Die Uninternationale
Diese Statistik freut die Linken nicht: In den Basler Genossenschaften sind nur 20,8 Prozent Menschen mit Migrationsvordergrund zu Hause. Was sagen diese dazu? Wir haben eine Strassenumfrage im Klybeck gemacht.
André*, 37
«Ich habe mich schon zweimal in Baselland auf eine Genossenschaftswohnung für meine Frau, meine zwei Kinder und mich beworben, aber ohne Erfolg. Jetzt würde ich es nicht mehr versuchen, irgendwann ist die Motivation weg. Es hat immer geheissen, die Warteliste sei zu lang. Ob das wirklich stimmt, weiss ich nicht. Das Depot wäre 3000 Franken hoch gewesen, das hätte ich mir als Alleinverdiener sogar leisten können.
Das Angebot der Genossenschaft war sehr attraktiv: Die Miete wäre viel günstiger gewesen und die Wohnung viel grösser als unsere jetzige. Wir sind dieses Jahr umgezogen: 4 Zimmer, 80 Quadratmeter, 1900 Franken. Wenn die Kinder älter sind und meine Frau wieder arbeiten geht, können wir vielleicht etwas Besseres finden. Aber unter 2000 Franken findet man ja eigentlich nichts.
Ob die bisherigen Absagen mit meinen türkischen Wurzeln zu tun hatten, weiss ich nicht. Aber ich sehe auch bei uns im Haus, wie alte Möbel einfach in den Keller gestellt werden. Und als Hausbesitzer würde ich auch nur die besten und verlässlichsten Mieter wollen. Nur ist es bei mir ja nie zur Kennenlernphase gekommen, um von mir überzeugen zu können. Die Genossenschaftswohnungen sind sehr attraktiv, aber es hat zu wenig davon. Ich glaube, das grösste Problem ist, dass dort auch Menschen leben, die es nicht nötig hätten, also zum Beispiel Pärli ohne Kinder, von denen beide schaffen. Das finde ich ungerecht.»
Ahmed*, 63
«Man muss jemanden kennen und Beziehungen haben, um an so eine Wohnung zu kommen. Ich kannte damals den Präsidenten der Genossenschaft, deshalb hatte es geklappt. Inzwischen wohne ich schon seit über 25 Jahren in einer Wohnung in der Ackerstrasse.
Alleine hätte ich das Geld für die Anteilsscheine nicht aufbringen können. Ich habe in der Gastronomiebranche gearbeitet, da verdient man nicht viel. Also habe ich mir das Geld bei Kollegen geliehen und nach und nach zurückgezahlt. Diskriminiert habe ich mich als Ausländer in der Genossenschaft nie gefühlt, ich bin immer auf gute Menschen getroffen.»
Genossenschaften sind das linke Allheilmittel gegen teure Mieten. Nur: Die, die’s besonders nötig haben, profitieren kaum davon – die Migrant*innen. Warum nicht?
Susanna*, 39
«Meine Familie und ich haben es schon häufiger versucht, eine Genossenschaftswohnung zu bekommen. Vor acht oder neun Jahren haben wir es zweimal probiert und jetzt vor drei Monaten noch einmal. Unser aktuelles Gesuch wurde abgelehnt, weil es hiess, dass wir zu wenig Einkommen hätten, um uns die Wohnung zu leisten. Sie hätte ’800 Franken für 4 Zimmer gekostet. Die Anteilsscheine hätten noch einmal 14'000 bis 15’000 Franken gekostet. Das Geld dafür haben wir nicht, wir hätten es uns von Freunden und Familie geliehen.
Wir hätten die Wohnung so gern gehabt. Vier-Zimmer-Wohnungen kann man sich ja ansonsten gar nicht leisten. Zurzeit haben mein Mann, meine zwei Kinder und ich zusammen drei Zimmer und 85 Quadratmeter. Das ist zu klein. Wir werden es also weiterhin versuchen, eine Genossenschaftswohnung zu finden, die Bedingungen sind einfach viel besser. Dass ich aus Sri Lanka komme, hatte bei der Absage keine Rolle gespielt, denke ich. Ich habe viele Kolleginnen, die in solchen Wohnungen leben und ebenfalls aus dem Ausland stammen.»
Kevin*, 49
«2009 bin ich für die Arbeit aus Berlin in die Schweiz gekommen, aber ursprünglich komme ich aus Gambia. Meine Frau und unsere vier Kinder leben immer noch dort. Ich würde gern eine Wohnung mit vier Zimmern für uns alle finden, aber bisher hatte ich keinen Erfolg. Obwohl ich 100 Prozent arbeite, kann ich mir nur eine Wohnung für maximal 1200 Franken leisten. Ich weiss, dass das sehr unrealistisch ist.
Ich habe mich vor Jahren mal für eine Genossenschaftswohnung beworben, aber die Warteschlange war zu lang. Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, Wunder passieren schliesslich immer wieder. Anteilsscheine für mehrere Tausend Franken könnte ich mir aber sowieso nicht leisten. Wie soll das jemand bezahlen, der weniger als 3500 netto verdient?!
Mein Chef bei der Migros hat sich einmal sehr für mich eingesetzt, damit ich eine von den Migros-Wohnungen bekomme, aber es waren alle besetzt, keine Chance. Ich bezweifle, dass dort immer diejenigen wohnen, die so wenig haben wie ich. Aber ich suche weiterhin nach Wohnungen und nutze alle Kontakte, die ich habe.»
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Mario*, 50
«Dreimal habe ich es schon versucht mit einer Genossenschaftswohnung. Ein Antrag ist derzeit noch offen. Bei den beiden ersten Versuchen habe ich nie eine Antwort bekommen. Ich glaube, da braucht man die richtigen Bekannten, um reinzukommen. Vielleicht kann mir dieses Mal ein Schulkollege von früher helfen, er ist im Vorstand vom Verein.
Es ist wirklich schwierig, eine Wohnung zu bekommen. Erst recht bei einer Genossenschaft und vor allem mit Hund, meine Freundin hat einen. Es gibt viel zu wenig Genossenschaftswohnungen. Wenn die Nachfrage so gross ist, gibt es für die Gesellschaften gar keinen Anreiz, noch mehr zu bieten, die Konditionen sind schon gut genug.
Ich bin Schweizer mit italienischen Wurzeln und ich denke je nach Genossenschaft spielt auch der Migrationshintergrund eine Rolle. Das ist wie bei der Jobsuche. Man braucht einfach Kontakte, das ist überall so, und Rassismus gibt es leider überall. Ausserdem wohnen die Menschen sehr lange in den Wohnungen – die Älteren schmeisst man ja nicht einfach raus, wenn Jüngere eine Wohnung brauchen.
Ich suche jetzt schon seit fünf Jahren eine Wohnung. Wenn man Schulden hat, so wie ich nach einer Scheidung, ist es noch schwieriger. Ich wohne deshalb momentan bei meiner Mutter. Würde ich die Wohnung bei der Genossenschaft bekommen, würde ich sie sofort nehmen. Das Depot könnten meine Freundin und ich von unserem Gesparten bezahlen.»
Ibrahim, 70, ursprünglich aus der Türkei
«Ich lebe seit mehr als 20 Jahren hier in der Inselstrasse. Meine Vermieterin ist eine private Firma, keine Genossenschaft. Mich dort zu bewerben, habe ich noch nie versucht. Aber ich denke, dass ich dort als Ausländer sowieso schlechtere Chancen hätte. Das vermute ich nur. Es ist doch in jedem Land so, dass zuerst an die eigenen Leute gedacht wird. Momentan denke ich allerdings eh nicht ans Zügeln, von daher werde ich es auch nicht versuchen mit einer Genossenschaftswohnung. Ich lebe mit meiner Frau in einer Zwei-Zimmer-Wohnung und das reicht für uns, wir brauchen keine grössere Wohnung.»