So geht Bundesratskandidatur

Der Basler Regierungspräsident hat in Bern bekanntgegeben: Er möchte Bundesrat werden. Es war ein gelungener Auftritt, nur einer fehlte: Mustafa Atici. Bericht mit Analyse.

PK Jans
Beat Jans gibt seine Kandidatur für den Bundesrat bekannt. (Bild: David Rutschmann)

Es war ein guter Auftritt, den Beat Jans am Freitagmorgen im Haus der Kantone in Bern hinlegte. Flankiert von einem starken Unterstützungsteam bestehend aus der Basler Alt-Ständerätin Anita Fetz, dem Baselbieter Nationalrat Eric Nussbaumer, Nationalrätin Sarah Wyss und der Basler SP-Präsidentin Lisa Mathys sagte er bescheiden, seine Kandidatur sei ein Angebot. «Ich würde das Amt gerne ausführen.» 

Dabei hoben Jans und sein Team seine Regierungserfahrung und Vernetzung in Bern hervor. Das ist auch nötig. Seit 2020 ist Jans Basler Regierungspräsident und nicht mehr Nationalrat. Andere Bundesratsanwärter wie Mustafa Atici (BS), Daniel Jositsch (ZH) oder Matthias Aebischer (BE) sind den neuen Parlamentarier*innen wohl geläufiger.

«Ja, ich bin Feminist»

Auffällig war auch, dass sich Beat Jans deutlich als Freund der Gleichstellung positionierte. Die Frage, ob er Feminist sei, beantwortete er gegenüber Bajour mit einem «Ja». Er habe die Familienarbeit mit seiner Partnerin stets aufgeteilt. Und als Regierungspräsident als erster Deutschschweizer Kanton ein Gleichstellungsgesetz gebracht, bei dem auch LGBTQI+-Menschen gleichberechtigt werden sollen. 

Damit grenzt sich Jans von den anderen sozialdemokratischen Kandidaten ab, die etwas Mühe mit dem Wort «Feminismus» haben, wie Blick berichtete. Und sendet auch ein Zeichen an Genoss*innen aus, die lieber eine weitere weibliche SP-Bundesrätin sähen.

Starkes Team mitnehmen, Erfahrung und Vernetzung betonen, Profil zeigen und alle Medien mit und ohne Rang und Namen einladen: So geht Bundesratskandidatur ankünden im herkömmlichen Sinne.

Wo ist Mustafa Atici?

Doch einer fehlte in Bern: Der Basler Bundesratskandidat der ersten Stunde, Mustafa Atici, der für seine eigene Ankündigung eine wesentlich kleinere Bühne gewählt hatte. 

Haus der Kantone Bern
(Bild: David Rutschmann)

Parteipräsidentin Lisa Mathys kam bei den Frage nach ihrem Genossen etwas ins Rotieren: «Ich weiss nicht, wo Mustafa Atici jetzt gerade ist», sagte sie. Aber man sei in gutem Austausch und Atici habe sich ja bereits positiv zu einer möglichen Kandidatur von Beat Jans geäussert. Atici stehe jetzt ein persönlicher Entscheid bevor. Was für ein Entscheid das ist, deutschte Mathys nicht aus, implizit gemeint war wohl: Ob Atici an seiner Kandidatur festhält oder ob er für Beat Jans zur Seite tritt.

Hier Beat Jans mit einem Power-Team. Dort Atici, der eine persönliche Entscheidung zu treffen hat: Es scheint einen klaren Favoriten zu geben, auch wenn Lisa Mathys das nicht so verstanden haben wollte. Sie betonte später im Interview mit Bajour, die SP stehe voll und ganz hinter Mustafa Atici.

Jans kam seiner Präsidentin während der Pressekonferenz zur Hilfe und betonte, er habe Mustafa Atici gefragt, ob er auch nach Bern kommen wolle. «Wir sind Freunde. Seine Kinder nennen mich Onkel.» Und: «Auch Mustafa Atici wäre aus meiner Sicht ein sehr guter Bundesrat.» 

Die Entscheidung, ob die Basler SP nur einen oder beide Kandidaten nach Bern schicken wird, fällt an der Delegiertenversammlung nach den nationalen Wahlen im Oktober. Danach entscheidet die SP-Fraktion in Bundesbern, wer am Schluss definitiv aufs Ticket kommt. 

Ein guter Regierungspräsident

Für Mustafa Atici ist das gut so: Er kann bis zu den Nationalratswahlen weiterhin von der Aufmerksamkeit profitieren, die ihm seine Bundesratsambitionen verschaffen. Und nun hatte  am Freitag zuletzt auch seine parteiinterne Konkurrentin Sarah Wyss etwas vom ganzen Medienhype, sie erschien als Jans-Unterstützerin in verschiedenen Medien und betonte, Jans habe dem schwierigen Basler Präsidialdepartement zum «Durchbruch» verholfen. 

Tatsächlich ist Ruhe im Präsidialdepartement eingekehrt. Doch ist Jans' Job dort bereits erfüllt? Schliesslich war er angetreten, um dem Amt mehr Ausstrahlung zu verleihen und klimapolitisch etwas zu bewegen. Beat Jans sagte dazu: «Nein», das sei auch einer der Gründe, warum er sich das Ganze gut überlegt habe. Es sei halt so bei Bundesratswahlen: «Die Chancen kommen nicht oft, man muss sie dann packen, wenn sie kommen.» Jans will sie packen: «Ich bin wirklich auch sehr motiviert, etwas für die Schweiz zu machen.»

Bürgerliche Unterstützung

Bleibt noch die Frage: Entwickelt sich in der Region nun um Beat Jans ein ähnlicher Hype wie letzten Winter, als gefühlt jede*r Politiker*in mit Rang und Namen sich hinter Eva Herzog einfädelte – und zwar unabhängig vom Parteibüchlein? Die beiden Basel warten bekanntlich seit 1972 auf eine*n Vertreter*in im Bundesrat, als Hans-Peter Tschudi sein Amt abgegeben hat.

«Beat Jans bringt einen grossen Rucksack mit.»
Baschi Dürr , Nationalratskandidat FDP

Ein richtiger Hype ist bis jetzt nicht zu spüren, vielleicht sind die Politiker*innen nach der Niederlage von Herzog vorsichtiger geworden. Denn die Unterstützung für Beat Jans ist sehr wohl da. Der Freisinnige Nationalratskandidat Baschi Dürr sagte auf Anfrage: «Beat Jans bringt einen grossen Rucksack mit.»  Die Kombination aus Nationalrats- und Exekutiverfahrung sei selten. «Sollte es Beat Jans aufs Bundesratsticket der SP und ich es in den Nationalrat schaffen, hat er meine Stimme.»

Und auch Mitte-Nationalrätin und Handelskammerpräsidentin Elisabeth Schneider-Schneiter (Mitte) unterstützt Jans’ Kandidatur:  «Die Region Basel braucht endlich wieder eine Vertretung im Bundesrat.» Sie wünscht sich: «Mehr Verständnis für unsere starke Wirtschaftsregion und das Leben im Dreiland».

Wie gut stehen Jans’ Chancen?

Wer weiss das schon. Wir Medien lagen schon häufig falsch mit unserem Rätselraten. Jans selbst gibt sich eine 30-prozentige Chance. Er hat jetzt zwei Hürden vor sich: Zuerst muss er es aufs SP-Ticket schaffen. Und dann am 13. Dezember von der Bundesversammlung gewählt werden. Ob das klappt, hat mit Sympathien, Taktierereien und dem Profil zu tun. Und vor allem damit, wer sich sonst noch zur Wahl stellt. 

Beat Jans Bundesratskandidatur
(Bild: David Rutschmann)

Am meisten diskutiert wird seit Wochen über Daniel Jositsch. Der Zürcher hatte sich bei den Wahlen im Dezember 2022 um den Entscheid seiner Parteileitung foutiert, zwei Frauen und keinen Mann zu bringen. Nach diesem Affront wäre es ein Zeichen der Schwäche, würde die SP-Fraktion ihn nun aufs Ticket hieven, bürgerliche Jositsch-Symphathien hin oder her.

Gut möglich, dass um fünf vor zwölf plötzlich noch überraschende Kandidat*innen auftauchen. Die Niederlage von Eva Herzog gegen Elisabeth Baume-Schneider und ihre Schwarznasenschafe (du erinnerst dich an das Foto im «Blick» und die Unterstützung der Bauernlobby für die Jurassierin) letzten Dezember zeigten einmal mehr: Bundesratswahlen sind unberechenbar.

Hinweis: Dieser Text wurde nach dem Erscheinen noch einmal aktualisiert.

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Das ist David (er/ihm):

Von Waldshut (Deutschland) den Rhein runter nach Basel treiben lassen. Used to be Journalismus-Student (ZHAW Winterthur) und Dauer-Praktikant (Lokalzeitungen am Hochrhein, taz in Berlin, Wissenschaftsmagazin higgs). Besonderes Augenmerk auf Klimapolitik, Wohnpolitik, Demopolitik und Politikpolitk. Way too many Anglizismen.

Foto Pino Covino

Bei Bajour als: Journalistin.

Hier weil: Das Hobby meines Mannes finanziert sich nicht von alleine.

Davor: Chefredaktorin im Lokalmedium meines ❤️-ens (Bajour), TagesWoche (selig), Gesundheitstipp und Basler Zeitung

Kann: alles in Frage stellen

Kann nicht: es bleiben lassen

Liebt an Basel: Mit der Familie am Birsköpfli rumhängen und von rechts mit Reggaeton und von links mit Techno beschallt zu werden. Schnitzelbängg im SRF-Regionaljournal nachhören. In der Migros mit fremden Leuten quatschen. Das Bücherbrocki. Die Menschen, die von überall kommen.

Vermisst in Basel: Klartext, eine gepflegte Fluchkultur und Berge.

Interessensbindungen:

  • Vorstand Gönnerverein des Presserats
  • War während der Jugend mal für die JUSO im Churer Gemeindeparlament. Bin aber ausgetreten, als es mit dem Journalismus und mir ernst wurde.

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