Ein Mann mit Sendungsbewusstsein
Drei heikle Grossprojekte hat Thomi Jourdan als Gemeinderat in Muttenz noch über die Ziellinie geführt, bevor er Baselbieter Regierungsrat wird. Politisch ist einigen noch immer unklar, was von dem EVPler erwartet werden kann. Sachpolitik, sagt er. Das gleiche Engagement wie in Muttenz, hoffen andere.
Strahlend weisses Hemd, Anzughose, auf der Nase eine dunkle, seriös anmutende Brille – wer Jourdan auf der Strasse begegnet, könnte ihn für einen Fernsehmoderator halten. Zuhause zeugen Flipflops und gebräunte Haut vom Urlaub in Nantes. Das in den 70ern im Brutalismusstil (Sichtbeton!) erstellte Elternhaus von Jourdan ist belebt: Mal bereitet seine Frau Jacqueline, Schulleiterin der Primarschule Lysbüchel, das Essen zu, mal trottet der älteste Sohn oberkörperfrei durch die Wohnung.
Dass wir für ein Mediengespräch so nah im Privatbereich des Politikers sind und so locker auf seiner Veranda sitzen, das passt zu dem Bild, das Jourdan abgeben will: Er ist transparent, versteckt sich nicht, lässt uns an seinem Leben teilhaben. Das ist nicht Thomas Jourdan, das ist Thomi.
Symptomatisch dafür: «Die kleine Farm» auf der Wiese nebenan, die sich die Jourdans aufgebaut haben. Das Glöckli der Zwergziegen ist während des Gesprächs auf der Terrasse immer wieder zu hören, genauso wie das Gegacker der Seidenhühner und Laufenten. Schwarznasenschafe weiden hier keine, aber wundern würde es auch nicht. Als PR-Coup à la Baume-Schneider reichte die kleine Farm allemal: Aus der sympathischen Blick-Homestory bei der Bundesratskandidatin wurde bei Jourdan eine sympathische bz-Homestory. Und für Social Media weiss er die kleine Farm sowieso zu inszenieren.
Jourdan ist ein Mann mit Sendungsbewusstsein. Nicht nur, weil die Plakatkampagne mit seinem Gesicht Anfang des Jahres im Kanton omnipräsent war. Es ist auch die Art, wie er auftritt. Wenn er redet, dann ist das ein ständiges Suchen nach noch besseren, überzeugenderen Formulierungen. Selbst ein privates Gespräch kann anmuten wie ein Ted-Talk, wenn er die Faust ballt und Begriffe wie «Window of opportunity» verwendet.
Und auch kaum ein Gespräch mit politischen Wegbegleiter*innen kommt ohne dieses Wort aus. Jourdan wirkt dadurch sehr engagiert. Er sei mit Feuer, Leib und Seele dabei, heisst es dann zum Beispiel von seinem SP-Gemeinderatskollegen Roger Boerlin.
Freudenwoche zum Abschluss
Selbst in seinen jungen Jahren im Landrat fiel das schon auf: SVP-Nationalrat Thomas de Courten, der zur selben Zeit im Parlament war wie Jourdan, erinnert sich an einen gesprächigen Kollegen mit progressiven Ideen und innovativen Ansätzen, geprägt durch seine Arbeit als Streetworker. Und schon damals: «Seine Voten blieben in Erinnerung. Präsentieren kann er», so de Courten.
Diese Gabe verhilft ihm dazu, auch von schwierigen Anliegen zu überzeugen. Von der Umnutzung der Muttenzer Gemeindehalle zur Musikschule. Vom Bau von Hochhäusern im Schänzli. Nicht zuletzt: Vom Windrad. Alle drei Muttenzer Megaprojekte überschritten in seiner letzten Arbeitswoche die Zielgerade. Von Erfolgen oder einer persönlichen Bilanz spricht Jourdan hier aber nur ungern, sondern von gut ausgearbeiteten Vorlagen. Auf LinkedIn klingt es dann aber doch wieder nach einem persönlichen Erfolg:
Ohne Widerstand und Rückschläge ging das notabene nicht. Bei einer der ersten Gemeindeversammlungen hiess es, man solle ihm die Planung des Schänzlis entziehen. Das Windrad war eigentlich bereits beerdigt, bevor das Projekt von Schüler*innen wiederbelebt wurde. Und im Streit um eine Mobilfunkantenne auf dem Muttenzer Hallenbad flog ein Stein auf Jourdans Haus. Damals dachte Jourdan sogar daran, mit der Politik aufzuhören.
Er tat es nicht. Und wurde dann schon vor zehn Jahren fast in die Kantonsregierung gewählt. Zwar sagt Jourdan heute, dass er froh ist, dass er damals nicht gewählt wurde. Dennoch: Er hätte Toni Lauber sein können, denn gegen den trat er damals in der Ersatzwahl für den verstorbenen CVP-Regierungsrat Peter Zwick an – und holte als Kandidat mit linker Unterstützung 46 Prozent. Ein Achtungserfolg, fast die noch grössere Überraschung als die eigentliche Wahl zehn Jahre später. Das war das Signal für die diesmaligen Regierungsratswahlen, dass er einer ist, der tatsächlich Chancen hat.
Die ewigen Fragen rund um das «E»
In der Wahlberichterstattung wurde damals mitunter über den Glauben des EVPlers diskutiert. Wie sehr die Religion die Politik des Freikirchlers beeinflusse, wurde damals gefragt. Schliesslich ist er einer, der seinen Glauben durchaus ernst nimmt. In einem Interview sagte er, dass er seine Kinder nach biblischen Werten erziehe.
Mittlerweile kennt man seinen Sohn Josia vielmehr als queeren Influencer, in der bz schrieb er bis vor Kurzem eine Kolumne über LGBTIQ-Themen. Dass sein Sohn schwul sei sowie sein Engagement für die queere Community, habe auch Thomi Jourdans Haltung «differenziert und erweitert»: «Es gehört zum Leben, sich immer wieder zu hinterfragen und hinterfragen zu lassen, Fehler einzugestehen und Vergebung anzunehmen.»
Jourdan wurde 1974 als Kind eines Dänen und einer Schweizerin geboren. Im Alter von 2 Jahren kam er zu einer Pflegefamilie. Statt nach dem Wirtschaftsstudium Ökonom zu werden, arbeitete er als Streetworker. Es folgten berufliche Stationen im Personalwesen, beim Felix-Platter-Spital und bei der Stadtzürcher Gesundheitsdirektion, bevor er Geschäftsführer einer Treuhand-Immobilienfirma wurde. Politisch begann seine Karriere 2001 als Nachrücker der EVP im Landrat, wo er, damals 26-jährig, zunächst der jüngste Parlamentarier war. 2009 verliess er den Landrat, da war er bereits seit einem Jahr Gemeinderat in Muttenz. Hier wohnt er mit seiner Frau Jacqueline, die er seit der Jugend kennt, und den vier Kindern, davon eine Pflegetochter.
Dennoch bleibt die EVP für viele politisch nicht ganz greifbar. Jourdan ist für einige Parlamentarier*innen eine «politische Blackbox», wie die BaZ schreibt. Selbst jahrelange Wegbegleiter können ihn politisch nicht genau verorten, beschreiben ihn aber mal als «bürgerlich-liberal», mal als «progressiv».
Tatsächlich sei er parteipolitisch nicht einfach einzuordnen, sagt Jourdan. Die EVP bezeichnet er als die richtige Partei, auch wenn er nicht immer der gleichen Meinung sei, «wie es auch in jeder anderen Partei der Fall wäre.» In die EVP trat er damals ein, weil er gerne in der Mitte politisieren wollte und auch, weil er sich mit den christlichen Werten identifiziert. Aber grundsätzlich stört ihn dieser Fokus auf Parteipolitik – «auch in meiner Zeit im Landrat habe ich gemerkt: Das parteipolitische Ränkespiel liegt mir nicht.»
Was ihm mehr liege, und das bestätigen auch die Kolleg*innen im Muttenzer Gemeinderat: die Sachpolitik, die ein Exekutivamt mit sich bringt. Mitte-Kollege Thomas Schaub spricht von einer «innovativen Art», mit der Jourdan die Themen angehe. Jourdan selbst sagt: «Wer sich damit auseinandersetzt, wie ich bisher im Gemeinderat Politik gemacht habe, der kann auch abschätzen, was für Politik ich als Regierungsrat machen werde.»
«Ich möchte mich nicht verstellen für das Amt. Nur weil ich gewählt wurde, bin ich jetzt kein anderer Mensch.»Thomi Jourdan, Regierungsrat Baselland (EVP)
Das sieht er derweil auch als eine der grossen Herausforderungen als Regierungsrat an: «Wie behalte ich die Aussensicht und bleibe ich kreativ, innovativ und inhaltlich in Bewegung? Selbstverständlich habe ich den Anspruch, Impulse zu setzen, Führung zu übernehmen und die Entwicklungen in unserem Kanton – gemeinsam mit meinen Regierungsratskolleg*innen – zu gestalten.» Wie genau das funktionieren soll, das hat er mit seinem «Energy Team», wie er seine Unterstützer*innen nennt, in den vergangenen Monaten ausgearbeitet.
Dazu gehört, dass Jourdan fixe Fenster im Terminkalender eingeplant hat, welche er bewusst für Begegnungen unterschiedlichster Art verwenden möchte, um «inhaltlich und gedanklich in Bewegung zu bleiben» und Impulse für seine Regierungsarbeit zu erhalten. Wichtig ist ihm auch, ein «erlebbarer Regierungsrat» zu sein und dafür auch die sozialen Medien zu nutzen.
«Ich möchte der Direktion und der wichtigen Arbeit, welche die vielen Menschen in meiner Direktion leisten, ein Gesicht geben und gleichzeitig die Bevölkerung mitnehmen, informieren und einbeziehen. Nicht erst, wenn das Abstimmungsbüchlein da ist, sondern frühzeitig und auf jenen Kanälen, auf denen sich die Menschen heute informieren.»
Ein Tik-Tok-Regierungsrat also? Jourdan weiss sich gut zu verkaufen, sagen auch einige politische Wegbegleiter*innen hinter vorgehaltener Hand. Bei so viel Inszenierungspower könne schon mal der Raum für weitere Personen neben Jourdan eng werden, sagt einer. Sehen da andere neben ihm alt aus?
Sein Regierungsratskollege Isaac Reber (Grüne) jedenfalls hat nicht die Sorge, dass Jourdan ihm die Show stehlen könnte. «Ich bin zuversichtlich, dass er den Platz in der Regierung ausfüllen wird. Lassen wir ihn doch erstmal ankommen.» Und auch Jourdan selbst sagt, sein eher expressiver Weg sei nicht der «einzig richtige», um erfolgreich Politik zu machen. «In der Regierung sind selbstbewusste, kompetente Frauen und Männer. Mein Ziel ist jetzt erstmal, meinen Job genauso gut zu machen wie sie.»
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