Ein «Denker» und «Tüftler» mit einem Flair für Raben
Girlanden aus Orangenschalen und Zeichnungen mit Ameisen. Alles Experimente, die in den künstlerischen Arbeiten Hani Bäblers dokumentiert wurden. Ein Porträt anlässlich einer Sonderausstellung im Bajour-Schaufenster.
Sein Nachlass drohte in Vergessenheit zu geraten. Lange hörte man wenig bis gar nichts vom Künstler Hani Bäbler. 2014 wurden Bäblers Werke erstmals in einer grossen Ausstellung in der Villa Renata präsentiert. Und heute? Nach der Ausstellung kamen die Objekte wieder zurück in die Kartons. Eigentlich genau das, was die Freund*innen vermeiden wollten. Das soll sich jetzt – zumindest für gewisse Zeit – ändern. Denn zum Anlass der Art Basel zeigt Bajour ausgewählte Werke in seinem Schaufenster. Ein langjähriger Freund und Teil des Vereins «Künstlerischer Nachlass Hani Bäbler» hat für Bajour die Objekte organisiert.
2014 initiierte der Verein «Künstlerischer Nachlass Hani Bäbler» die Ausstellung «Nachwuchs» in der Villa Renata in Basel. Zeitgleich erschien die dazugehörige Publikation, in der einerseits das Werk Bäblers betrachtet, aber auch auf sein Leben zurückgeschaut wird. Bäblers Freund*innen gründeten den Verein, damit der Nachlass nicht in einem Keller versauert und der Künstler nicht in Vergessenheit gerät. Alle Informationen stammen entweder von einem Freund Bäblers, der namentlich nicht genannt werden möchte, oder aus dem Ausstellungskatalog «Nachwuchs Hani Bäbler», indem sich seine Freund*innen zu ihm und seinem Werk äusserten.
Hansueli Bäbler, genannt Hani, war vieles, aber sicherlich kein «Mann der vielen Worte», wie Christian Schaffner in einem Gespräch im Ausstellungskatalog über Bäbler erzählt. 1958 geboren in Brugg, absolvierte Bäbler mehrere künstlerische Ausbildungsetappen. Schon früh hatte er eine Bindung zu Basel. Einerseits war er in der Bildhauerfachklasse der Kunstgewerbeschule Basel und auch an unterschiedlichen Orten in Basel wohnhaft. Die «ideale Wohnsituation» war laut Christoph Bühler, Fotograf, Nachlassverwalter und enger Weggefährte, an der Klybeckstrasse. Dort hatte er eine Zwei-Zimmer-Wohnung in einem Haus, in dem auch Freund*innen von ihm wohnten. Vis-à-vis eine Häuserzeile mit verschiedenen alternativen Lebens-, Arbeits- und Kulturformen. Bäbler lebte aber nicht alleine in der Wohnung: Er machte darin auch Platz für versehrte Rabenvögel, die er wieder aufzupäppeln versuchte.
Christoph Bühler schreibt: «Hani nahm Anteil, brachte sich ein, half, wo er helfen konnte, wurde geachtet und geliebt.» In seinem Werk «widerspiegelt sich Bäblers präzises Beobachten und unermüdliches Experimentieren in enger Verbindung mit einem wachen Geist und einer Empathie, die beinahe unerschöpflich schien». «Unermüdliches Experimentieren» ist zum Beispiel auch in den Arbeiten mit Orangenschalen zu sehen. Bäbler beschäftigte sich jahrelang mit Schalen von Früchten.
«Abwicklungen» ist eine umfangreiche Serie, an der Bäbler von 1995 bis zu seinem Tod arbeitete. Mit einem Teppichmesser schnitt er aus den Schalen von Zitrusfrüchten und Bananen unterschiedliche Gestalten. Die gesamte Fruchtoberfläche wurde dabei verwertet, sodass der Vorgang absolute Konzentration erforderte und «eine aussergewöhnliche räumliche Vorstellungskraft», wie in der kunsthistorischen Betrachtung von Anne Krauter Kellein im Ausstellungskatalog steht.
Aus den Fruchtschalen schneidet Bäbler laut Krauter Kellein «erstaunlich variantenreiche Formen». Zitrusfrüchte haben in der Kunst eine lange Tradition: Sie gelten als Symbol des ewigen Lebens. Bäblers «Abwicklungen» waren äusseren Einflüssen ausgesetzt, sodass sie durch das Trocknen ihre, wie Krauter Kellein schreibt, «spezifische Charakteristika und sogar eine beachtliche Beständigkeit» erhielten. Auch heute noch sind die Arbeiten erhalten. Ewiges Leben sozusagen in der Schale von Früchten konserviert. Wobei auch gesagt werden muss, dass «ewiges Leben» relativ zu verstehen ist. Die Formen aus Bananenschalen sind nämlich nicht mehr erhalten, denn die wurden von «kleinen Viechern» gefressen, wie der Freund sagt, der die jetzige Bajour-Ausstellung möglich gemacht hat.
Bäbler war laut Weggefährte Bühler ein «Denker» und «Tüftler», der vor allem unter seinen Kolleg*innen Anerkennung erfuhr. Bäblers Künstlerkollege Christian Schaffner denkt, dass er sich weniger für «die Vermarktung seiner Werke» interessierte, denn er «kümmerte sich nicht wirklich darum». Was Bäbler viel mehr beachtete, war «die Auseinandersetzung mit seinen Ideen und Projekten, das Entdecken und Ausprobieren».
«Entdecken und Ausprobieren» kann auch in den «Ameisenarbeiten» festgestellt werden. Bäbler lockte Strassen aus Ameisen auf Papier, das vorher mit Ingwer- oder Quittengelee angezeichnet wurde. Die Ameisen versammelten sich dann dort, wo Bäbler zeichnete und es entstand ein Bild. Mithilfe von Fotografien hielt Bäbler die Motive fest. Die Art und Weise hat aber etwas sehr Schnelllebiges und Vergängliches, was auch in anderen Arbeiten Bäblers viel Raum einnimmt.
Hani Bäbler beschäftigte sich mit vielen Dingen. Fotografie-Projekte, bei denen er die Kamera Passant*innen in die Hand drückte und diese ein Foto von sich selbst machten (Bilder daraus sind im Bajour-Büro zu sehen) oder Experimente mit gezüchteten Graslandschaften sind nur ein kleiner Teil von Bäblers Werken. Der Künstler hat sein Umfeld eigentlich «immer verblüfft», wie Sue Iron, mehrjährige Lebenspartnerin und ebenfalls Künstlerin, in einem Gespräch im Ausstellungskatalog feststellt. Einmal hätte er ihr sogar ein kleines Schweinchen geschenkt, das dann mit in der WG wohnte, bis es zu gross wurde.
2011 starb Hani Bäbler überraschend an den Folgen eines Herzinfarkts, er war 53 Jahre alt. Sein Œuvre besteht aus 700 Werken unterschiedlichster Formate, die viele Menschen noch nicht gesehen haben. Eine ganzheitliche Betrachtung und Beleuchtung des Künstlers ist nicht möglich, da die Sammlung so umfangreich ist, dass kaum alles zugleich ausgestellt werden könnte. Eine Auswahl davon kannst du aber bei uns im Bajour Büro während der Art-Woche und vermutlich noch ein bisschen länger an der Clarastrasse 10 sehen.
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