«Hoffentlich wird die Basta nie erwachsen!»
Der Basta-Präsident sucht Lösungen jenseits des Kapitalismus und weiss noch nicht, ob die Partei zur Regierungsratswahl antreten wird – obwohl sie mit Sibel Arslan über die linksgrüne Top-Kandidatin verfügt.
Herr Bolliger, Sie sind seit März 2025 Präsident der Basta, die sich als «radikal menschliche» Partei bezeichnet. Angesichts der aktuellen Weltlage müssen Sie in Ihrem ersten Amtsjahr ziemlich gelitten haben?
Die Weltlage ist alles andere als amüsant, ja. Und es gibt gute Gründe, um zu leiden. Es macht mir Sorgen, wie sich die Welt präsentiert. Auch für die Jugend, für die der Krieg zur Normalität geworden ist. Die Klimakrise ist zudem eine Tatsache, die in der Politik immer wieder negiert wird. Deren Auswirkungen zeigen sich aber überall, auch in der Schweiz. Hinzu kommt der Rechtsrutsch, die Entwicklungen in den USA, einem Land, von dem wir dachten, es sei eine stabile Demokratie, die sich nun in Richtung Faschismus entwickelt. Das alles besorgt mich.
Sie wirkten sehr betroffen, als Sie im Grossen Rat humanitäre Hilfe für Gaza gefordert hatten, Ihnen wurde vorgeworfen, Sie seien israelfeindlich und würden mit Ihrem Vorstoss Antisemitismus fördern. War das der Tiefpunkt Ihrer Grossratskarriere?
Das kann man so sagen. Da wurden Grenzen überschritten. Die Debatte wurde populistisch genutzt, um irgendwelche Vorwürfe auf den Tisch zu bringen und davon abzulenken, was man selbst für eine Position hat. Die Basta hat sich in diesem Konflikt viel Mühe gegeben, ihre Position klar darzulegen.
Dass Sie eben nicht antisemitisch ist?
Genau. Jegliche Kritik an der israelischen Regierung, die als rechtsextrem einzuschätzen ist, wird als antisemitisch geframed. Basta hat zu jedem Zeitpunkt die gesamte vom Konflikt betroffene Bevölkerung ins Zentrum gestellt und die Terrororganisation Hamas verurteilt.
«Wenn man als Basta-Mitglied für den Regierungsrat kandidiert, sind die Chancen wahrscheinlich kleiner als wenn man dies für die Grünen tut.»Oliver Bolliger, Präsident der Basta
Auf Bundesebene hat die Basta mit Sibel Arslan eine starke Frau im Nationalrat, die sich für Gaza und gegen soziale Ungerechtigkeit stark macht. Würde Sibel Arslan zu den Grünen wechseln, wäre das für Ihre Partei ein grosser Verlust. Wie sehr ist sie noch das Aushängeschild Ihrer Partei?
Ja, es wäre ein Verlust. Sibel ist aber Basta-Mitglied, sie ist für die Basta gewählt und war für die Partei lange im Grossen Rat gewesen. Seit Jahren leistet sie wichtige Arbeit für Basta und als Vize-Präsidentin der Grünen Schweiz.
Von aussen betrachtet, könnte man den Eindruck bekommen, die Basta ist für die Karriere von Sibel Arslan und für eine linksgrüne Regierungsmehrheit – etwas böse gesagt – ein Klotz am Bein. Als «reine» Grüne wäre Sie vermutlich schon Basler Regierungsrätin. Oder sehen Sie das anders?
Wenn man als Basta-Mitglied für den Regierungsrat kandidiert, sind die Chancen wahrscheinlich kleiner als wenn man dies für die Grünen tut, solange die Basta ein kleineres Wähler*innensegment hat. Noch bessere Chancen als bei den Grünen hat man aktuell bei der SP (lacht).
2028 stehen wieder Gesamterneuerungswahlen an, die Grünen haben im Interview mit Bajour bereits klar gemacht, dass Sie den Sprung in die Regierung dieses Mal schaffen wollen, stehen Sie diesbezüglich im Austausch mit Ihren Kolleg*innen?
2028 ist noch weit weg. Klar ist, dass wir für den Grossen Rat separat antreten werden. Sprich: eine eigene Regierungskandidatur werden wir zum gegebenen Zeitpunkt thematisieren. Bei der Basta stellt sich aber auch immer grundsätzlich die Frage, ob wir überhaupt für den Regierungsrat kandidieren werden.
Das ist noch nicht klar?
Überhaupt nicht klar, das besprechen wir jedes Mal von Neuem. Das unterscheidet uns von der Grünen Partei, wir haben nicht den Anspruch, unbedingt in der Regierung sitzen zu wollen. Wir haben andere Schwerpunkte.
Auf parlamentarischer Ebene.
Ja, uns ist es viel wichtiger, eine linke Mehrheit zu erreichen, dass wir stark vertreten sind im Grossen Rat und verbunden mit den sozialen und linken Bewegungen.
Es ist also noch zu früh, um zu fragen, ob Sie persönlich nochmals antreten?
Viel zu früh.
Oder wer sonst in Frage käme?
Auch das.
Aber die Frage aus Sicht der progessiven Stimmbevölkerungsmehrheit stellt sich schon, ob die linksgrüne Regierungsmehrheit erneut von einem merkwürdigen Nominationsprozedere zwischen Grünen und Basta verdaddelt wird. Mit Arslan als Basler Regierungsratskandidatin kippt die Mehrheit in Ihre Richtung. Ist ihnen das Wurst?
Wie gesagt, werden wir eine allfällige Regierungskandidatur zu gegebener Zeit mit allen beteiligten Personen und Parteien besprechen. Aber eine linksgrüne Regierungsmehrheit bringt nur etwas, wenn wir eine linksgrüne Mehrheit im Parlament haben.
«Wir haben nicht den Anspruch, unbedingt in der Regierung sitzen zu wollen.»Oliver Bolliger, Präsident der Basta
Das Grün-Alternative Bündnis ist Geschichte. Die Basta ist seit Februar eine eigenständige sechsköpfige Fraktion im Grossen Rat, welche Vorteile oder Herausforderungen hat der eigenständige Weg bisher mit sich gebracht?
Eine Herausforderung für eine kleine Fraktion ist die Verteilung der Geschäfte – dies zwingt zur Fokussierung. Ein Vorteil ist, dass unser Profil stärker zum Ausdruck kommt. Zum Beispiel bei der Diskussion um die Zukunft der Messe, da nahm die Basta eine klar kritische, mieter- und gemeinwohlorientierte Position ein.
Sie stellten sich gegen eine primär profitorientierte Entwicklung des Messeareals, anders als die SP oder die Grünen, die teils kompromissbereiter waren gegenüber der MCH-Strategie.
Diese Position konnten wir konsequent vertreten, egal von welchen Seiten die Vorstösse kamen. Ein Vorteil ist auch, dass die Diskussionen über unsere Haltung durch die separaten Fraktionen abgekürzt werden können. Bei den Grünen ebenso, nehme ich an.
Bei vielen Geschäften haben sie aber die gleichen Positionen.
Ja, wir pflegen weiterhin eine enge Zusammenarbeit. Aber wir können unsere Meinung besser zum Ausdruck bringen. Unsere Parlamentsarbeit wird deutlicher auch als unsere Arbeit wahrgenommen. Früher hat man uns manchmal vergessen, weil wir im Namen des Grün-Alternativen-Bündnisses nicht explizit erwähnt waren, oder man hat mich zu einem Grünen Grossrat gemacht.
Exponiert hat sich die Basta auch beim Standortpaket, wo sie für ein Nein geweibelt und verloren hat. Nun hat die bz die fehlende Transparenz bei der Vergabe der Standortpaket-Gelder aus dem OECD-Fonds kritisiert, fühlen Sie sich in Ihrer Kritik bestärkt?
Ja. Es ist grundsätzlich problematisch, Steuereinnahmen einfach zu Grosskonzernen zurückzuschieben. Besonders in Anbetracht dessen, dass die Regierung langfristig ein Minus budgetiert und somit Druck auf die sozialen Errungenschaften ausübt. Es bleibt eine Blackbox.
Wieso soll das bei Ihrer Initiative «Pharma für alle», die diese Woche eingereicht wurde, weniger problematisch sein? Sie fordern auch einen Fonds.
Wir planen auch einen Fonds, das stimmt, aber auch ein Expertengremium, das die Regierung, die schlussendlich entscheidet, berät. Zudem sollen mit diesem Fonds gemeinnützige Projekte gefördert werden, was nicht mit Grosskonzernen zu vergleichen ist.
Die Basta als eigenständige Partei möchte ökologische sowie soziale Transformationsprozesse voranbringen, was muss man sich hier konkret vorstellen bzw. was haben Sie bereits erreicht?
Die Initiative «Pharma für alle» ist beispielsweise so ein Transformationsprozess, weil es die herrschende Logik infrage stellt, in der auch die Basler Regierung herumschwimmt. Es ist zumindest eine Infragestellung der heiligen Kuh, der Pharma und des ewigen Standortwettbewerbs. Wir sind eine kleine sozialistische Partei, sprich: wir können uns eine Welt vorstellen, die nicht in dieser kapitalistischen Logik stattfindet. Mit dieser Hoffnung auf eine andere Gesellschaft stossen wir immer wieder Prozesse an, mit denen man realpolitisch auch manchmal verliert.
«Politischer Diskurs und die eigene Entwicklung sind nie abgeschlossen und braucht jugendliche Dynamik.»Oliver Bolliger, Präsident der Basta
Sind Sie utopisch?
Ja und Nein. Unser Ziel ist die grundlegende Veränderung. Wir wissen, dass es oft mehrere Anläufe brauchen könnte. Aber wenn wir dann gewinnen, würde es eine Transformation anstossen. Ich bin überzeugt, dass die Initiative gute Chancen hat, auch wenn es einen riesigen Gegenwind geben wird.
Manchmal hat man den Eindruck, Ihre Partei möchte nicht erwachsen werden.
Hoffentlich wird die Basta nie erwachsen! Politischer Diskurs und die eigene Entwicklung sind nie abgeschlossen und braucht jugendliche Dynamik. Sobald es primär um Machterhalt geht, haben die politischen Inhalte verloren. Wieso mache ich radikal menschliche, linke Politik? Weil ich mir schon in jungen Jahren eine andere Welt vorstellen konnte und wollte. Und auch heute gibt es genügend junge Menschen, vielleicht sogar mehr als früher, die sich eine andere Welt vorstellen können und wollen. Wenn man die Welt anschaut, muss man sich diese anders vorstellen, damit wir hoffnungsvoll in die Zukunft schauen können.
Die Basta setzt sich fürs Wohnen als Grundrecht ein, aber wo bleibt der Wohnraum für sozial vulnerable Gruppen?
Die Situation ist überhaupt nicht zufriedenstellend, der Kanton vertröstet auf Projekte, die irgendwann kommen sollten, wie Housing First Plus oder Hey-U Intensiv, Teilprojekte, für welche die Gelder bereits gesprochen wurden. Ich habe manchmal das Gefühl, die Regierung will nicht wirklich vorwärts machen.
Warum nicht, ist das Thema zu wenig attraktiv?
Vielleicht weil sie das Problem anders einschätzt. Ich bin mit der Stiftung Wohnhilfe tagtäglich mit der Problematik konfrontiert. Ich weiss, wie viele Personen mit einer schwierigen Ausgangslage Wohnungen suchen. Wir haben eine riesenlange Warteliste. Es müsste viel mehr investiert werden in bezahlbare Wohnungen und auch in Angebote, von denen einzelne Zielgruppen mehr profitieren könnten.
Der Wohnschutz an sich wurde durch die Bürgerlichen gelockert, der Klimaschutz soll Vorrang haben gegenüber dem Wohnschutz. Was halten Sie von einer möglichen Volksinitiative, wie sie Beat Leuthardt vom Mieterverband ins Spiel gebracht hat, um in der Kantonsverfassung festzuschreiben, dass Wohn- und Klimaschutz zusammengehören?
Ich finde die Haltung völlig richtig: Klimaschutz darf den Wohnschutz nicht aushebeln. Wir müssen beides zusammen denken. Klimamassnahmen müssen immer sozial abgefedert werden, damit sie wirken.
Auch die Grünen wollen nicht mehr nur als Ökopartei wahrgenommen werden, sondern machen sich beispielsweise für eine feministische Politik stark, wie im Bajour-Interview zu lesen war. Werden die Grünen immer mehr zur Basta?
Das wäre wünschenswert. Ich glaube, die Grünen funktionieren als Partei anders. Das unterscheidet uns mehr als nur die politischen Positionen.
Sprechen Sie die partizipative Ader der Basta an?
Auch, ja. Uns ist es sehr wichtig, Politik direkt mit den betroffenen Menschen zu gestalten. Es geht aber ganz allgemein darum, wie die Partei funktioniert. Bei den Grünen ist beispielsweise die Ausrichtung auf der nationalen Ebene grösser als bei uns. Auch ihr Wunsch, in die Regierung einzuziehen, hat eine andere Gewichtung.
Die Basta spricht sich für partizipative Stadt- und Quartiersentwicklung aus, nun gibt es Streit bei den Superblocks, weil sie zurückgebaut werden sollen; eine Petition fordert deren Erhalt auch nach der Testphase. Sie möchten in Ihrer Interpellation von der Regierung wissen, ob sie eine Verlängerung der Testphase für möglich hält, ignorieren Sie damit die vielen Bedenken, die das Pilotprojekt mit sich bringt?
Nein. Ich frage mich einfach, welches Projektmanagement die Verwaltung da führt. Mit so einer Planung – also erst alles abzureissen, um es dann wieder aufzubauen – wird jegliches ehrenamtliche Engagement im Keim erstickt. In Zukunft werden die Menschen nicht mehr mitmachen.
Abgesehen vom Superblock: Wie möchte die Basta die Mobilitätswende schaffen? Was sind die Vorhaben Ihrer Partei fürs neue Jahr?
Wir fordern von der Regierung eine klare Haltung gegen den Rheintunnel, wie es der Wille der Bevölkerung ist. Zudem muss der Fuss- und Veloverkehr sicher werden und hierzu braucht es eine sichere Infrastruktur. Die Basta fordert einen Gratis-ÖV, damit nachhaltige Mobilität für alle zugänglich wird.
Das fordert die Basta ja schon länger. Kommt da nochmal was?
Wir haben die Initiative für einen gratis ÖV für Kinder und junge Erwachsene mitlanciert und freuen uns, dass wir mit dem Gegenvorschlag nun immerhin ein stark vergünstigtes U-Abo für junge Menschen erreicht haben. Die PdA hat nun Unterschriften gesammelt, um dieser verbilligte Jahresabo allen Altersklassen zugänglich zu machen. Auf nationaler Ebene ist zudem eine Initiative für einen gratis ÖV geplant, bei der wir aber nicht direkt involviert sind.
Sonst noch Vorhaben für das nächste Jahr?
Wir haben zwei grosse Initiativprojekte. Einerseits die erwähnte «Pharma für alle» sowie die Initiative «Erben für Wohnen», die wir zusammen mit den Jusos lanciert haben, um soziale Ungleichheit anzugehen und mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Wenn der Kanton nicht in den Lage ist, in der Wohnpolitik vorwärts zu machen, dann soll diese Initiative den Anstoss geben ..
Besten Dank für das Gespräch.