog begeben: «Den Islam, das Judentum und das Christentum gibt es nicht. Das sind Konstrukte, die manchmal zwar in Anspruch genommen werden, die in der Realität aber keine Sprecherposition haben können. Zudem hängt es davon ab, ob solche Dialoge hier bei uns oder in der Konfliktregion geführt werden.»
Was findest du? Macht ein solches Friedensgebet Sinn? Das diskutieren wir in der Frage des Tages.
Es gibt aus Mohns Sicht keinen Dialog über die Verhandlung der eigenen religiösen Grundlagen, denn diese seien meist nicht verhandelbar, sondern die Voraussetzung für eine je spezifische Sicht auf die Welt: «Insofern sind die klassischen Religionsgemeinschaften durchweg fundamentalistisch. Nur neuere Tendenzen, die oft mit spirituell gekennzeichnet sind und die sehr individualistisch daherkommen, sind offen für andere Meinungen. Aber die sind ja nicht das Problem in den Konflikten.»
Hier sieht er ein Dilemma: Denn auch, wenn einige Konflikte aus Interessensgründen ganz pragmatisch ausgeglichen werden könnten, so würden sie nicht mittels Dialog aus der Welt geschafft.
Dies ist in Basel mit Sicherheit auch nicht geschehen – ein Signal wurde aber dennoch gesendet – besonders mit der klaren Stellungnahme von Beat Jans, auf die er länger warten liess, als vielen lieb war.
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