Medienförderung durch die Hintertür

Der Kulturjournalismus ist von der Medienkrise besonders stark betroffen. Für eine Förderung über den Kulturtopf fehlte bisher die gesetzliche Grundlage. Die Basler Politik könnte dies nun ändern.

Titelbild Sieber Kulturjournalismus
GLP-Grossrat Johannes Sieber will Medienförderung via Kulturfördertopf angehen. (Bild: Xenia/Kulturstadt Jetzt, Adobe Stock, Collage: Bajour)

Die gegenwärtige Krise der traditionellen Medien trifft die Kulturberichterstattung besonders hart. Es fehlt ihr an Klicks, weshalb sie aus wirtschaftlicher Perspektive wenig sexy ist. Dass Kultur indes ein zentraler Wert in unserer Gesellschaft ist, darüber ist man sich weitgehend einig. Doch während das Budget für Kulturproduktion und -marketing steigt – das Präsidialdepartement verantwortete 2023 ein Kulturbudget von knapp 148 Millionen Franken –, sinkt die mediale Resonanz der Kultur. Soll Kultur aber ernst genommen werden, muss sie reflektiert werden. Und dafür braucht es Berichterstattung.

So hatte GLP-Grossrat und Kulturmanager Johannes Sieber bereits vergangenes Jahr mit einer schriftlichen Anfrage die Haltung der Regierung zu möglichen Fördermassnahmen von Kulturjournalismus abgeklopft. Diese zeigte sich wenig willig. In ihrer Antwort gab sie zu Protokoll, «dass der Kulturjournalismus im Kontext der Entwicklung der Medienlandschaft der Schweiz und der Region Basel betrachtet werden muss.» Heisst: Es wird keine eigene Förderung für Kulturjournalismus geben, unabhängig von sonstiger möglicher Medienförderung. Die Regierung lehnte denn auch Massnahmen im Rahmen der Kulturförderung ab, zumal hierfür keine gesetzliche Grundlage bestehe.

Und genau diese möchte Sieber nun schaffen. In einer Motion, die er am Mittwoch eingereicht hat, fordert er die Ergänzung des Kulturfördergesetzes um folgenden Satz: «Der Kanton kann Massnahmen zur Förderung der Kulturberichterstattung und des Kulturjournalismus ergreifen». Darauf basierend soll der Regierungsrat dem Grossen Rat ein Förderinstrument inklusive sinnvoller Alimentierung vorschlagen, welches mehr Berichterstattung über etablierte als auch über freie Kulturproduktion zum Ziel habe.

Regierungsrat äussert sich skeptisch

Wie ein solches Förderinstrument aussehen könnte, hatte Sieber in seinem ersten Vorstoss bereits vorgeschlagen: Denkbar sei eine «Publikation von Veranstaltungsdaten aus der Datenbank der ProZ (ehem. Programmzeitung) mittels durch den Kanton finanzierter Inserate in Tageszeitungen und anderer Publikationen.» So könnte der Kanton die Ressourcen finanzieren, die auf den Redaktionen für die Kulturberichterstattung benötigt werden – und heute fehlen. Eine Idee, die am Basler Medientag 2024 diskutiert wurde und ursprünglich von Onlinereports-Gründer Peter Knechtli stammt.

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«Basler Medien, lasst uns vorwärts machen.»

Die Bilanz zum ersten Basler Medientag 2024 fiel ernüchternd aus. Und einen zweiten wird es wohl nicht geben. Die beste Idee zur Medienförderung hat immer noch Online-Altmeister Peter Knechtli, kommentierte Valerie Zaslawski.

zum Kommentar

Doch der Regierungsrat ​​äusserte sich in seiner damaligen Antwort gegenüber der Inserate-Idee skeptisch. Überhaupt beabsichtige er derzeit keine staatliche Finanzierung der Medien, weil ihr auch dafür die gesetzliche Grundlage fehle. Das Stimmvolk hatte im Februar 2022 das Bundesgesetz über ein Massnahmenpaket zugunsten der Medien abgelehnt, Basel-Stadt hingegen hat es mit über 55 Prozent angenommen.

Den daraufhin ebenfalls von Sieber eingereichten Anzug mit der Bitte, eine kantonale Medienförderung zu prüfen, wollte die Regierung nach zwei Jahren Untätigkeit abschreiben, unter anderem mit dem Argument, dass die Medienförderung Bundessache sei. Das Parlament liess ihn stehen, was an der Untätigkeit der Regierung vorerst nichts ändern dürfte.

Weil die Medienförderung Bundessache sein soll, scheint es ein schlauer Schachzug von Sieber zu sein, diese nun über den Kulturjournalismus anzugehen, denn Kulturförderung ist grösstenteils kantonal geregelt. «Der Kulturjournalismus ist ein gutes Feld, um nun endlich mit der Medienförderung vorwärts zu machen», sagt er auf Anfrage. Sollte seine jüngste Motion, die von der Linken sowie von Mitte, EVP und GLP unterschrieben wurde, erfolgreich sein, gibt es kein Pardon mehr, denn eine Motion ist ein verbindlicher Auftrag.

Johannes Sieber
«Der Kulturjournalismus ist ein gutes Feld, um nun endlich mit der Medienförderung vorwärts zu machen.»
Johannes Sieber, Grossrat GLP

Abseits der Medienförderung könnte man zudem die Verbreitung von Inhalten weiterdenken. Denn auch mit einer Förderung von Kulturjournalismus wäre noch lange nicht garantiert, dass die Berichte ihren Weg zu den Leser*innen finden. Stichwort: schlechte Klickraten.

Kultur-Newsletter von Cültür

Einen Versuch abseits der Medienförderung hat der neue Kultur-Newsletter Cültür gestartet. Er wurde vor drei Monaten vom Verein CH-intercultur und der Medienplattform We.Publish (zu der auch Bajour gehört) lanciert und hat bereits 2800 Abonnent*innen. Im Newsletter, der jeden Freitag verschickt wird, wird das Schweizer Kulturgeschehen kommentiert und auf andere kulturjournalistische Angebote verwiesen. Aber eben, eine Förderung ist das nicht.

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Kommt Siebers Idee durch, wäre ihm vor allem wichtig, dass die Regierung das Thema gemeinsam mit der Zivilgesellschaft angeht, also nicht über die Branche hinweg Fördermodelle eingeführt werden. Über die Unabhängigkeit des Journalismus macht er sich – anders als der Regierungsrat – keine Sorgen: «Dass sich Journalist*innen durch Medienförderung kaufen lassen, ist nicht nur mehrfach widerlegt worden, es ist besonders in Bezug auf Kulturjournalismus haltlos. Etwa so, wie wenn man dem Theater Basel staatliches Propagandaprogramm unterstellen würde. Das ist doch Chabis.»

Die Medienkrise insgesamt wäre mit der Förderung von Kulturjournalismus nicht gelöst, sie könnte jedoch ein Anfang sein, auch, um Kultur(schaffende) in Basel sichtbarer zu machen.

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Nach einem ersten journalistischen Praktikum bei Onlinereports hat Valerie verschiedene Stationen bei der Neuen Zürcher Zeitung durchlaufen, zuletzt als Redaktorin im Bundeshaus in Bern. Es folgten drei Jahre der Selbständigkeit in Berlin, bevor es Valerie zurück nach Basel und direkt zu Bajour zog, wo sie nun im Politikressort tätig ist.

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